Wünsche an den Nikolaus

Ich wünsche mir vom Nikolaus, dass sich die heutigen Unsitten nicht allzu tief in meinem Kopf festkrallen für immer. Besser gesagt geht es gar um die Köpfe von uns allen.
Später, irgendwann später, man weiß ja nichts so genau, wollen wir schon auch wieder vergessen dürfen, löschen und neustarten.
Das wünsche ich mir äußerst sehr und dringend.

Schon heute wünsche ich mir einen Coach und einen ausgeklügelten Plan, um die jüngst anerzogenen Reflexe in einer hoffentlich nahen Zukunft wieder konsequent abzutrainieren.
Ich will es wieder sorgfältig beigebracht bekommen, dass ich den Menschen bedenkenlos entgegengehe und nicht sofort Gefahr oder Feindschaft wittere, wenn mir einer entgegenkommt.
Ich wünsche mir eine Entwöhnung von den kalten Bildschirmen, und als Substitutionsprogramm wünsche ich mir die Berührung von Haut auf Haut und das Gespräch, wo man vom Gegenüber den Atem spürt.
Wünsche mir das Gefühl von Entsetzen und Empörung zurück, wenn mir einer vorschreiben will, wohin ich mit wem gehen darf, und wie weit.
Nur zu gern möchte ich den Vogel gezeigt bekommen, wenn ich meine, dass es mich was angeht, wie viele Gäste mein Nachbar eingeladen hat!
Und ich bitte darum, sage man wieder laut: Es gibt nicht nur die eine Wahrheit und nicht nur die eine Wissenschaft – mit Bestimmtheit.

Seltsame Wünsche, 2020, 2021, aber leider wichtig.
Denn ich befürchte: All das werden wir erst wieder lernen müssen, ganz neu.
Ähnlich dem sehr schwer Verunfallten mit angeknackster Wirbelsäule, der wie ein Kleinkind erneut mühsam gehen lernen muss, sofern er nicht ewig im Rollstuhl geschoben werden will.

Und in Gesichter will ich schauen, irgendwann mal, sogar in die grantigen. Selbst die hängendsten Mundwinkel würden mich dereinst fröhlich machen!
Und dann, wenn dann einer fragt, ob diese große Kunst oder jener kleine Spaß fürs Dasein denn unbedingt da sein müsse, dann kann ich ihm auch endlich wieder sichtbar die Zunge rausstrecken, ganz wie es sich gehört.
 



 
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