Wo ist denn der Zwerg

Torquato

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Rumpelstilzchen humpelt, es geht mit Hilfe einer kleinen Stelze (Stilzchen), ist ein Hinkebein, es hat viele Gaben und Fähigkeiten, aber kann kein Kind bekommen. Wir haben hier (neben dem nordischen Kohlenkisten-Kind Hött) eine der ersten Behinderten-Geschichten vor uns.
Die bösen anderen, die sozial aufsteigen wollen (von der Müllerstochter zur Königin) oder die bereits oben sind und nicht genug Gold kriegen können, geben kein schönes Bild ab.
Fay Weldon, die Erfolgs-Autorin (Love and Life of a she-devil) sprach denn auch die Worte aus "poor Rumpelstiltken".
Ich finde es gar nicht lustig, das Märchen (Thema ist ein Betrug) neu zu erzählen.
 

ex-mact

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Moin,

Deine Überlegungen haben einiges für sich. Aber ich glaube, daß Du einem Irrtum erliegst, wenn Du die Rumpelstilzchen Geschichte als Erzählung von einem körperlich Behinderten ansiehst. Tatsächlich sind Märchen (weltweit, auch in Deutschland) ursprünglich Archetypen-Sammlungen gewesen, die Brüder Grimm haben lediglich bestimmte Varianten schriftlich festgehalten.

Rumpelstilzchen ist ein klassischer ,,Tag-Elf'' oder ,,Zwerg'', die im Märchen-Personenfundus der übersinnlichen Welt zuzurechnen sind, nicht der ,,unseren''. Die speziellen Fähigkeiten der Bewohner der Feenwelt, hier das Goldspinnen, sind Platzhalter für wünschenswerte Fähigkeiten, die ein Mensch haben will, für die er den Preis aber nicht zu zahlen bereit ist. In diesem Zusammenhang ist die Lektüre z.B. der Grimm'schen Sagensammlungen aus Irland sehr empfehlenswert, in der einige Archetypen, die Rumpelstilzchen zugrunde liegen, auftreten.

Die Fingerübung, ein Märchen - oder eine Sage (wobei letztere definitionsgemäß einen wahren Kern hat, ersteres jedoch meist eine Parabel darstellt) - aus einer anderen Sicht darzustellen, entspricht mithin dem ursprünglichen Sinn der Märchenfiguren: Einen Fundus darzustellen, aus dem gute Erzähler frei schöpfen dürfen.
 



 
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