Wir kamen bis Syrakus

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petrasmiles

Mitglied
Lieber Arno,

da bestätigt sich wieder meine Annahme, dass man nur als 'echter Reisender' etwas 'erfährt'.

Ich habe das z.B. nicht gewusst, dass es diese Privatisierungen von Strand oder die fehlende Infrastruktur in die 'Natur' auch in Italien gibt, wie Du es beschreibst.
Ich hatte wirklich den Kinderglauben, dass das 'Land' (konkret mein Land) seinen Bürgern 'gehört' und seine Landschaften grundsätzlich 'Volkseigentum' sind. Den Wahn nährte ich über Jahrzehnte, bis ich in den USA (Texas) einmal an einer organisierten Flußfahrt auf einem LkW-Reifen (Pneus) unternahm und wir darauf hingewiesen wurden, dass man nur an bestimmten Stellen an Land gehen dürfe. Hatte mich empört, aber ich erinnerte mich, dass es nach der Wiedervereinigung auch viel Streit gab um Seegrundstücke im Osten, die danach nicht mehr öffentlich zugänglich sein sollten. Aber im Nachhinein denke ich mir, dass ich meinen Kinderglauben dem Aufenthalt in weniger reizvollen Landschaften oder Städten verdanke, und dass ich zum Beispiel am Bodensee von Anfang an die Erfahrung gemacht hätte, dass 'mein' See und seine Gestade mitnichten 'mir' gehörten. Auch der Zugang zum Rhein wird in den äußeren Stadtbezirken von Düsseldorf privat gewesen und bei einer Dampferfahrt auf der Spree und dem Landwehrkanal reiht sich Privatufer an Privatufer.
War halt ein echter Kinderglaube.

Und Du machst noch eine weitere 'Erfahrung', die ich oft genug teilen kann - dass die Mühen einer touristischen Eroberung von Sehenswürdigkeiten oft nicht im Verhältnis zum erhofften Erkenntnis- oder Lustgewinn stehen. Ich habe nur eine Ausnahmeerfahrung: Die Pyramide im Louvre erschien und erscheint mir auf BIldern, selbst Videos immer als Fremdkörper (und als alberne pittoreske Überhöhung), aber wenn man auf dem Platz steht, sagen die Sinne, das passt, wenn nicht sogar: Die gehört dahin!

Ich hoffe, Du hattest selbst viel Freude an der Gedankenreise - jetzt muss ich doch mal Salerno googeln.

Liebe Grüße
Petra
 
Danke, liebe Petra, für diese weiteren Gedanken. Ich habe mich daraufhin verleiten lassen, mir erstmals überhaupt Google Streetview-Aufnahmen von Salerno, Amalfi usw. anzusehen - ein seltsames Vergnügen. Es sieht aus wie damals vor 45 Jahren, scheint den Betrachter (mich!) geradezu zu einem Spaziergang einzuladen. Das ist die Illusion der unmittelbaren Erreichbarkeit, des nahen, unkomplizierten Zugriffs. Ich bin doch schon mittendrin ... Ja, mit dem Mauszeiger!

"Privato" ist eines der wichtigsten Wörter der italienischen Sprache, wenn man seine Häufigkeit im öffentlichen Raum als Maßstab nimmt. Oder ist es am Ende auch ein Eigenname? So wie man in manchen Gegenden Österreichs aufgrund der vielen Schilder vermuten könnte, jeder zweite Einwohner hieße "Zimmer".

Ich denke, die Sache mit der Pyramide im Louvre ist doch keine Ausnahmeerfahrung. Überall da, wo herausragende Bauten erlebt werden wollen, kommt es auf den unmittelbaren räumlichen Eindruck und den Vergleich mit der realen Umgebung an. Ausgegrabene Fundamente und sonstige Reste wollen in unserem Geist ergänzt werden, aber bei der Porta Nigra sieht es schon anders aus.

Einen schönen Sonntag wünscht
Arno
 

John Wein

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Lieber Arno,

Eine schöne Reise beschreibst du hier mit vielen interessanten Eindrücken. Gerne erinnert man sich in der Nachbetrachtung. Sizilien liegt ganz unten am Stiefel, so wie ein Fußball vor der Fußspitze und mit dem PKW inspiziert man bei der Tour nebenbei ganz Italien.

In jener Zeit war der Tourismusbetrieb teilw. noch recht übersichtlich. Heutzutage sind die Brennpunkte manchmal so überlaufen, dass man in verschiedenen Städten und Regionen Begrenzungen erwägen muss. Es gibt Städte, die reizen mich zwar, aber der Betrieb hält mich heutzutage von Besuchen ab. Gerade Orte, die mit den Kreuzfahrtschiffen angesteuert werden, sind davon negativ betroffen.

Ich war zweimal in der ewigen Stadt, einmal sogar Ostern. Wir haben damals immer in einem kleinen Hotel in der Via Polaci gewohnt, es war ein ehemals polnisches Hospiz. In jenen Tagen war der deutsche Papst noch im Amt und wir konnten seiner Anspache auf dem Petersplatz beiwohnen; sehr eindrucksvoll und erbaulich. Das Hotel war zwar nicht so ganz billig, doch dafür sehr fußläufig zu den meisten Attraktionen der Stadt. So konnten wir bei Bedarf im Hotel schnell wieder die Füße erholen. Wenn wir Lust hatten waren wir mit ein paar Schritten oben auf der Terrasse des Kapitols, für einen Kaffee bei einem atemberaubenden Blick über Rom.

Du hast mich hier mit deiner Reise an die meinen erinnert. Vielen Dank dafür und liebe Grüße,
John
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber John,

danke für die freundliche Aufnahme des Textes. Wenn ich ihn mit deinen iberischen Notizen vergleiche, so würde ich mir wünschen, ich könnte meine Reise noch einmal machen und auch beschreiben, mit dem inzwischen erworbenen Zuwachs an Ausdruckskraft usw. Ich würde dann wie du mehr auf die Landschaften achten und sie ins Zentrum stellen. Vermutlich würden dann nicht desillusionierende Erfahrungen zur Hauptsache werden. Ach ja ... So ist es nur ein Dokument aus jenen Städten in jener Periode, ohne literarischen Anspruch. Ich verrate mal meinen Hauptantrieb: Es war das Redigieren, das ich immer sehr gern mache, und dann konnte ich nicht widerstehen, dem Ergebnis noch ein Plätzchen außerhalb meiner Klause zu verschaffen.

Liebe Grüße
Arno
 

petrasmiles

Mitglied
Ich denke, die Sache mit der Pyramide im Louvre ist doch keine Ausnahmeerfahrung.
Lieber Arno,

da hatte ich ungenau formuliert, denn es ging mir natürlich genau um 'solche' Erfahrungen, bei den die räumliche Komponente hinzu kommt, die mir nur im Louvre gewahr wurde.

Ja, ich hatte auch einen guten Eindruck von Salerno - auf den Fotos der Website der Stadt; auch die Amalfi-Küste ist traumhaft. Bei meiner Zahnärztin hängt ein großformatiges Foto davon gegenüber dem Behandlungsstuhl - ganz schön schlau.

Ich finde es sehr schön, dass Du diese Reiseerlebnisse ausgekramt hast, und es ist vollkommen legitim, da 'nur' zu redigieren, und nicht neu zu erfinden - zumal es Dir Spaß macht. Vor allem, wenn man alleine unterwegs ist, nimmt man andere Dinge wahr, und darum sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Liebe Grüße
Petra
 

John Wein

Mitglied
Lieber Arno,
Dein Reisebericht klingt doch sehr authentisch, so wie du das hier veröffentlicht und wie du es als Jungspund damals einmal aufgeschrieben hast. Natürlich kann man im Nachhinein nach Jahren noch daran feilen, ist aber gar nicht nötig.
Ich habe mir bei meinen Berichten die Notizen am jeweiligen Abend gemacht, oft auch unterwegs in das IPhone gesprochen und später beim Redigieren alles "leselupenrein" zusammengebastelt, und: wie du ja auch festgestellt hast, macht es Spaß.
Liebe Herbstgrüße, John
 



 
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