Winteranfang

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Schweigend nicken die Fichten.
Der Winteranfang ist nah.
Im Wind klingen wieder Geschichten
von Wundern und Heilung und
wunderbar
funkeln die Flocken
im Wind.

Am Waldrand spielt schon ein Kind.
Den Mund in der tanzenden Pracht.
Das Gesichtchen noch warm und rot und ganz rund.
Und sein Grüßen ist aus dem Damals gebracht,
als brächte es längst vergessene Kund.

Wie es lacht in den Schnee.
Wie wir alle einst lachten.
Mit durchfrorenen Füßen
zur Schneeballschlacht brachten
die schönsten Kugeln,
die reinsten;
und schmissen und lachten
und warfen und weinten,
wenn wir getroffen zu Unrecht uns meinten.
Die Hände rot von der Kälte.
Die Kleidung durchnässt und die Schelte.
Das Brennen des Lebens erhellte
den Abend, die heilige uralte, strahlende
Macht.

Im Herzen das Dunkeln
der Stille der Nacht.
Am Abend dann sorgsam ausgebracht
die schneenassen Sachen.
Das Feuer entfachen im heiligen Heim.
Das Knistern und Funkeln,
das Schlummern,

das Sein.

Du hast ein Feuer angemacht.
Es zieht durch die alten, schweren Knochen.
Der Hunger ist schon fortgebracht.
Ein schmales, leichtes Süppchen kochen.
Das reicht.
Und das Glas nicht mehr leeren.
Ganz leicht
willst du werden.
So leicht wie die Flocken.
Oder das Klingen der uralten Glocken
zur Weihnachtszeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Petra

Die Erinnerungen sind ja meist nur noch Legenden. Extreme ziehen immer ihr Gegenteil an. Deswegen ist der Wunsch nach Leichtigkeit in der letzten Strophe vielleicht das entscheidende Bild.

Warum sollte jemand dem es wirklich so gut ergangen ist so leicht werden wollen. Kommt die Winterzeit schließe ich immer all die in meine Mediation ein die den Hunger schon fortgebracht haben , nicht mehr zur Last fallen wollen und die Gläser nicht mehr leeren… derer wollte ich mit einem lächerlich dekadenten Festmahl gedenken

Ich danke dir für deinen kritischen leseindruck sehr

Mes compliments

Dio
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey Dio!
Am Anfang höre ich in der Sprachmelodie fast ein bisschen Heines "ich weiß nicht, was soll es bedeuten" heraus, bis dann in Z5 ein abrupter Rhythmuswechsel erfolgt. Dieses Spiel mit altvertrauten Sprachklängen, die kunstvoll in einander geschachtelt werden setzt sich dann auch so fort und insgesamt wirkt diese winterliche Sinfonietta wie eine Verbeugung vor den großen Stimmen des 19. Jahrhunderts, man hört, finde ich, außer dem Heine auch ein bisschen den Storm, die Droste, den Mörike, den Fontane heraushören (und könnte hier auch weitere Namen nennen).
Ein bisschen ist das schon aus der Zeit gefallen und so kann ich Petras Irritation sehr gut nachvollziehen (das "heilige Heim" ist wirklich ein starkes Stück ;) ), aber ich muss sagen... Du hast mich doch eingefangen mit Deinem weihnachtlich-bratapfligen Winterstück als gäbs weit und breit keinen Klimawandel. ;)
LG!
S.
 
das "heilige Heim" ist wirklich ein starkes Stück
hehe ja das ist es wohl.

Ein großes Merci für das kunstvolle Entflechten des verschneiten Stücks und das Auslegen unter die Schatten der großen Wintergeister Droste, Mörike, Storm.

mes compliments

Dio

PS: An Dionysos´ Bratapfelstand gibt es leider nichts antialkoholisches. Selbst die unschuldig daherkommenden runden, köstlichen Bratäpfelchen haben noch starke 12 % . Dafür brauchst du sie nicht gendern ;-)
 
S

Susanne Evers

Gast
Mich hast Du sehr erfreut. Kurz zeigten sich Erinnerungen, die aus meiner heutigen Sicht, wahrscheinlich idyllisch waren.
Idylle, so wärmend in dieser Kälte.
 
G

Gelöschtes Mitglied 16600

Gast
Wieder einmal eine dieser Erzählversgeschichten, vor der ich kommentarlos den Hut ziehe.
Chapeau!
 

wiesner

Mitglied
idylle ist ein obst dessen kerne gestreut unser aller zuhause darstellen (manche sagen heimat dazu)

unser zuhause ist ja auch ganz oft die dichtung
kürzlich las ich Rilkes Herbsttag
im dezember werde ich wieder Eichendorffs Weihnachten lesen (ach ich kanns ja auswendig ;) )

jetzt hat mich Dionysos' schönes gedicht angesprochen

danke
 



 
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