Wir schreiben das Jahr 3001

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Wir schreiben das Jahr 3001

Antje stand grübelnd am Fenster. Es war immer noch nicht gelungen, das Wetter zu beeinflussen – trotz der ganzen Anstrengungen, die sie und ihr Team in den letzten zehn Jahren geleistet hatten. Zwar hieß es in den Nachrichten, der Klimawandel sei vorläufig gestoppt worden – das kam wohl daher, dass die alten Benzin- und Dieselautos vom Elektroauto abgelöst worden waren. Sie hatte sich einen Bildband über die guten alten Zeiten bestellt und staunend Bilder betrachtet, auf denen eine Tankstelle neben der anderen zu sehen war. Kaum zu glauben, dass die Leute damals mit ihren Autos erst einmal hinfahren musste, um nachzutanken, damit das Auto wieder fuhr! Heutzutage konnte jeder sein Elektroauto ganz bequem aus von zu Hause mit einer normalen Ladestation auftanken. Was aber eigentlich auch nicht nötig war, denn jeder konnte nun auch von zu Hause aus arbeiten und einkaufen. Der Onlinehandel mit Lebensmitteln hatte sich zu einem Riesenerfolg entwickelt und sich dementsprechend auf unglaubliche Weise vergrößert – die einzigen, die wirklich noch zum Arbeiten außer Haus mussten, waren diejenigen, die ihre Mitmenschen mit den Lebensmitteln (oder auch Kleidung, Elektrogeräte etc.) in ihren Autos belieferten. Es gab zwar Roboter, aber auch diese konnten nicht alles. Es war leider noch nicht gelungen, eine Art Roboter zu entwickeln, der ein Auto fahren und dieses auch be- sowie entladen konnte und der sich auch noch gleichzeitig alle Kunden merken konnte, die beliefert werden wollten. Trotz aller Fortschritte mussten die Menschen auch heutzutage noch diese Arbeit selbst erledigen. Diesen Roboter zu bauen, wäre bestimmt einfacher, als das Wetter zu beeinflussen, dachte Antje missmutig – aber sie musste sich ja unbedingt die schwierigste Aufgabe aussuchen. Das kam davon, wenn man in seinen Chef verliebt war und für ihn einfach Großartiges leisten wollte.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihr fast zehn Jahre jüngerer Bruder Tom ins Haus stürmte und jubelnd schrie: „Hurra, morgen gibt es Schnee!"
„Ich weiß", sagte sie und bemühte sich, ihre Stimme nicht verärgert klingen zu lassen. „Wir konnten es mal wieder nicht verhindern."
Tom lachte. „Na und? Ich weiß gar nicht, warum ihr es überhaupt immer noch versucht. Es hat zehn Jahre lang nicht geklappt, da wird es heute und morgen wohl auch nichts mehr werden."
Antje dachte, dass er wohl leider recht haben würde, aber es wäre ja noch schöner, ihr Versagen zuzugeben. „Das werden wir ja sehen", sagte sie deshalb mit einem vielsagenden Unterton. Aber Tom achtete gar nicht auf die feine Nuance in ihrer Stimme.
„Endlich kann ich meinen neuen Schlitten ausprobieren!", freute er sich stattdessen. Der Schlitten war ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, der aber immer noch jedes Jahr wieder neu in großer Auflage produziert wurde und seltsamerweise immer noch ein Verkaufsschlager war. Antje wusste nicht, was die Leute dazu trieb, sich so etwas zu kaufen. Es hatte keinen Elektroantrieb, man konnte nicht viel damit befördern, das Ding war nur dazu gut, bei Schnee einen Berg hinunterzufahren, dann mit dem Schlitten wieder hochzustapfen, um wieder hinunterzufahren, um dann wieder hochzustapfen, um dann wieder …. Wie absolut sinnlos.

„Du solltest mitkommen, Antje!" sagte Tom vergnügt, „Schlitten fahren macht Spaß!" Achso, ja, das war der Grund. Manche Leute taten immer noch etwas, nur, weil es ihnen Spaß machte. Dazu zähle sie sich nicht, sie hatte Wichtigeres zu tun. „Das geht nicht", sagte sie deshalb. „Ich muss arbeiten." Wie auf Stichwort ertönte das laute Scheppern, mit dem ihr Kommunikationsgerät, kurz Komu genannt, einen Anruf ankündigte. „Doris, Marsstation I" stand auf der Anzeige. Verwundert, was ihre alte Freundin Doris von ihr wollte, teilte sie ihrem Komu mit, dass sie mit Doris sprechen wollte und dass das Komu Lautstärkeregler 5 einstellen sollte. Früher hatten die Menschen so etwas selbst einstellen müssen, hatte sie mal gehört. Wie umständlich das Leben früher gewesen sein musste! Heute sagte man seinem Komu einfach alles, was man wie haben wollte, und schon wurde es vom Komu erledigt.

„Huhu, Antje!" hörte sie Doris' Stimme und schon sah sie auch ihr Gesicht auf dem Display. Sie stand im Freien – hinter ihr waren schwach erleuchtet die Lichter von Marsleben, der ersten Stadt auf dem Mars, zu sehen. Nachdem man vor etlichen Jahren Wasser auf dem Mars gefunden hatte, war es vor fünf Jahren gelungen, eine kleine Kolonie dort anzusiedeln, und Doris war Feuer und Flamme gewesen, eine der ersten Bewohnerinnen auf dem Mars zu sein. Mittlerweile zählte die kleine Kolonie über 1000 Einwohner, und weitere 3000 sollten in den nächsten Jahren folgen. Die Vorschriften waren streng – wer dorthin wollte, musste eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung vorweisen, eine praktische Prüfung ablegen und ein Raumfahrtstraining absolvieren, ehe er überhaupt auch nur in die engere Wahl kam, außerdem mindestens 25 Jahre alt sein und durfte keine Kinder haben, musste sich zudem verpflichten, während des Aufenthaltes auf dem Mars vorläufig auch keine zu bekommen. Antje hatte sich dafür nicht sehr interessiert und war sehr verwundert gewesen, als Doris sich in den Kopf gesetzt hatte, bei diesem Projekt unbedingt mitzumachen. Sie hatte sich auch schon seit über einem Jahr nicht mehr gemeldet. Was sie wohl wollte?

„Huhu, Doris! Wie geht es dir da oben?" fragte sie, nicht nur der Form halber. Sie war wirklich neugierig.

„Wunderbar!" Doris strahlte. „Ich bin schwanger!"

Antje wunderte sich. War das nicht verboten? „Das ist ja schön", sagte sie dann unverbindlich, um gleich darauf nachzuhaken: „Aber darfst du das auf dem Mars eigentlich überhaupt?"

Doris lachte. „Ach weißt du, wenn sie es nicht schaffen, die Verhütungsmittel pünktlich zu liefern, sind sie selber schuld. Was kann ich dafür? Die Marsrakete fliegt nur einmal in fünf Monaten, ich kann nicht einfach auf die Erde hopsen und mir selbst was besorgen. Eigentlich wollten sie die Pille hier herstellen. Das hat aber nicht geklappt." Sie machte eine Pause und sagte dann: „Ist das nicht komisch? Die Natur ändert sich nie – sie macht den Menschen immer einen Strich durch die Rechnung."

„Ja", sagte Antje. „Da hast du wohl recht."
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo SilberneDelphine!

Deine Geschichte ist sehr widersprüchlich:
Tausend Jahre in der Zukunft, und es wird als Fortschritt angesehen, dass die Elektroautos von zu Hause aus geladen werden können??
Der Mars ist besiedelt, aber es gibt keinen Roboter, der Waren aus- und einladen kann??
Eine Frau auf dem Mars wird trotz Verbotes schwanger, weil nicht genügend Verhütungsmittel geliefert worden sind?
Die Kinder freuen sich über Schnee und fahren Schlitten, während man vergeblich versucht, das Wetter zu beeinflussen?
Ich glaube, du wolltest zeigen, dass trotz allen technischen Fortschrittes die (menschliche) Natur gleich bleiben wird. Ein interessanter Gedanke, der aber mit logischen Zukunftsvisionen hätte dargestellt werden müssen.

Gruß, Hyazinthe
 
Hallo Hyazinthe!

Woher willst du wissen, was in 1000 Jahren sein wird? Ich wollte keine "logische" Zukunftsvision - was auch immer das sein soll - erschaffen, sondern einfach meine Fantasie spielen lassen. Es steht wohl kaum fest, welche Roboter es dann gibt und was sie können oder auch nicht. Logik finde ich in einer solchen Geschichte noch nicht mal angebracht.
War der Film "Zurück in die Zukunft" logisch? Ich finde nicht. Und trotzdem waren die Zuschauer fasziniert.
 

Vessel

Mitglied
Hallo SilberneDelfine,

Ich denke, es wird deutlich, worauf die mit deiner Erzählung hinaus möchtest und ich mag den Gedanken.
Hyazinthe möchte ich mich aber anschließen in der Hinsicht, dass der Text ja wahnsinnig konservativ ist, ich hätte mir da mehr Initiative gewünscht und eben, wie du sagst, dass du deiner Fantasie wirklich freien Lauf gelassen hättest.
Pakete werden in naher Zukunft von Dronen ausgeliefert werden, Amazon unter anderem ist da schon dran. Die Gefährte der Zukunft werden eher nicht mit Elektrizität betrieben werden, sondern, zunächst, wohl mithilfe der Quantenmechanik.
Das Wetter zu beeinflussen ist sicherlich ein Kunststück, ich hätte mir hier gerne einige Ideen deiner Protagonisten dazu angehört. Silberionen? Magnetfelder? Man ist da ja heute schon dran.
und du spielst immer wieder auf das "früher" an. In diesem früher leben wir gerade, Rückbezüge erübrigen sich damit.

Der Text spielt also eher in 2100 oder 2200. Damit aber würde, für mich, einer der Hauptkritikpunkte quasi sofort wegbrechen, nämlich dass der Text sich eben nicht wie ein Zurück in die Zukunft oder ein Jules Verne von kreativen Zukunftsvisionen überschlägt.

Also wie gesagt, wenn ich das 3001 wegdenke, gefällt mir das gut :)
 
D

Desperado

Gast
Dreitausendeins, SiberneDelfine?

„Mami, was ist das?“

Die kleinwüchsige Wilma mit dem krummen Rücken und den O-Beinen blickte fragend zu ihrer spindeldürren Mutter hoch, die in Tierfelle gekleidet über das Flusstal blickte, auf die Lanze gestützt, zusammengesteckt aus den seltsamen Rohrstäben, die überall im Boden vergraben zu finden waren. Mit dem dicken Finger ihrer klobigen kleinen Hand zeigte sie auf die mächtigen Bögen, die von wilden Efeuranken und dichtem Lianengeflecht überwuchert aus den reißenden Fluten ragten hoch in den Himmel bis zu ihrem Standort hinauf. Die massiven Steinsäulen wurden von der Gischt der Strömung umschäumt, es waren ihrer fünf an Zahl, einer weniger als die Finger ihrer Hand, oben an den beiden Enden ihrer Krümmung, wo zwei stumpfe Strünke von unterschiedlicher Länge mit schlangenförmigen Auswüchsen waagrecht in beide Richtungen hinausragten, schien etwas abgebrochen zu sein.

„Da sind vor sehr langer Zeit die brüllenden Riesenkäfer drübergekrabbelt, in deren hohlen Schalen wir Schutz suchen, wenn die mächtigen Stürme brausen und der große Regen das Land überflutet“, meinte die Mutter gedankenverloren, „so hat es mir jedenfalls deine Urgroßmutter erzählt“.

Dann standen sie schweigend auf dem Plateau des Uferfelsens und betrachteten den üppigen Urwald zu ihren Füßen.


Gern gelesen!
Desperado
 



 
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