wolfsrachen (akt II)

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Mimi

Mitglied
wolfsrachen (akt II)​

das aftershave hätte er sich sparen können
selbst die rosen konnten's nicht retten
dabei hatte er sich die worte auf die zunge gelegt
griffbereit fürs oberstübchen
jedes einzelne sortiert und geschliffen

kaum öffnete sie die tür ergoss sich
ein staccato aus wortakrobatik über seinen kopf
er schluckte alles den rachen hinunter
buchstaben worte sätze und selbstachtung
bis die narbe über der oberlippe zu zucken begann

ihr blick war eine mélange aus ekel und mitleid
blieb an ihm haften wie ein unheil
fürn arsch die theaterkarten dachte er draußen
als er den rosenstrauß gegen das fenster warf
dramen hat er eh nie leiden können
 
Zuletzt bearbeitet:

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mimi,

Bei der dritten Strophe fühle man sich als Mann regelrecht ertappt.
Wir schaffen es regelmäßig unsere Wut, Enttäuschungen und auch unseren Schmerz hinter einem herrlichen Pragmatismus zu verstecken.
Trotzdem und gerade deswegen sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße
Manfred
 

Max Neumann

Mitglied
Hallo Mimi,

"Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in seinem Bild etwas, was in uns selber sitzt. Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.“ — Hermann Hesse

Du schreibst oftmals gelungene Gedichte und ich verfolge deine Texte seit einigen Jahren.
Auch dieses Gedicht ist handwerklich, sprachlich, stilistisch gelungen. Die Atmosphäre, die es erzeugt, stimmt mich traurig — zwischen den beiden Figuren steht eine unüberwindbare Mauer aus Dingen und Vorurteil.

Viele Grüße
Max
 

Rachel

Mitglied
Hallo Mimi, du hast aus einem an sich langweiligen Daily-Soap-Plot sprachlich feine Poesie gemacht. Kompliment.

... auf zunge gelegt, griffbereit fürs oberstübchen --- allein diese Formulierung finde ich sehr gelungen. LG
 

petrasmiles

Mitglied
Das würde ich nicht 'Dinge und Vorurteil' nennen, sondern kompletten Realitätsverlust.
Bevor eine Frau so reagiert, hat sie mit dem Protagonisten Erfahrungen gemacht. Wenn der Mann das alles nicht verstanden hat, sondern meint, nur ein bisschen Oberflächenanhübschen müsste genügen, dann kann er froh sein, dass sie ihm die Blumen nicht um die Ohren gehauen hat.
Das männlichen Pragmatismus zu nennen, hat was :D

Wie Rachel den Text 'eingeordnet' hat, trifft den Nagel auf den Kopf!

Liebe Grüße
Petra
 

Mimi

Mitglied
Dankeschön, ihr Lieben, für die freundlichen Rückmeldungen und/oder Bewertungen!

@Franke: Eine gesunde Portion Pragmatismus kann sicherlich hilfreich im Leben sein - gerade dann wenn's mal nicht so rund läuft, wie erhofft ...

@Max Neumann :
Für Dein großes Lob, möchte ich mich besonders bedanken! Das ist eigentlich die schönste Rückmeldung, die sich ein Autor für seine Texte überhaupt wünschen kann: gerne gelesen zu werden.

@Rachel : Ich finde es sind gerade die alltäglichen Situationen und Momente, aus denen sich wunderbar poetisch verfeinerte "Kunst" gestalten lässt ...

Deine Einordnung dazu gefällt mir :D ...


@petrasmiles : Angeblich kommunizieren Frauen auf der direkten Sprachebene eher weniger unmissverständlich sowie tendenziell weniger ziel- und lösungsorientierter als Männer ...
Die Frau im Gedicht dürfte wohl kein Blatt vor den Mund genommen haben.
Manchmal geht's nicht anders ...


Besinnliche Weihnachtsgrüße an Euch
Mimi
 



 
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