Arno Abendschön
Mitglied
Frühling 1979. Aus triftigem Grund verzichten zwei junge Männer aus Hamburg im letzten Moment auf eine gebuchte USA-Reise. Was anfangen mit einem ganzen freien Monat? Sie wollen nun in den Süden, fahren am ersten Urlaubstag bis Stuttgart, beginnen dort erst, die Reise zu planen: Oberitalien bis zur Linie Genua – Bologna oder doch viel weiter? Sizilien wird dann das Ziel von Improvisationen … Hier das redigierte Reisetagebuch:
18. April (Mittwoch)
Gestern früh verließen wir Stuttgart und erreichten Mailand am Spätnachmittag. Es war eine der schönsten Eisenbahnfahrten, die man in Europa jetzt unternehmen kann. Zuerst die Stuttgarter Raum, ergrünend, blütenreich, danach die noch recht kahlen Szenerien am oberen Neckar und zur Grenze hin, nun die wieder recht grüne Schweiz, wo besonders an den Seen vieles in Blüte stand, weiter die Fahrt durch die verschneiten Zentralalpen, schließlich das noch steingraue obere Tessin, erst ab Bellinzona wurde es wieder frühlingshaft – und endlich die Lombardei, wo die Vegetation schon weit fortgeschritten ist. Fast alles ist hier grün und an jeder Ecke blüht es.
Die Stadt ist riesengroß, laut, hektisch. Wir bekamen trotz der Messe schnell ein relativ billiges Zimmer, drei Metrostationen vom Hauptbahnhof. Leider ist auch die Unterkunft lauter als die, die wir letztes Jahr in der Toskana oder in Rom hatten. Wir fuhren am Abend mit der Metro zum Domplatz, fanden rasch ein passendes Restaurant und gingen zu Fuß zurück. Der Schlaf war nicht besonders gut. Heute Morgen im Hauptbahnhof viel Zeit vertrödelt beim Versuch, für morgen Abend Plätze im Liegewagen nach Neapel zu bekommen - unüberwindbar die Sprachbarriere. Wir haben beschlossen, schon morgen früh nach Rom zu fahren, ohne zu wissen, wann es nach Neapel weitergeht.
Vom Bahnhof Rundgang durch die Stadt, gemischte Eindrücke. Das Hochhausviertel um die Piazza della Repubblica kam uns mittelmäßig vor. Der Dom dagegen ist als Bauwerk wahrlich imposant, die innere Ausstattung entspricht dem vielleicht nicht ganz. Ein einmaliges Erlebnis war, auf einem Kirchendach in einem Wald von Marmorfiguren herumzugehen, die Statuen isoliert wie lauter Eremiten im Sinai und tief unter ihnen die betriebsame Millionenstadt. Wir aßen in einem großen Self-Service-Restaurant in der Galleria, erkundeten dann die Gegend um Dom und Scala. Zum Schluss besichtigten wir das große, düster wirkende Sforza-Kastell und fuhren mit der Metro zurück zum Hotel. An der Station Piola verfehlten wir den richtigen Ausgang und gingen lange in die Irre. Eine riesige, labyrinthische Stadt!
21. April (Samstag)
Endlich im tiefen Süden, nach Überwindung vieler Hindernisse. Es fing damit an, dass wir am Donnerstagmorgen mit der Metro zum Mailänder Hauptbahnhof fahren wollten, mit unseren Koffern aber eine halbe Stunde lang nicht in die überfüllten Bahnen hineinkamen. Wir erreichten zwar noch den Zug nach Rom, fanden aber keine freien Sitzplätze, so dass wir lieber ausstiegen. Sollten wir überhaupt noch weiter nach Süden fahren? Wir beschlossen, unsere Sizilienpläne nicht aufzugeben. Da der nächste Zug nach Rom erst um ein Uhr mittags fuhr, hatten wir noch Zeit für eine zweite Besichtigung des Doms und ein Mittagessen in der Galleria.
Dann die Fahrt durch die üppig grüne Lombardei, vorbei an den alten Städten der Emilia-Romagna, durch den Apennin, über Florenz und durch die Toskana und Umbrien. Um acht Uhr abends kamen wir in Rom an. Das Verkehrsamt war geschlossen, so dass wir uns selbst ein Hotel suchen mussten, auch glücklich etwas Billiges in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs fanden. Es war sogar recht ruhig. Den Freitagvormittag benutzten wir, um ausgiebig zu frühstücken und die Liegewagenplätze für die Heimreise zu bestellen.
Um die Mittagszeit bestiegen wir den Zug nach Neapel und fuhren drei Stunden durch die grünen und blühenden Landschaften der Campagna und Kampaniens. Hier in Neapel erhielten wir ein Zimmer in einem Hotel direkt am Meer, an der Via Partenope. Es liegt im fünften Stock und ist nicht mehr allzu laut. Der Blick aus dem Fenster geht aufs Meer, reicht vom Castel dell’Ovo bis zu den Vorbergen, die die Bucht im Norden begrenzen. Den Vesuv haben wir bisher nur undeutlich gesehen, da es immer etwas diesig war. Gestern war es bei der Ankunft bewölkt, heute scheint die Sonne und es ist warm.
Wir unternahmen gestern am späten Nachmittag einen ersten planlosen Rundgang durch die Altstadt. Sie ist unvergleichlich: dicht bebaut, überwiegend ärmlich und dabei doch so lebendig. Wir gingen immer aufwärts, kamen durch die Galleria, stiegen die wimmelnde Via Roma hinauf und bogen dann in eine der steilen Wohngassen ein, die in halber Höhenlage auf eine große Durchgangsstraße stieß, der wir länger folgten: Corso Vittorio Emanuele. Als es dämmerte, stiegen wir wieder hinunter. Die Straßen waren noch belebter geworden. Wir kamen in der Via Roma kaum voran. Endlich hatten wir das Restaurant an der Piazza dei Martiri erreicht, das wir uns schon vorgemerkt hatten. Es wurde eine große Enttäuschung: die Suppe dünn, der „gemischte“ Salat aus nur zwei Arten bestehend, die Fleischportionen klein, ebenso der Käse.
Heute gingen wir systematischer vor. Wir spazierten zunächst am Meerufer entlang zum Castel dell’Ovo, dann hinauf zum Palazzo Reale, um das Castello Nuovo herum und besorgten die Tickets für die Nachtfähre am Montagabend nach Palermo. Dann gingen wir über den langen Corso Umberto I zum Hauptbahnhof, um Geld zu wechseln. Wir aßen Lasagne, auf hiesige Art zubereitet, und setzten den Rundgang fort. Wir kamen an der Porta Capuana vorbei und besichtigten den Dom, auch von innen. Dann schlenderten wir lange Zeit quer durch die Altstadt. Unmöglich, die vielen sich jagenden Eindrücke zu schildern. Ich fühlte mich bald überfordert - ein solches Gewirr von Geräuschen, Gerüchen und visuellen Eindrücken prasselte auf einen ein. Der starke chaotische Verkehr forderte dazu höchste Aufmerksamkeit. In einer Stadt dieser Dichte bin ich nie gewesen. Das unterscheidet sich stark von Nord- und Mittelitalien. Und immer wieder wird man angebettelt.
Wir erreichten erneut den Corso Vittorio Emanuele und folgten ihm wieder sehr lange. Wir wollten zu Fuß hinauf zum Castel Sant’Elmo, nachher zur Floridiana. Aber wir fanden keine Straße, die hinaufführt – oder vielmehr erst, als wir schon zu müde waren. Vielleicht können wir ein anderes Mal mit der Funicolare hinauffahren. So begnügten wir uns wieder mit dem Blick aus halber Höhe und stiegen hinab, um durch den Park Villa Comunale am Meer entlang zum Hotel zurückzugehen.
Fortsetzung folgt.
18. April (Mittwoch)
Gestern früh verließen wir Stuttgart und erreichten Mailand am Spätnachmittag. Es war eine der schönsten Eisenbahnfahrten, die man in Europa jetzt unternehmen kann. Zuerst die Stuttgarter Raum, ergrünend, blütenreich, danach die noch recht kahlen Szenerien am oberen Neckar und zur Grenze hin, nun die wieder recht grüne Schweiz, wo besonders an den Seen vieles in Blüte stand, weiter die Fahrt durch die verschneiten Zentralalpen, schließlich das noch steingraue obere Tessin, erst ab Bellinzona wurde es wieder frühlingshaft – und endlich die Lombardei, wo die Vegetation schon weit fortgeschritten ist. Fast alles ist hier grün und an jeder Ecke blüht es.
Die Stadt ist riesengroß, laut, hektisch. Wir bekamen trotz der Messe schnell ein relativ billiges Zimmer, drei Metrostationen vom Hauptbahnhof. Leider ist auch die Unterkunft lauter als die, die wir letztes Jahr in der Toskana oder in Rom hatten. Wir fuhren am Abend mit der Metro zum Domplatz, fanden rasch ein passendes Restaurant und gingen zu Fuß zurück. Der Schlaf war nicht besonders gut. Heute Morgen im Hauptbahnhof viel Zeit vertrödelt beim Versuch, für morgen Abend Plätze im Liegewagen nach Neapel zu bekommen - unüberwindbar die Sprachbarriere. Wir haben beschlossen, schon morgen früh nach Rom zu fahren, ohne zu wissen, wann es nach Neapel weitergeht.
Vom Bahnhof Rundgang durch die Stadt, gemischte Eindrücke. Das Hochhausviertel um die Piazza della Repubblica kam uns mittelmäßig vor. Der Dom dagegen ist als Bauwerk wahrlich imposant, die innere Ausstattung entspricht dem vielleicht nicht ganz. Ein einmaliges Erlebnis war, auf einem Kirchendach in einem Wald von Marmorfiguren herumzugehen, die Statuen isoliert wie lauter Eremiten im Sinai und tief unter ihnen die betriebsame Millionenstadt. Wir aßen in einem großen Self-Service-Restaurant in der Galleria, erkundeten dann die Gegend um Dom und Scala. Zum Schluss besichtigten wir das große, düster wirkende Sforza-Kastell und fuhren mit der Metro zurück zum Hotel. An der Station Piola verfehlten wir den richtigen Ausgang und gingen lange in die Irre. Eine riesige, labyrinthische Stadt!
21. April (Samstag)
Endlich im tiefen Süden, nach Überwindung vieler Hindernisse. Es fing damit an, dass wir am Donnerstagmorgen mit der Metro zum Mailänder Hauptbahnhof fahren wollten, mit unseren Koffern aber eine halbe Stunde lang nicht in die überfüllten Bahnen hineinkamen. Wir erreichten zwar noch den Zug nach Rom, fanden aber keine freien Sitzplätze, so dass wir lieber ausstiegen. Sollten wir überhaupt noch weiter nach Süden fahren? Wir beschlossen, unsere Sizilienpläne nicht aufzugeben. Da der nächste Zug nach Rom erst um ein Uhr mittags fuhr, hatten wir noch Zeit für eine zweite Besichtigung des Doms und ein Mittagessen in der Galleria.
Dann die Fahrt durch die üppig grüne Lombardei, vorbei an den alten Städten der Emilia-Romagna, durch den Apennin, über Florenz und durch die Toskana und Umbrien. Um acht Uhr abends kamen wir in Rom an. Das Verkehrsamt war geschlossen, so dass wir uns selbst ein Hotel suchen mussten, auch glücklich etwas Billiges in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs fanden. Es war sogar recht ruhig. Den Freitagvormittag benutzten wir, um ausgiebig zu frühstücken und die Liegewagenplätze für die Heimreise zu bestellen.
Um die Mittagszeit bestiegen wir den Zug nach Neapel und fuhren drei Stunden durch die grünen und blühenden Landschaften der Campagna und Kampaniens. Hier in Neapel erhielten wir ein Zimmer in einem Hotel direkt am Meer, an der Via Partenope. Es liegt im fünften Stock und ist nicht mehr allzu laut. Der Blick aus dem Fenster geht aufs Meer, reicht vom Castel dell’Ovo bis zu den Vorbergen, die die Bucht im Norden begrenzen. Den Vesuv haben wir bisher nur undeutlich gesehen, da es immer etwas diesig war. Gestern war es bei der Ankunft bewölkt, heute scheint die Sonne und es ist warm.
Wir unternahmen gestern am späten Nachmittag einen ersten planlosen Rundgang durch die Altstadt. Sie ist unvergleichlich: dicht bebaut, überwiegend ärmlich und dabei doch so lebendig. Wir gingen immer aufwärts, kamen durch die Galleria, stiegen die wimmelnde Via Roma hinauf und bogen dann in eine der steilen Wohngassen ein, die in halber Höhenlage auf eine große Durchgangsstraße stieß, der wir länger folgten: Corso Vittorio Emanuele. Als es dämmerte, stiegen wir wieder hinunter. Die Straßen waren noch belebter geworden. Wir kamen in der Via Roma kaum voran. Endlich hatten wir das Restaurant an der Piazza dei Martiri erreicht, das wir uns schon vorgemerkt hatten. Es wurde eine große Enttäuschung: die Suppe dünn, der „gemischte“ Salat aus nur zwei Arten bestehend, die Fleischportionen klein, ebenso der Käse.
Heute gingen wir systematischer vor. Wir spazierten zunächst am Meerufer entlang zum Castel dell’Ovo, dann hinauf zum Palazzo Reale, um das Castello Nuovo herum und besorgten die Tickets für die Nachtfähre am Montagabend nach Palermo. Dann gingen wir über den langen Corso Umberto I zum Hauptbahnhof, um Geld zu wechseln. Wir aßen Lasagne, auf hiesige Art zubereitet, und setzten den Rundgang fort. Wir kamen an der Porta Capuana vorbei und besichtigten den Dom, auch von innen. Dann schlenderten wir lange Zeit quer durch die Altstadt. Unmöglich, die vielen sich jagenden Eindrücke zu schildern. Ich fühlte mich bald überfordert - ein solches Gewirr von Geräuschen, Gerüchen und visuellen Eindrücken prasselte auf einen ein. Der starke chaotische Verkehr forderte dazu höchste Aufmerksamkeit. In einer Stadt dieser Dichte bin ich nie gewesen. Das unterscheidet sich stark von Nord- und Mittelitalien. Und immer wieder wird man angebettelt.
Wir erreichten erneut den Corso Vittorio Emanuele und folgten ihm wieder sehr lange. Wir wollten zu Fuß hinauf zum Castel Sant’Elmo, nachher zur Floridiana. Aber wir fanden keine Straße, die hinaufführt – oder vielmehr erst, als wir schon zu müde waren. Vielleicht können wir ein anderes Mal mit der Funicolare hinauffahren. So begnügten wir uns wieder mit dem Blick aus halber Höhe und stiegen hinab, um durch den Park Villa Comunale am Meer entlang zum Hotel zurückzugehen.
Fortsetzung folgt.