Worte?

sabine simon

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Ein gemütlicher Spaziergang am See.
Wir schlendern.
Eigentlich sind alle schneller.
Spaziergänger.
Eilige Spaziergänger.
Wanderer.
Flotte Wanderer.
Jogger.
Ehrgeizige Langläufer.
Radfahrer.
Rasende Radfahrer.

Wir schweigen.
Und wir hören der Stille zu.
Das Wasser gluckst.

Ein Reiher krächzt.

Das spritzende Eintauchen von Rudern ins Wasser,
von weitem zu hören,
bevor das Boot sichtbar wird.

Eine Gruppe Kanadagänse schwatzt.

Am gegenüberliegenden Ufer ruft jemand.

Ein Jogger zieht einsam seine Runden,
nur das Aufsetzen seiner Füße ist zu hören.

Andere ziehen stumm an uns vorbei.

Gruppen passieren uns mit großem Gesprächsgemurmel.

Vater und Sohn fahren Rad.
„Rechts, rechts,
du musst rechts fahren,“
brüllt der Vater in die Stille hinein.

Denn eine riesige Radfahrgruppe saust heran.
„Also der Max….“
„… das gibt‘s doch…“
„...ich sauer, denn...“
„ … Kegeln ist...“
„… eklig, so ne Wurzelbehand...“

Der Krach verhallt.
Langsam kehrt die Lautlosigkeit zurück.

Ein Haubentaucherpärchen zieht unsere Blicke auf sich.
Sie haben drei Junge.
Die Eltern tauchen fleißig,
immer wieder,
und immer wieder,
offensichtlich sind die Kinderchen zu klein,
sie schauen interessiert zu,
aber selber tauchen ist noch nicht.

Viele Fit-Macher passieren uns,
schwitzen, japsen, quälen sich,
nasse riesige Schweißflecken auf den T-Shirts,
nur wenige laufen locker und geübt,
einige holpern in unausgeglichenem Laufstil,
viele scheinen am Ende ihrer Kräfte,
von der Schinderei beherrscht.

Aber mitten im Fitness-Kampf,
durchbrochen von Keuchen und Schnaufen,
werden Wortfetzen laut gerufen ,
dem Laufpartner zu.

Was zwingt zum gekeuchten Wort
in atemlosen Lauf?
Zerrung, Atemnot?
Droht ein Zusammenbruch?
Ist das Handy beim Dauerlauf fest in der Hand
um den Notarzt zu rufen?

„Und hier -japs-wird das -keuch-schlagartig kühler…“
Und das,
während die Sonne auf unserer Haut brennt?

„Jersey als Material find ich besser…“
Satzfetzen von Darmspiegelung bis Zahnreinigung,
von Vaters eingewachsenem Zeh zum Ekzem an der Kehrseite?

Während ein süßer weißer Babyschwan seine Runden dreht.

Worte-Schrott,
sogar wenn jemand alleine vor sich hin joggt,
denn es hat wer das Telefon erfunden:

„Das hab ich der aber ganz deutlich gesagt...“
„… boo,so Oberschenkel….“
„Also, meine Mutter, da...“
„...und dann muss ich baden...“
„...ich hab ja so Gewissensbisse...“
„Und wenn ich das hinter hab,
dann muss ich ja auch noch den Hund dahinbringen,
o Mannomann…

Es wird immer voller,
die Leute immer schneller und redseliger.

„Eines Tages,
da kommt der Tag,
dann stehn wir da…“

Jau.
.
Wir fokussieren uns neu auf den schneeweißen Baby-Schwan.
Blenden die merkwürdigen Wortfetzen aus.

Finden bei den Gänsen zusammengekuschelte Mini-Gänse.

Mutter Ente zieht mit zehn kleinen Bällen ihre Runden,
sie scheint vor Stolz fast zu platzen.

Die Stille ist wieder da.
 



 
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