Winterstillleben

4,40 Stern(e) 7 Bewertungen

Walther

Mitglied
Wintersstillleben


Der Winter wirft sich weiß in schönste Schale:
Auf Autos gleißt der Reif in allen Farben,
Und weiche Wellen schließen dunkle Narben.
Auf nahen Hügeln rasen Kinder laut zu Tale.

Ein Fuchs schnürt seine Fährte durch den Garten
Und sucht nach Nahrung. Krähen geben Warnung.
Dem Kater dient der Tannenfuß als Tarnung:
Vergeblich wird er dort auf Amseln warten.

Ich schlendre meiner Nebelfahne nach,
Die sich an meinen kalten Lippen kräuselt.
Auf Feldern liegt der Ackerboden brach,

Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
Rasch greif ich in den Schnee mit klammen Händen,
Der pulvrig ist, und lass es dann bewenden.
 

Label

Mitglied
Lieber Walther

gefällt mir dein Stillleben
besonders das:
Ich schlendre meiner Nebelfahne nach,
Die sich an meinen kalten Lippen kräuselt
empfinde ich sehr poetisch

da
Auf Autos gleißt der Reif in allen Farben

hmm hmmm, ich weiß zwar dass unter Sonneneinstrahlung die Eiskristalle das Licht in die Regenbogenfarben bricht,
aber das sieht man doch eigentlich nur wenn man ganz ganz nahe dran ist.
Jedenfalls ist es für mich nicht die erste Assoziation - Reif in allen Farben - daher etwas an dem ich hängenblieb

was hieltest du von
Auf Autos gleißt der Reif in Glitzerfarben
oder so ähnlich?

lieber Gruß
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
pulver

wunderschön in allen versen.
gut zu greifen: der schwer zu greifende pulverschnee. hat die leichtigkeit des ganzen lieds.

(natürlich keine "glitzer"-farben, sonst wirds ein wein8sbaum mit plastikmetallicfantastic.)
 

Walther

Mitglied
Hi Label,

danke fürs reinlesen und freundlich kommentieren.

wie mondnein bemerkte, gibt es zwei blickwinkel, weil wir ja von einer gesamtschau reden, bei der das lyrich unterwegs ist - du hast die passage hervorgehoben. es werden immer wieder sog. "stills" berichtet, die sich zu einem stillleben zusammensetzen.

daher kann das bild mit dem schimmernd-gleißenden raureif auf den autos m.e. so stehenbleiben, da dein vorschlag nicht genau das, was das lyrich sieht und beschreibt, wiedergibt.

lieber gruß W.

lb. mondnein,

dein lob ist aus berufenem munde. ;) daher will ich ihm nicht widersprechen!

danke und lg W.

lb. anbas,

mein dank an dich für die freundliche bewertung!

lg W.
 

wüstenrose

Mitglied
Moin Walther,

dein Gedicht spricht mich an (Näheres später), doch zunächst zwei Anmerkungen:

Z4 hat eine Hebung zu viel.

Folgende Stelle musste ich öfters lesen:

Auf Feldern liegt der Ackerboden brach,

Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
Ich dachte eine ganze Weile, es muss doch heißen:

Durch den ein ... (da ich ganz automatisch auf Ackerboden bezog)

Bis ich den Sinn erkannte:
Auf Feldern, durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt, liegt der Ackerboden brach.

Jetzt meine Frage (an die Grammatik-Spezialisten): Ist die von dir benutzte Satzstellung ok / zulässig / aus sich selbst heraus verständlich oder ist sie streng genommen irreführend? Ich selbst weiß es nicht, aber ich kam an dieser Stelle beim Lesen ziemlich aus dem Tritt und konnte dann das Gedicht nicht wirklich auf mich wirken lassen.

lg wüstenrose
 

Walther

Mitglied
Wintersstillleben


Der Winter wirft sich weiß in schönste Schale:
Auf Autos gleißt der Reif in allen Farben,
Und weiche Wellen schließen dunkle Narben.
Auf Hügeln rasen Kinder laut zu Tale.

Ein Fuchs schnürt seine Fährte durch den Garten
Und sucht nach Nahrung. Krähen geben Warnung.
Dem Kater dient der Tannenfuß als Tarnung:
Vergeblich wird er dort auf Amseln warten.

Ich schlendre meiner Nebelfahne nach,
Die sich an meinen kalten Lippen kräuselt.
Auf Feldern liegt der Ackerboden brach,

Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
Rasch greif ich in den Schnee mit klammen Händen,
Der pulvrig ist, und lass es dann bewenden.
 

Walther

Mitglied
Hallo wüstenrose,

danke vielmals für den hinweis in z4. ich habe das adjektiv herausgegenommen.

man könnte s3v3 auch wie folgt umstellen:
Der Ackerboden liegt auf Feldern brach,
der nachteil ist, daß der vers nun auch mit einem bestimmten artikel beginnt; daher hatte ich das umgestellt. die grammatische logik wird durch die umstellung nicht berührt, da das "die" zu beginn des relativsatzes
Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
einen anderen bezug gar nicht herstellen läßt als den auch "die Felder", was vom bild auch die korrekte aussage ist.

lg W.


lb label,

danke für die freundliche bewertung!

lg W.
 

Walther

Mitglied
Winterstillleben


Der Winter wirft sich weiß in schönste Schale:
Auf Autos gleißt der Reif in allen Farben,
Und weiche Wellen schließen dunkle Narben.
Auf Hügeln rasen Kinder laut zu Tale.

Ein Fuchs schnürt seine Fährte durch den Garten
Und sucht nach Nahrung. Krähen geben Warnung.
Dem Kater dient der Tannenfuß als Tarnung:
Vergeblich wird er dort auf Amseln warten.

Ich schlendre meiner Nebelfahne nach,
Die sich an meinen kalten Lippen kräuselt.
Auf Feldern liegt der Ackerboden brach,

Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
Rasch greif ich in den Schnee mit klammen Händen,
Der pulvrig ist, und lass es dann bewenden.
 
Hallo Walther,
endlich ein Gedicht von dir, dass mir wieder sehr gut gefällt, doch ich störe mich an der Zeile

Auf Hügeln rasen Kinder laut zu Tale.
Müsste es nicht „[blue]von[/blue] Hügeln“ heißen?

Außerdem hätte ich geschrieben:

Auf Feldern liegt der Ackerboden brach,

Durch [blue]den[/blue] ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.

Das Subjekt ist die hierarchisch höchste Ergänzung des Verbs im Satz (woraus eine Reihe weiterer Eigenschaften folgen).

Viele Grüße,
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
Liebe Marie-Luise,

danke für deine eintragung. zu deinen anmerkungen:

(1) die kinder sind tatsächlich "auf den hügeln" und nirgendwo sonst. und dort rasen sie "zu Tale", nämlich runter.

(2) ich wollte den bach nicht nur durch den boden tanzen lassen - dann wäre er nämlich nicht zu sehen - sondern sprachlich und bildlich korrekt durch die felder. die liegen nämlich nebeneinander und haben platz für den bach, der durch sie hindurch säuselt.

lg W.
 

Walther

Mitglied
Sorry,

werte Marie-Luise,

das ändert an meiner argumentation gar nichts. der link bringt keine neue erkenntnis. klar ist eines: ein feld ist ein stück land, das bestellt wird - u.a. kann das ein acker sein. der ackerboden ist die krume, in die gepflanzt wird.

darüber habe ich geschrieben.

und mehr ist dazu wirklich nicht zu sagen.

lieber gruß W.
 

anbas

Mitglied
Hallo Walther, hallo Marie-Luise,

an der Bachstelle bin ich auch gestolpert. Für mich ist dies ein kleiner Schönheitsfehler - wobei die Bezeichnung "fehler" aus meiner Sicht schon zu hoch angesetzt ist. Für mich klingt es "nicht passend". Ohne diese Stelle hätte ich vermutlich einen Punkt mehr springen lassen ;).

Insgesamt bleibt es trotzdem ein schönes Sonett.

Liebe Grüße

Andreas
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Auf nahen Hügeln rasen Kinder laut zu Tale.
"Auf Hügeln" und "von Hügeln" sind zwei Betrachtungsweisen.
"Auf Hügeln" gibt vorrangig den Ort (das Gebiet) an - "von Hügeln" beschreibt den Startpunkt.

"Auf Hügeln" ist eher die Betrachtungsweise eines Gemäldes, "von Hügeln" eher die eines Films.


Auf Feldern liegt der Ackerboden brach,
Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
"Die" bezieht sich hier nach dem Prinzip der "kurzen Bindung" auf das nächstgelegene grammatisch mögliche Satzglied, solange dem nichts entgegensteht.
Das sind hier die Felder. Der Satz enthält aber tatsächlich ein Problem, weil man "durch den" erwartet.
 

Walther

Mitglied
Lieber Bernd,

danke für deine überlegungen, sie klären wenigstens den ersten punkt auf. wenn wir den titel des gedichts "Winterstillleben" uns einmal genau anschauen, ist die diskussion spätestens jetzt eigentlich zu ende.

zum "ackerboden"-thematik. in der tat ist der satz grammatisch völlig in ordnung. um das "leseproblem" zu bewältigen, hatte ich diesen vorschlag gemacht:
man könnte s3v3 auch wie folgt umstellen:

Der Ackerboden liegt auf Feldern brach,
der nachteil ist, daß der vers nun auch mit einem bestimmten artikel beginnt; daher hatte ich das umgestellt. die grammatische logik wird durch die umstellung nicht berührt, da das "die" zu beginn des relativsatzes

Durch die ein kleines Bächlein tanzt und säuselt.
einen anderen bezug gar nicht herstellen läßt als den auch "die Felder", was vom bild auch die korrekte aussage ist.
was meinst du dazu?

ich werde aus einem ganz anderen grund die beiden terzette nochmals bearbeiten. wenn ich damit fertig bin, melde ich mich nochmals.

lg W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich denke, die Originalversion ist besser, für mich war sie kein Problem, aber ich gehe auch Hinweisen von anderen nach.

PS: Von der Grammatik her ist sie in Ordnung. Es ist, wenn überhaupt, eine Stilfrage.

Hier muss man aber erst einen wirklich besseren Stil finden.

PS: Ich habe mich auch im Wordreference-Forum vergewissert, dass es grammatisch korrekt ist.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Walther,

nach den Erläuterungen von dir und Bernd bzgl. meiner Frage sind für mich die Unklarheiten ausgeräumt - wieder was dazugelernt!

Zum Gedicht: Deine Winterbetrachtung kommt an. Man könnte (als Leser) jetzt noch hergehen und versuchen, die von dir benutzten Bilder der Reihe nach aufzudröseln, lang und breit zu interpretieren usw.

Man kann es aber auch bleiben lassen. Denn gerade das gefällt mir am besten an diesen Zeilen: das Motiv des Bedeckt-Seins, des Nicht-alles-ergründen-wollens, des Es-gut-sein-lassens.

Es ist nicht alles sicht- und greifbar - und das ist vielleicht auch gut so. Niemand lehrt uns das besser als der Schnee. Er ist eine Art Lehrmeister des Schweigens. Dein Gedicht trifft exakt den Ton, um dieses Schweigen zu inszenieren. Und von daher: gefällt es mir außerordentlich gut!

lg wüstenrose
 

Walther

Mitglied
Hi wüstenrose,

danke für deine gedanken und überlegungen. in der tat kann man die terzette sicherlich noch optimieren - aber wann geht verbesserung bei einem gedicht nicht mehr? das kann man immer noch ein wenig schöner und fließender gestalten.

mir war es wichtig, die bilder, wie sie in mir aufstiegen, als ich zu schreiben begann, genau so zu präsentieren. irgendwann komme ich dabei immer in eine art flow, der manchmal durchläuft, dann auch einmal abbricht. am ende steht da ein text, der mich manchmal selbst überrascht.

lieber gruß W.
 



 
Oben Unten