Winter (Sonett)

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anbas

Mitglied
Winter

Der Winter zaubert seine weißen Spuren
Und Frost haucht Nebelspiele durch die Stadt
In Wolkenschleiern ruht die Sonne matt
Und Kinder bauen kleine Schneefiguren

Doch du stehst zitternd in der warmen Wohnung
Der Blick nach draußen lässt dich gänzlich kalt
Ich öffne uns're Tür nur einen Spalt
Und augenblicklich wimmerst du um Schonung

Uns eint so vieles – hier sind wir verschieden
Du sperrst die Kälte unerbittlich aus
Mit Tee und Decken willst du dich verschanzen

Mich aber zieht es einfach nur noch raus
Im Zimmer hocken macht mich unzufrieden
Will jetzt im Schnee mit weißen Flocken tanzen
 
T

Trainee

Gast
Hallo Anbas,
auf den ersten Blick ein überschaubares Sonett über ein Naturphänomen.
Auf den zweiten lassen sich für mich menschliche Eigenschaften herauskristallisieren: Die des Kriegers und die des Verharrenden, Bodenständigen.
Oder, in der Denkweise eines Antropologen, die des Ackerbauern und des Nomaden. ;)
Was mir ein wenig fehlt, ist etwas Pep, etwas Überraschenden, das den Leser in seinen Bann zieht ...
Aus eigener Erfahrung weiß ich jedoch, dass es vieler, vieler Sonette bedarf, um dem Klassiker Neuzeitliches einzuimpfen.

Liebe Grüße
Trainee
 

anbas

Mitglied
Moin Trainee,

danke für die Rückmeldung und Deine Wertung!

Auf den zweiten lassen sich für mich menschliche Eigenschaften herauskristallisieren: Die des Kriegers und die des Verharrenden, Bodenständigen.
... oder zwischen Frostbeule und Frischluftfanatiker :D

Was den Pep betrift, so frage ich mich schon seit etwas längerer Zeit, ob dies immer nötig ist - vor allem, wenn es sich um Texte handelt, in denen vor allem auch eine momentane Stimmung eingefangen werden soll. Ich bin mir da selber noch nicht ganz sicher, "forsche" noch ;) und bin daher dankbar für die - z.T. sehr konträren - Rückmeldungen zu solchen Texten.

Liebe Grüße

Andreas
 
T

Trainee

Gast
Hallo anbas,

das ist ein berechtigte Fragestellung.
Möchte der Dichter ein reines Stimmungsgedicht herstellen, bedarf es dieser Finesse nicht unbedingt. Die Romantiker kamen weitgehend ohne aus und haben wunderbare Gedichte hinterlassen.
Und da deutet sich das Problem schon an: Ein Sonett kann formal und inhaltlich tadellos sein und dennoch leicht überholt oder bieder wirken. [D e i n Gedicht möchte ich mit dier Bemerkung ausdrücklich n i c h t geißeln.]
Ich hoffe trotzdem, dass du mir einen Vergleich mit Arons letztem Mensa-Sonett erlaubst: Das wirkt trotz Einhaltung der tradierten Form frisch und frech, bringt die Stimmung mit seiner eher "modernen" Sprache und Begifflichkeit (auch) super rüber.
Mir geht es nicht um richtig oder falsch. Oder besser und schlechter.
Mehr um den zeitgemäßen Touch. Und um die Überraschung des Lesers.

Manchmal ist es vielleicht einfach Geschmackssache ... einem phlegmatischen Temperament gefällt das durchgehend Ruhige evtl. von Haus aus besser ... ;)

Liebe Grüße
Trainee
 

Tula

Mitglied
Hallo anbas

In S2 widersprechen sich inhaltlich V1 und V2.
Und ich stimme Trainee gern zu, auf mich wirkt das Gedicht recht unglaubwürdig, emotional übertrieben. Hier fehlt mir eine passende humoristische Perspektive.

LG
Tula
 

anbas

Mitglied
Hallo Trainee,

da ich Arons letztem Mensa-Sonett nicht kenne, kann ich dazu auch nichts weiter sagen (werde wohl mal danach googeln müssen ;)).

Ja, es wird auch eine Frage des Geschmacks sein. Einen wirklichen "Pep" möchte ich in diesem Sonett weiterhin nicht haben. Schaun wir mal - manchmal sehe ich die Sache mit einem längeren Abstand auch wieder anders.




Hallo Tula,

schade, dass dieses Gedicht so unglaubwürdig auf Dich wirkt. Es ist das Ergebnis von Erlebnissen aus dem (meinem) realen Leben. Mein Büro wurde jetzt schon mehrfach als "Frostkammer" bezeichnet, es gibt Kollegen und auch Freunde, mit denen ich immer wieder scherzhafte Streitgespräche führe, wenn es draußen schneit - ich möchte am liebsten sofort raus, die andere Fraktion lieber bis zum Frühjahr das Haus nicht mehr verlassen :D.

In S2 widersprechen sich inhaltlich V1 und V2.
Ich sehe da keinen Widerspruch. Auch aus dem warmen Zimmer kann man nach draußen sehen (durchs Fenster).

Ich danke Dir trotzdem für Deine Rückmeldung und die Wertung.



Liebe Grüße an Euch beide

Andreas
 

Tula

Mitglied
Hallo anbas

Was ich meinte:
Wenn jemand in der warmen Wohnung zittert, dann wohl nicht vor Kälte, sondern irgendeiner emotionalen Erregung. Also das Gegenteil von "etwas lässt mich kalt".

Vielleicht meintest du "du zitterst (vor Kälte) selbst noch in der warmen Wohnung."

Steht aber so nicht da.

Sorry fürs Krümelkacken :)

LG
Tula
 

anbas

Mitglied
Hm, es sollte ein Wortspiel sein, das scheinbar nicht funktioniert (oder zumindest nicht bei Dir ;)):

"kalt lassen" im Sinne von
1. keine Begeisterung für die schöne Winterwelt aufkommen lassen,
2. trotz des warmen Zimmers kalt bleiben, weil der Blick nach draußen zum Frösteln führt.

Ich lasse es trotz (nicht wegen :D) Deiner Kritik erst mal stehen. Ich mag diese Stelle, wegen meiner Hintergedanken, die ich dort beim Schreiben hatte ;). Vielleicht ändere ich es aber auch irgendwann mal.

Danke für die Erläuterung Deiner Krü... Kritik.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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