Hallo, Frodomir!
Was für ein wundervoller, z.T. schwierig zu deutender Kommentar zu meinem Gedicht.
Deshalb erlaub ich mir, nach und nach Punkte herauszugreifen, und nicht auf alles zugleich Antwort zu geben.
Das Gedicht, wie ich es hier geschrieben habe, sehe ich als lose verbundene Kette von Assoziationen. Bunte Bilder, die aus der Seele emporsteigen.
Man kann das sicher als eine Art Prosa sehen. Tatsächlich würde ich aber einen Prosatext nicht mit so vielen poetischen Wendungen und Bildern ausstatten.
Die Rede an den Wind zu richten kann gleichfalls schwer im Rahmen eines Prosatextes gedacht werden.
Gedichte, wie ich sie verstehe, drücken ein Ineinandergleiten von Wahrheit, Traum und Überdenken aus, wie ich es mir in kaum einem Prosatext in dieser Kürze denken kann.
So sage ich - in Ermangelung eines besseren Wortes - Gedichte zu meinen Texten, ohne damit ein Gesetz begründen zu wollen, nach dem man Texte in Lyrik oder Prosa einteilen könnte.
Der Wind wird als Naturphänomen wahrgenommen, zu welchem mein Protagonist spricht, ähnlich wie ja auch ein Heiliger Franziskus zur gesamten Schöpfung, zu Tier- und Pflanzenwelt und auch zur unbelebten Natur - gesprochen hat.
Dieses Stück Schöpfung, dieses physikalische Phänomen wird nun anders vom Kind als vom Erwachsenen wahrgenommen, und mein Protagonist reflektiert die Wandlung des Wahrgenommenen im Rahmen seiner eigenen Lebensgeschichte. Der Wind erscheint ihm als ein leiser immer gegenwärtiger Beobachter, der gewissermaßen die Lebensgeschichte des Protagonisten kennt, und so ebenso zu einer Art altbekanntem Begleiter geworden ist.
"Erwacht das Kind in mir" drückt meinen Gedanken aus, dass wir "reifer gewordene Kinder", und im Grunde dieselben Menschen geblieben sind - ausgestattet lediglich mit einer zunehmenden Erfahrung. So scheint es mir möglich, dass etwas von dem Vergangenen, etwas zutiefst Kindliches auch jetzt noch in uns lebendig werden kann, als ein Erinnern aber auch als ein Wahrnehmen, dass wir im Grunde immer noch "groß gewordene Kinder" sind, nicht sehr verschieden von dem, was wir gewesen sind.
Du sagst:
"Dies liegt daran, dass der Wind zu schwach charakterisiert wird, auch wenn ich zu begreifen glaube, dass es sich um die recht abstrakte Energie des sich immer verändernden Lebens selbst handeln sollte."
Und das erscheint mir ein interessanter Gedanke.
Du sagst weiter:
"So sagt dein Gedicht bereits das Meiste prosaisch auf, mir als Leser bleibt dann nur ein Nicken und die Erkenntnis, das Dichten tatsächlich von Verdichten kommt."
Keinesfalls möchte ich dir aber damit meinen eigenen Stil oktroyieren, zumal ich mir im klaren bin, dass die Lyrik mittlerweile eine Unzahl an Spielarten offenhält. Vielleicht fehlt es mir aber bei deinem Gedicht Wind gerade daran: Dem Spiel mit der Art (Form, Sprache, Rhetorik)."
Über diese Kritik werde ich noch nachdenken müssen. Ich habe darauf keine sofortige Antwort. Es kommt mir in meinen Texten darauf an, dass meine Gedanken adäquat kommuniziert werden, eine pointierte (verdichtete) Aussage treffen und schließlich Übereinstimmung oder Protest beim Leser auslösen.
Ich suche in meinen Texten nicht irgendeinem Maßstab gerecht zu werden, nach welchem diese nun Gedichte sind oder nicht, sondern ich versuche, möglichst getreu meine Gedanken und Empfindungen in Worte zu fassen.
Ich halte dabei nicht an dem Wort Lyrik fest. Verwehre den Begriff aber auch nicht. Eine Auseinandersetzung, an der ich kein besonderes Interesse habe.
Alles so deutlich - oder überdeutlich - beschrieben zu haben, dass es der Leser nur abnicken kann, sehe ich nicht zwingend als Mangel, wenn man in Rechnung stellt, dass viele meiner Texte im Grunde kurze Betrachtungen oder Geschichten darstellen wollen.
Danke für deine ausführliche Kritik!
LG,
Roman