Wo ist ein Lächeln, wenn man eins braucht?

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kuehen

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Viele Gerüche hier. Was war das? Verblassendes Deo? Make-up das sich zum Gesicht manifestierte? Etwas Essbares? Eine olfaktorische Erinnerung an vergangene Tage? An Sex? An Sonnenlicht? Früher als junger Mann dachte er lange, alle außer ihm hätten Sex. Einige Beziehungen später war er der Meinung, dass niemand mehr Sex hatte. Falls doch, es würde nichts ändern. Nichts am Weg. Nichts am Fernsehprogramm. Nichts an den Nachrichten.
Jemand hatte einen Molotowcocktail
In eine Menschenmenge geworfen.
Er hatte seine Mutter angerufen, bevor sie ihn anrief. Danach hörte er Musik und trank Whiskey bis er ruhiger wurde. Der Unterschied zwischen "mir ist nichts passiert" zu "mir geht es gut" war gewaltig. In der Nacht wurde er immer größer. jemand hatte einen Molotowcocktail in
eine Menschenmenge geworfen, so nah, dass er die Sirenen hören konnte. Er beantwortete alle Anfragen. Er war am Leben. Er war nicht dort. Alle, die er kannte, waren am Leben, waren nicht dort.
Jemand hatte einen Molltowcocktail in eine Menschenmenge geworfen.
Jemand würde den Preis dafür berechnen und jemand anders würde den Preis dafür bezahlen. Er selber war 3 Tage später dort gewesen. Er sah etwas, das ausah wie ein Apfel im zunehmenden Morgenlicht. Soviel Zeit, für so wenig zu tun. Er hatte eine Arbeit in der er in 2 Stunden das schaffte, wofür er 6 Stunden Zeit hatte. Jeden Tag. Immer.
Jemand hatte einen Mollotowcocktail in eine Menschenmenge geworfen, an so einem Tag. Als er dort war, waren ausschliesslich alte Menschen da. Die jungen Menschen waren alle bei Tik Tok. Das stimmt nicht, dachte er, selber alt. Die sind in der Schule. Es war ein Wochentag. Der 52er fuhr nur an Wochentagen. Im Bus selber redete niemand. Es waren Fremde. Einige schrieben Nachrichten an andere, die diese dann dort lasen, wo auch niemand miteinander redete. Ich bin zu düster, dachte er. ich muss aufpassen. Es ist keine gute Zeit für Depression und Kummer.
Jemand hatte einen Mollotowcocktail in eine Menschenmenge geworfen. Beides war doof. Wo war ein Lächeln, wenn man eins brauchte?
 
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petrasmiles

Mitglied
Solche Prosa haut einen von den Füßen! Keine Deckung möglich.
Man zahlt einen Preis fürs Abgestumpftsein, aber für Durchlässigkeit auch; an manchen Tagen weiß man nicht, welcher höher ist.
Und ja, das Lächeln als begleitende Interaktion ist auf dem Rückmarsch. Ich erlebe es selbst - als oft Lächelnde - dass es nicht erwidert wird, als sei es etwas mindestens Fremdes, oder gar Obsoletes, nicht mehr Harmloses oder Nettes. Überflüssig. Man drückt das jetzt mit Emojis aus?
Hier ein paar Lächeln für Deinen Protagonisten als Vorrat :) :) :)

Liebe Grüße
Petra
 



 
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