Wirklichkeit einer Pfeife

3,90 Stern(e) 7 Bewertungen

petrasmiles

Mitglied
Hallo Feivel Veys,

dein Gedicht 'hat was'.
Aber inhaltlich bin ich nicht so bei Dir. Wir sind nun einmal Menschen und es zeichnet uns aus, dass wir uns über uns selbst mit den von Dir 'verdammten' Mechanismen erheben können. Daraus machen wir nur nicht genug - und es macht auch nicht jeder, und gerade die nicht, die im Emotionalen stecken bleiben und sich mit ihren Gefühlen identifizieren. Welche Sprache bleibt in einem 'stummen Leben', wenn nicht die der Gefühle? Und ich glaube auch, dass alles - und ganz besonders Träume - Worte brauchen. Ohne Worte können wir nicht denken - und auch nicht leben.
Für mich gilt: Her mit der Weisheit!

Liebe Grüße
Petra
 

Feivel Veys

Mitglied
Hey Petra,
Ich beschäftige mich schon länger mit den Gedanken und vor allem dem Kunstverständnis von Surrealismus, Dadaismus und Postmodernismus. Alle drei Strömungen zeichnen sich deutlich durch ihre, ähm, kritische Position zu Worten und den mit ihnen unterschwellig verbundenen Vorstellungen von Realität und vorgefertigten 'Weisheiten' aus. Insbesondere letzterem gegenüber bin ich recht skeptisch eingestellt und denke, wir müssen lernen, (selbst)kritischer zu denken. Sich dafür auf vorgefertigte Worte (und die mit ihnen verknüpften Konzepte) zu stützen, kann da schnell in die Irre führen. Ein 'stummes Leben' ist in diesem Fall eher eine Aufforderung zum eigenständigen Denken. Schließlich wächst Weisheit nicht auf Bäumen. ;)

Schweigende Grüße
Feivel

P.s.: Es gibt durchaus Menschen, die nicht in Worten, sondern in Bildern, musikalischen Geräuschen oder sogar in Berührungen denken. Worte stellen zwar die Regel dar, sind aber keineswegs ein absolutes Muss.
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Magritte gehört für mich zu den bildenden Künstlern, die ein bisschen was Gauklerhaftes an sich haben, nicht völlig seriös, wenn man das so sagen will (was durchaus als anarchisches Element in der aufgeblasenen-verquasten Kunstexegese auch als gewisses Korrektiv dienen mag). Dass nun aber gerade seine Pfeife so kanonisiert wurde, verführt mich manchmal zu etwas melancholisch-kulturpessimistischen Betrachtunen.
Wie dem auch sei... Deine Pipiade (von frz. Pipe nicht von dtsch. Pipi hergeleitet) gefällt mir durchaus. Sprachlich finde ich das ganz eindringlich dargeboten und mit dem Querbezug ist es sehr schön postmodern angelegt. Es bleibt mir persönlich nur ein bisschen zu sehr auf einer Ebene "hängen" und ist insofern von seinem Denkanstoßimpuls weniger "offen" als das Gemälde von Magritte. Letzteres kann man als Kritik an mimetischer Kunst lesen, aber auch als Kritik an dieser Kritik. Oder natürlich auch als Sprach- oder Erkenntniskritik, die sich selbst wieder auf die Schippe nimmt. Oder als Reflektion über Wahrnehmung im Allgemeinen oder Empirie im Besonderen. Oder als Ironisierung des Kunstmarktes. Und wenn man sucht, findet man sicher noch mehr Ebenen in diesem Bild. Dein Gedicht fügt dem nicht wirklich etwas hinzu. Diese Einschränkung fällt vor allem durch den Titel auf, insofern hat der dem Gedicht womöglich nicht nur gut getan (?).
Aber jetzt muss ein Aber zum Aber kommen: Es ist wie eingangs angedeutet doch ein Gedicht, das anregend ist und Lesevergnügen bereitet, weshalb mein kritischer Mittelteil auch in einer dicken Klammer des Lobes stehen soll. :)
LG!
S.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Hey Petra,
Ich beschäftige mich schon länger mit den Gedanken und vor allem dem Kunstverständnis von Surrealismus, Dadaismus und Postmodernismus. Alle drei Strömungen zeichnen sich deutlich durch ihre, ähm, kritische Position zu Worten und den mit ihnen unterschwellig verbundenen Vorstellungen von Realität und vorgefertigten 'Weisheiten' aus. Insbesondere letzterem gegenüber bin ich recht skeptisch eingestellt und denke, wir müssen lernen, (selbst)kritischer zu denken. Sich dafür auf vorgefertigte Worte (und die mit ihnen verknüpften Konzepte) zu stützen, kann da schnell in die Irre führen. Ein 'stummes Leben' ist in diesem Fall eher eine Aufforderung zum eigenständigen Denken. Schließlich wächst Weisheit nicht auf Bäumen. ;)

Schweigende Grüße
Feivel

P.s.: Es gibt durchaus Menschen, die nicht in Worten, sondern in Bildern, musikalischen Geräuschen oder sogar in Berührungen denken. Worte stellen zwar die Regel dar, sind aber keineswegs ein absolutes Muss.
Hallo Feivel,

also der Bezugsrahmen müsste aber noch einmal kritisch hinterfragt werden in dem Sinne, dass eine so starke Strömung immer im Hinblick darauf betrachtet werden muss, wogegen sie sich richtet: Das sind keine Aussagen im Hinblick auf eine Allgemeingültigkeit, sondern sie antworten quasi auf die herrschenden Verhältnisse während ihrer Entstehung. Ich sehe das wie ein Pendel, das von einer Bewegung in die entgegengesetzte Richtung in Gang gesetzt wird ins andere Extrem. Allgemeingültigkeit gibt es eher in der MItte.

Das übrigens finde ich sehr interessant und war mir neu:
P.s.: Es gibt durchaus Menschen, die nicht in Worten, sondern in Bildern, musikalischen Geräuschen oder sogar in Berührungen denken. Worte stellen zwar die Regel dar, sind aber keineswegs ein absolutes Muss.
Liebe Grüße
Petra
 

Arcos

Mitglied
Ja, diese Menschen gibt es tatsächlich.
Das kann ich bestätigen.

Auch ist es so, dass Babys ja noch keine Worte kennen und sich trotzdem verständigen können und die ganze Gefühlspalette erleben.
Wissenschtlich gesehen, arbeitet das Gehirn eher mit Bildern denn mit Worten.
Wenn wir Worte lernen, lesen oder sprechen, vollführt das Gehirn ein Kunststück und missbraucht einen gewissen Bereich, der evolutionär eigentlich eine ganz andere Funktion hatte.

Auch in der Spiritualität sind Gedanken bzw. Worte hinderlich.
Wir kommen erst nur dann, aber auch wirklich nur dann bis zu unserem Seinskern, wenn alle Gedanken und Worte aufhören.
Das Sein ist einfach da.
Es braucht absolut keine Worte um zu sein.
Das ist Liebe.
Das ist unser Kern.
Liebe braucht keine Worte.
Worte würden sie nur so unendlich begrenzen…

Liebe Grüße
Arcos
 

Feivel Veys

Mitglied
Hey Sufnus,
Zugegeben, ich bin nur wirklich kein Experte, was Kunstgeschichte anbelangt und interessiere mich eher für den Stil als für die empirische Theorie dahinter, aber soweit ich weiß, lag der ursprüngliche Sinn bei Magritte und den Surrealisten tatsächlich in der 'gauklerischen' Verballhornung moderner Kunst (und deren politischen Folgen). Seriös sollten ihre Werke daher von vornherein nicht sein. Denke nur mal an Duchamps Fountain (Dada). Wenn also schon ein bloßer Rückgriff auf diese, sagen wir, Tradition eine Reihe konstruktiv-kritischer Kommentare auslösen kann, dann hat sich der Aufwand bereits gelohnt, auch wenn das neue Werk selbst qulitativ nicht einmal annähernd an das Original heran reichen kann. Immerhin wollen wir mit unseren Texten schließlich Denkanreize schaffen. Oder irre ich mich da? ;)

Hey Petra,
Ich sehe das ein kleines bisschen anders. Klar, das Pendel schwingt aus und die 'goldene Mitte' (ich selbst bevorzuge eher den 'goldenen Weg', aber das ist eine andere Geschichte) ist definitiv die beste aller Lösungen. Doch kann 'die Mitte' selbst leicht zu einem Extrem ausarten, wenn sie sich nicht selbstkritisch hinterfragt, allein schon, weil sie sich für gewöhnlich nur durch Negativargumente und durch Abgrenzung zu ihren Rändern definieren lässt ("Die Mitte ist nicht..." etc). Meiner persönlichen Erfahrung nach führt das leider allzu oft zu einem bequemen Opportunismus. Oder, um dein Bild noch einmal aufzugreifen: Ein Pendel, das nicht mehr ausschlägt, steht still. ;)

Hey Arcos,
Ich kann zwar leider mit Spiritualität im Allgemeinen nicht allzu viel Anfangen, da in meinen Augen die Seele, bzw. unser "Seinskern" eher eine Weiterführung des körperlichen darstellt (unsere Persönlichkeit ist zu etwa einem Drittel genetisch bedingt), aber dein Beispiel mit der Liebe ist durchaus beachtenswert. Schließlich sind es am Ende die viel beschworenen, aber so selten auch umgesetzten 'kleinen Gesten' mit ihrer eigenen, oftmals stummen Sprache, die eine Beziehung wirklich am Leben erhalten. Ein tägliches "Ich liebe dich. Gibst du mir mal bitte das Salz" reicht da für gewöhnlich nicht aus. :)


Unabhängog davon wollte ich noch eine Sache an alle loswerden: Danke für euer Interesse und eure Meinungen! So macht schreiben Spaß (auch wenn es manchmal etwas länger dauert, bis ich mich bei euch zurückmelden kann). :D
 

revilo

Verboten
Worte. Geschichten. Gedichte.
Blinde Flecken auf Papier gebunden.
Bedeutungslos. Inhaltslos.
Hülsen aus Tinte auf Fasern aus Papier

aus dem Fleisch toter Bäume
in der Form eines Buches;
ein Abbild fremder Gedanken.
Ahnungslos. Wissend.
ein Kuckucksei wurde in ein Nest gelegt.

Weisheit. Kunst. Blinde Narrative
.
Träume brauchen keine Worte.
Das Leben ist stumm.

Hallo, dieses Gedicht ist meiner Auffassung nach für Lyrik zu ausschweifend, weil es letztendlich (zu) viele Wiederholungen und Beschreibungen enthält, die gar nicht erforderlich sind. Ich habe mir deswegen erlaubt, eine zugegebenermaßen drastische Kürzung vorzunehmen, die lediglich ein Anstoß sein sollte. Eine Kürzung würde dem Gedicht sehr gut tun. Herzliche Grüße von Oliver
 

wirena

Mitglied
...ich bin ganz bei Arcos - m.E. geht das Erleben des Lebens weit über Worte hinaus - Worte fehlen dafür - irgendwie ist es "wortreich" stumm, da Worte für dieses Erleben nur leere Hülsen sind

LG wirena
 

petrasmiles

Mitglied
Doch kann 'die Mitte' selbst leicht zu einem Extrem ausarten, wenn sie sich nicht selbstkritisch hinterfragt, allein schon, weil sie sich für gewöhnlich nur durch Negativargumente und durch Abgrenzung zu ihren Rändern definieren lässt ("Die Mitte ist nicht..." etc). Meiner persönlichen Erfahrung nach führt das leider allzu oft zu einem bequemen Opportunismus. Oder, um dein Bild noch einmal aufzugreifen: Ein Pendel, das nicht mehr ausschlägt, steht still. ;)
Da bin ich ganz bei Dir! Würde das auch nicht so generalisiert verstanden haben wollen, sondern eher auf 'größere' Pendel betrachtet wie Kunstrichtungen. Wir Menschen haben ja ein kleineres für uns und was wir von der Welt wissen (wollen) und wie wir uns zu ihr verhalten. Da sollte schon ordentlich was Schwingen, bevor es an einer Stelle still steht. Das 'wahre' Pendel lässt sich nicht aufhalten, sonst ist es kein Pendel mehr.

Liebe Grüße
Petra
 

fee_reloaded

Mitglied
Es bleibt aus meiner Sicht fraglich, ob ausgerechnet ein Text - der Gebrauch von Worten/Schrift - das vermitteln kann bzw. können soll, was hier darzustellen versucht wird. Auch gehen etliche "Bilder" (aus Worten gebildet...was der Text selbst aber in Frage stellt, wenn ich die "blinden Narrative" auf einer erweiterten Ebene lese) für mich nicht auf.

Flecken auf Papier gebunden
Flecken - egal ob blind oder welcher Natur auch immer - werden nicht auf Papier gebunden. Seiten werden gebunden - zu einem Buch. Etwas wird auf Papier gebannt. Was du hier mit der Sprache versuchst, funktioniert für mich nicht.

Hülsen aus Tinte auf Fasern aus Papier
aus dem Fleisch toter Bäume
Hülsen allein sind ja wohl eher etwas Dreidimensionales - auch dann, wenn sie im übertragenen Sinne gemeint sind. Die Bedeutung eines Wortes ist eben dessen Bedeutung. Ceci n'est pas une cosse.
Aus Tinte können Hülsen - du willst ja beim Wort genommen werden, wie ich annehme - wohl kaum gebildet sein. Da wird beim Versuch eines ungewöhnlichen Bildes eine Bedeutungsebene mit einem nicht funktionierenden Bild verknüpft, wie ich es sehe.
Und Papier besteht aus Fasern und nicht umgekehrt. Es sind die Fasern aus dem Fleisch getöteter Bäume, die das Papier bilden.

ein Abbild fremder Gedanken.
Soll sich das Abbild auf das Buch beziehen oder auf die "Worte. Geschichten. Gedichte"? Letzteres würde mehr Sinn ergeben, dann muss es aber Abbilder heißen. Ersteres ergibt hingegen nicht wirklich oder nur wenig Sinn.

Insgesamt meine ich, du hast dir ein sehr hohes Ziel mit diesem Versuch eines Textes gesteckt, der sich sozusagen selbst in Frage stellt. Das sollte er aber inhaltlich tun und nicht technisch. Mir bleibt das alles zu ungenau, zu wenig durchdacht, wiewohl ich den Grundgedanken für das Gedicht äußerst spannend finde. Kunst- bzw. Kulturphilosophie ist ja ein Gebiet, das unendliche Tiefe(n) und Grenzen anbietet, die auszuloten bzw. auszutesten sehr lohnend, aber auch anstrengend sein kann. Und dein Text bräuchte ein immenses Ausmaß an Durchdachtheit und Genauigkeit, um zu funktionieren, wie du es - wie ich zu ahnen meine - beabsichtigt hattest. Das ist mir hier noch viel zu ungenau. Eher eine Skizze einer Idee. Spannend aber auf jeden Fall.

Liebe Grüße,
fee
 
Zuletzt bearbeitet:

Tula

Mitglied
Hallo
Mal ganz nebenbei: Der Mensch, also JEDER, denkt mit allem was 'erinnerbar' ist. Nicht nur in Bildern und schon gar nicht nur in Wörtern, sondern mit allen sieben oder mehr Sinnen, die er hat. Dass unsere visuelle Verarbeitung die dominierende dabei ist, dem würde ich zustimmen. Ein Blinder, der nie etwas sah, denkt (und träumt) dahingehend sicher anders. Usw.

Ohne große Kunstphilosophie, der Text beinhaltet die Ablehnung der Kunst. Eine Art Nihilismus. Mehr sagt er nicht aus, hier wird gedanklich nichts tiefer geschürft, in sich eine inhaltliche Bestätigung seiner Bedeutungslosigkeit, sorry.

Die Stelle, die mich poetisch anspricht ist das Fleisch toter Bäume. Als Metapher finde ich auch die Hülsen aus Tinte (mit Bezug auf fehlenden Inhalt) durchaus passend. Flecken 'auf Papier gebunden' dagegen empfinde ich eher als sprachlichen Patzer.

LG
Tula
 



 
Oben Unten