Wo immer du jetzt bist

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Hera Klit

Mitglied
Wo immer du jetzt bist



Und dann ging ich den Flur runter und da war auch schon dein Zimmer. Die Tür stand offen und es herrschte eine rechte Unordnung. Ich musste schmunzeln.
Frauen sind, wenn sie alleine wohnen, oft unordentlicher als Männer, die alleine wohnen. Das haben mir schon viele Leute bestätigt.

Ich höre dich im Bad riestern.



Da sind verschiedene Salate auf deinem Sofa und dem Tisch, welche auch zudem von allerlei Krimskrams überhäuft sind, verschüttet. Ich erkenne speziell Reissalat mit Erbsen.
Aus einer halb vollen Plastikschüssel nehme ich einen Mund voll von dem leckeren Reissalat und verschütte dabei unglücklicherweise auch etwas davon auf dem Sofa. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen und will mit der Handkante den ganzen Salat in die Plastikschüssel streifen. Sicher warst du auf einer Party und man hat dir Reste mitgegeben.
Allein lebende Frauen sind ja oft auf Partys eingeladen. Bevor wir uns kennenlernten, warst du auch praktisch täglich auf Partys. Zu meinem Leidwesen hattest du mir diese Phase deines bewegten Lebens genau geschildert. Du beschriebst mir sogar die Typen, mit denen du was anfingst, genauestens. Auch ihre Anatomie unter der Gürtellinie und die von ihnen gewünschten abstrusen Praktiken, die ich gar nicht kannte, die du aber nicht immer mitmachen wolltest.

Ich behielt diese Bilder immer im Kopf, während unserer ganzen Beziehung und darüber hinaus. Das machte mich schwer, all die Jahre und es belastet mich noch heute.
Diese Art Wissen macht einen Mann ganz kirre, besonders in seinen schwachen Momenten.
Klar hattest du auch Typen, die es nicht gebracht haben, Versager eben, an denen konnte ich mich immer wieder mal notdürftig aufrichten, aber die ausgefuchsten, potenten Liebhaber mit ihren ausgefeilten Liebestechniken überwogen leider bei Weitem.

Ich will dich trotz allem zurückhaben. Ohne dich kann ich mich nicht mehr denken. Du hast mich vollkommen am Wickel, ich werde es dir endlich gestehen müssen, das ist meine einzige Chance. Ich kann nicht mehr den harten Hund raushängen lassen, das zieht bei dir nicht mehr.

Endlich kommst du aus dem Bad heraus. Seltsamerweise hast du eine Gitarre in der Hand. Spielst du jetzt Gitarre? Ich war und bin doch der Gitarrenspieler, du hast doch nie Gitarre gespielt. Ich hege etwas Hoffnung, dass du nun Gitarre spielst, weil die Sehnsucht nach mir dich dazu treibt.

Dein Blick zeigt Erstaunen und eine Spur Ablehnung, aber auch einen Hauch von Interesse an mir ist beigemischt, sodass ich mir sofort wieder riesige Hoffnungen mache. Jetzt der richtige Spruch, der dich zum Lachen bringt, wie damals in der Diskothek, als wir uns kennenlernten und ich habe dich wieder. Das fühle ich ganz genau und deswegen sage ich:


„Spielst du jetzt auf dem Klo Gitarre, wie ich es immer tat? Na, einer muss es ja machen.“

Der Spruch sitzt, du lächelst. Zwar noch etwas gequält, aber es ist erkennbar ein Lächeln auf deinem merklich blassen Gesicht.
Da werde ich ganz mutig, mache einen raumgreifenden Schritt auf dich zu und presse meine Lippen auf deine. Du öffnest sie sogar und wir küssen mit Zunge. Mit so einem Entgegenkommen hatte ich weiß Gott noch nicht gewagt zu rechnen. Da riskiere ich einmal was und werde auch schon gleich dermaßen belohnt.
Jetzt weiß ich, dass ich dich wieder habe. Ich bin wehmütig glücklich. Warum diese Wehmut? Ich sollte doch absolut selig und glücklich sein.
Doch da erwache ich und erkenne, du hast mich nur im Traum geküsst und kein Zauberspruch dieser Welt wird dich zu mir zurückbringen.
Aber wohl aufgestachelt durch diesen intensiven Traum, überlege ich zum ersten Mal seit mich das Schicksal freisetzte, ob ich nicht doch besser führe, wenn ich wieder eine Frau an meiner Seite hätte.



In der Hoffnung, du mögest mir auch dies verzeihen, starte ich in einen neuen Tag mit etwas mehr Unternehmungslust als üblich.
 



 
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