Wunder der Geburt

SiggiH

Mitglied
Wunder der Geburt

Eigentlich sollte es ja nur ein schnelles Feierabendbier werden, aber wieder einmal fickt mich das Schicksal, denn gerade heute musste die Freundin des Lieblingscousins der Kellnerin ihr Kind bekommen. Ihr denkt jetzt vielleicht „Na und, das ist doch ein schönes Ereignis“, aber ich sage euch nur das eine: Solche Storys widern mich einfach nur an!
Diese Geburtsberichte verlaufen doch alle nach dem selben Schema: Frau bekommt Wehen – Mann gerät in Panik – und Stunden später ist dann das Unvermeintliche eingetreten: Der Balg ist auf unser pestizidverseuchten lebensunfreundlichen Erde gelandet.
Mit diesen ganzen Berichten über das Wunder der Geburt wollen die Leute doch nur ihres primitives Verlangen nach Kopulation rechtfertigen!
Aber was soll’s, die Kellnerin, ihr Name ist übrigens Heike, steht total darauf. Und weil ich wiederum auf sie stehe, bleibt mir nur, gute Mine zum bösen Spiel zu machen und ein wenig Interesse zu heucheln, was auch recht gut funktioniert, bis mein bescheuerter Arbeitskollege Michael plötzlich die Aufforderung bringt: „Hey Joe, du bist doch auch schon zweifacher Papa, wie war denn das bei dir?“
Ich versuche irgendwie meinen Arsch zu retten, indem ich einwerfe, dass das ja schon ein paar Jahre her sei und Tanja und ich bei der Geburt meines Sohnes nicht mal mehr zusammen waren.
Aber Michael lässt nicht locker, und auch Heike zeigt endlich mal Interesse an mir, also will ich ihnen die Geschichte nicht vorenthalten:

„Na ja, Tanja und ich waren ja noch recht jung und unerfahren als sie zum ersten Mal schwanger war. Termin sollte der 17. Juli sein, aber sie hatte schon Wochen vorher ernste Probleme.
Sie konnte einfach kein Essen mehr bei sich behalten. Was sie auch aß – keine fünf Minuten später fand es auch schon seinen Weg in die Abwasserkanalisation. Tanja war ja sowieso schon eine recht zierliche Person, und als sie eines Nachts vor lauter Schwäche das Bad auf eigen Beinen nicht mehr verlassen konnte, rief ich dann den Notdienst. Die Sanitäter waren auch recht flott da und schlugen doch tatsächlich vor, Tanja im häuslichen Ehebett an eine Infusion zu hängen. Ich solle die Beutel bei Bedarf dann einfach auswechseln. Das habe ich aber vehement abgelehnt! Schließlich ging es hier ja um zwei Leben, für die ich keine Verantwortung übernehmen wollte.
Ich bestand also darauf, dass sie Tanja ins Krankenhaus brachten. Dort ging es ihr tags darauf auch schon bedeutend besser, und ich musste ihr abends dann belegte Brote bringen, da sie den Krankenhausfraß nicht mochte. Sie diktierte mir sogar genau, welche Wurst drauf sollte - so ging es knapp eine Woche. Kaum zurück, wurde dann wieder rückwärts gevespert. Der zweite Aufenthalt im Krankenhaus war genau so unspektakulär wie der erste – das Essen blieb drin.
Als sie dann wieder nach Hause durfte war die Spuckerei überwunden. Dann kam der 15. Juli, der heißeste Tag in diesem Sommer, und Tanja wollte Schwimmen gehen. Ich gab zu bedenken, dass dies in ihrem Zustand eventuell keine so gute Idee sei, aber das wollte sie nicht hören.
Mir blieb also keine andere Wahl als die Badesachen zu packen und mit ihr an den Baggersee zu fahren. Wie nicht anders zu erwarten, war dieser an jenem Tag sehr gut besucht, und wir mussten ein gutes Stück gehen um einen hübschen Platz auf der Liegewiese zu finden. Kaum war dieser hergerichtet wollte Madame auch schon mit der Luftmatratze ins kühle Nass. Natürlich wich ich nicht von ihrer Seite, da ich befürchtete, sie könne durch das Gewicht ihrer mittlerweile immens großen Kugel in die Tiefen des Sees gezogen werden. Doch kaum waren wir im Wasser, stand sie plötzlich wie zur Salzsäule erstarrt da, sah mich mit großen Augen an und verkündete mir, dass es wohl los gehe.
Ich natürlich, nachdem ich sie ans Ufer verfrachtet habe, wie der geölte Blitz quer über die Liegewiese gesprintet, rein ins Auto und mit diesem dann über die Liegewiese Slalomparcours - runter zum Ufer. Die anderen Badegäste haben mir Wörter hinterher gerufen, die ich hier lieber nicht wiederholen möchte, und ein Herr hat mich sogar ein Stück verfolgt und mein Autoheck mit seinem Badetuch verdroschen.
Als sich am Ufer die Situation mit der Verfrachtung der hochschwangeren Tanja von selbst erklärt hat, war die Rückfahrt über die Fleischschaufläche dann ohne nennenswerte Zwischenfälle möglich.
Dann kam die Fahrt zum Krankenhaus. Ich entschied mich für eine Abkürzung über einen kleinen Schleichweg zwischen zwei Dörfern, und als ob der Teufel persönlich seine Finger mit im Spiel gehabt hätte, war gerade in diesem Moment ein Bauer dabei, seine Kühe von einer Weide auf die andere zu treiben und blockierte die gesamte Straße.
Vor lauter Panik saß ich wie ein Wahnsinniger in meinem Auto, mit meinen Händen wild gestikulierend, und der Schweiß lief in Strömen an mir herunter, obwohl ich nur mit einer Badehose bekleidet war und alle Fenster geöffnet hatte. Über eine Klimaanlage verfügte mein damaliger Wagen natürlich noch nicht. Während ich zur tatenlosigkeit verdammt dem Treiben des schwarz-weiß geflecktem Milchvieh zusah, lag Tanja hinten auf der Rückbank und hechelte wie wild. Ich war mir nicht sicher, ob sie jetzt einen Asthmaanfall hatte oder ob das ihre Atemübungen waren. Da die Straße endlich wieder befahrbar war, wollte ich auf diese Sache jedoch erst im Krankenhaus näher eingehen.
Dort angekommen fuhr ich direkt vor den Eingang, sprintete an die Anmeldung, um Hilfe für meine Frau zu ordern. Die Dame am Empfang erklärte mir seelenruhig, dass sie jemanden schicken würde. Mir wurde inzwischen wieder bewusst, dass ich nur mit einer Badehose bekleidet war, weshalb ich es dann doch vorzog, draußen am Auto zu warten. Es kamen dann auch recht bald zwei Krankenpfleger mit einem Rollstuhl, auf den sie die jammernde Tanja verfrachteten. Ich solle doch noch beim Anmeldeschalter die Aufnahmepapiere ausfüllen. Dort wartete gleich die nächste Hürde auf mich: Der Mutterpass sei vorzulegen. Den hatte Tanja selbstverständlich nicht dabei. Nachdem ich wenigstens den Frauenarzt nennen konnte versprach ich schnellst möglich das wichtige Dokument zu beschaffen.
Ich fuhr also so schnell wie möglich die 20 km nach Hause. Trotz aller Hektik beschloss ich dort zu aller erst einmal mich gesittet zu kleiden. Danach kam ich gleich wieder ins Schwitzen - auf der Suche nach diesem vermaledeiten Mutterpass. Ich durchforstete sämtliche Schubladen und Schränkchen, selbst im Medizinschrank sah ich nach, aber nirgends war eine Spur des Passes.
Da ich nicht mehr weiter wusste schnappte ich letztlich völlig resigniert Tanjas Krankenhausköfferchen, das Gott sei dank schon seit einer Woche bereit stand, und machte mich wieder auf den Weg zum Krankenhaus. Ich stellte mich auf längeres Warten ein, man kennt ja schließlich die Geburtsberichte von Freunden und Verwandten, und kramte im Auto noch ein wenig Kleingeld für die ein oder andere Tasse Kaffee zusammen - doch warteten drei Überraschungen auf mich:
Der Mutterpass sei nicht mehr nötig, man habe alle Daten beim Frauenarzt abgerufen.
Tanja hatte eine Tochter zur Welt gebracht.
Und der vermisste Mutterpass lag die ganze Zeit schon im Krankenhauskoffer.

Tja, das war die spektakuläre Geburt meiner Tochter!
Und jetzt erzähl ich euch noch kurz, wie es bei meinem Sohn ablief.
Wie schon erwähnt, waren Tanja und ich gegen Ende ihrer zweiten Schwangerschaft nicht mehr zusammen. Weshalb ist jetzt uninteressant, vielleicht erzähle ich das ein anderes Mal. Aber ich hatte ihr angeboten, bei der Geburt für sie da zu sein.
Als es dann tatsächlich so weit war, rief sie mich morgens um neun auf dem Handy an, als ich gerade mit dem Lkw unterwegs war. Ich erklärte ihr, dass ich noch meine Schicht beenden müsse, sie aber abends dann besuchen würde.
Nachmittags um drei rief mich Tanja wieder an: Es sei ein Junge. Klar freute ich mich, aber trotz aller Vaterfreuden kam mir doch seltsam vor, dass da so viele laute Hintergrundgeräusche zu hören waren. Also wollte ich wissen, warum bei ihr so ein Lärm herrsche. Ach das – sie sei bei Aldi beim Einkaufen, schließlich brauche sie ja Windeln und so.
So viel zum Thema Wunder der Geburt!“

Ich trinke mein Bier leer und verabschiede mich für den Abend.
An den Augen der Kellnerin hab ich gesehen, dass ihr mein Bericht gefallen hat. Vielleicht gibt es ja das nächste Mal ein Bierchen aufs Haus – vielleicht auch mehr...
 
S

steky

Gast
Eigentlich sollte es ja nur ein schnelles Feierabendbier werden, aber wieder einmal fickt mich das Schicksal, denn gerade heute musste die Freundin des Lieblingscousins der Kellnerin ihr Kind bekommen
Irgendetwas stört mich bei der Konstruktion dieses Satzes, aber ich weiß noch nicht genau, was es ist. Ob diese Option besser ist, weiß ich auch nicht, vielleicht hat ja jemand noch einen anderen Vorschlag: "Eigentlich sollte es ja nur ein schnelles Feierabendbier werden. Aber wieder einmal fickt mich das Schicksaal. Denn gerade heute musste die Freundin des Lieblingscousins der Kellnerin ihr Kind bekommen."

Ihr denkt jetzt vielleicht[red]Doppelpunkt[/red] „Na und, das ist doch ein schönes Ereignis“. [red]Punkt und dann groß weiter[/red]Aber ich sage euch nur das eine: Solche Storys widern mich einfach nur an!
Diese Geburtsberichte verlaufen doch alle nach dem selben Schema: Frau bekommt Wehen – Mann gerät in Panik – und Stunden später [strike]ist dann das Unvermeintliche eingetreten[/strike] [red]tritt dann das UnvermeiDliche ein[/red]: Der Balg [strike]ist auf unser pestizidverseuchten lebensunfreundlichen Erde gelandet [/strike][red]landet auf unserer pestizidversuchten, "lebensfreundlichen Erde".[/red][/quote] Pestizidverseucht und lebenfreundlich passt nicht zusammen, deswegen würde ich Anführungszeichen setzen.

Aber Michael lässt nicht locker, und auch Heike zeigt endlich mal Interesse an mir, also will ich ihnen die Geschichte nicht vorenthalten:
Zu viele "Aber". Ich würde hier dieses durch ein "Doch" ersetzen.

Sie konnte einfach kein Essen mehr bei sich behalten. Was sie auch aß – keine fünf Minuten später fand es auch schon seinen Weg in die Abwasserkanalisation.
Man könnte diese zwei Sätze auch verbinden:
Sie konnte einfach kein Essen mehr bei sich behalten: Was sie auch aß – keine fünf Minuten später fand es auch schon seinen Weg in die Abwasserkanalisation.

Tanja war ja sowieso schon eine recht zierliche Person, und als sie eines Nachts vor lauter Schwäche das Bad auf eigen Beinen nicht mehr verlassen konnte, rief ich dann den Notdienst
Auf eigeneN Beinen.

Dort ging es ihr tags darauf auch schon bedeutend besser, und ich musste ihr abends dann belegte Brote bringen, da sie den Krankenhausfraß nicht mochte. Sie diktierte mir sogar genau, welche Wurst drauf sollte - so ging es knapp eine Woche. Kaum zurück, wurde dann wieder rückwärts gevespert.
Zu viele "Dann".

Als sie dann wieder nach Hause durfte[red]Beistrich[/red] war die Spuckerei überwunden. Dann kam der 15. Juli, der heißeste Tag in diesem Sommer, und Tanja wollte Schwimmen gehen.
Mir blieb also keine andere Wahl[red]Beistrich[/red] als die Badesachen zu packen und mit ihr an den Baggersee zu fahren.

Wie nicht anders zu erwarten, war dieser an jenem Tag sehr gut besucht, und wir mussten ein gutes Stück gehen [red]Beistrich[/red]um einen hübschen Platz auf der Liegewiese zu finden.
Kaum war dieser hergerichtet[red]Beistrich[/red] wollte Madame auch schon mit der Luftmatratze ins kühle Nass.
Den hatte Tanja selbstverständlich nicht dabei. Nachdem ich wenigstens den Frauenarzt nennen konnte versprach ich schnellst möglich das wichtige Dokument zu beschaffen.
Da ich nicht mehr weiter wusste[red]Beistrich[/red] schnappte ich letztlich völlig resigniert Tanjas Krankenhausköfferchen, das Gott sei dank schon seit einer Woche bereit stand, und machte mich wieder auf den Weg zum Krankenhaus.
An den Augen der Kellnerin [strike]hab ich gesehen[/strike] [red]sehe ich[/red], dass ihr mein Bericht gefallen hat.

Mir hat diese Geschichte wirklich sehr gut gefallen. Allerdings könnte man das Textliche noch ein wenig verbessern, würde man die ganzen Wortwiederholungen ausmerzen, die zumeist aus "dann" oder "aber" bestehen. LG
 
A

aligaga

Gast
Eigentlich sollte es ja nur ein schnelles Feierabendbier werden, aber wieder einmal fickt mich das Schicksal, denn gerade heute musste die Freundin des Lieblingscousins der Kellnerin ihr Kind bekommen
Irgendetwas stört mich bei der Konstruktion dieses Satzes, aber ich weiß noch nicht genau, was es ist.
Ganz einfach: das "ficken" steht in der falschen Zeit. Es muss ebenfalls ins Imperfekt, dann stimmt der Satz.

Falls mit diesem Stück beabsichtigt war, mit Hilfe fehlerhafter Gossensprache ein lyrisches Ich zu zeichnen, vor dem es einer Sau grausen könnte, darf es als gelungen bezeichnet werden. Es "besticht" durch die zur Schau gestellte Gefühlsrohheit; lustig finden kann ich persönlich so etwas nicht, eher bestürzend.

Es geht ein wenig in die Richtung von Henry Millers defätistichem "Wendekreis des Krebses", in dem die Gesellschaft und ihr Umfeld als Schmutz erkannt und beschrieben werden. Aber wirklich nur ein wenig. Es fehlen diesem Stückerl die Selbstzweifel, der analytische Ansatz, die Weitsicht und, vor allem, eine Sprache, die einem das Lesen zum Erlebnis machte.

"Gefallen" kann einem eine solche "Geschichte" kaum - allenfalls betroffen machen. Das wirft am Ende keine gutes Licht auf die Kellnerin ...

Gruß

aligaga
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Siggi,

ich finde Deine Geschichte eher zum Lachen, da es gar keine Berichte über das Wunder der Geburt gibt, sondern nur Geschichten darüber, was der werdende Vater anderweitig erlebt.
Ich würde sie glatt - nach Verbesserung von Rechtschreib- und Interpunktionsfehlern - zu Humor und Satire verschieben.

"Ficken" finde ich allerdings völlig daneben, passt überhaupt nicht zur übrigen Wortwahl.

LG Doc
 

SiggiH

Mitglied
Wunder der Geburt

Eigentlich sollte es ja nur ein schnelles Feierabendbier werden, aber dies scheint mir heute nicht vergönnt zu sein, denn gerade heute musste die Freundin des Lieblingscousins der Kellnerin ihr Kind bekommen. Ihr denkt jetzt vielleicht: »Na und, das ist doch ein schönes Ereignis.« Aber ich sage euch nur das eine: Solche Storys widern mich einfach nur an!
Diese Geburtsberichte verlaufen doch alle nach demselben Schema: Frau bekommt Wehen – Mann gerät in Panik – und Stunden später tritt dann das Unvermeidliche ein: Der Balg landet auf unser pestizidverseuchten lebensunfreundlichen Erde.
Mit diesen ganzen Berichten über das Wunder der Geburt wollen die Leute doch nur ihr primitives Verlangen nach Kopulation rechtfertigen!
Aber was soll’s, die Kellnerin, ihr Name ist übrigens Heike, steht total darauf. Und weil ich wiederum insgeheim auf sie stehe, bleibt mir nur, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und ein wenig Interesse zu heucheln, was auch recht gut funktioniert, bis mein übermotivierter Arbeitskollege Michael plötzlich die Aufforderung bringt: »Hey Joe, du bist doch auch schon zweifacher Papa, wie war denn das bei dir?«
Ich versuche irgendwie meinen Allerwertesten zu retten, indem ich einwerfe, dass das ja schon ein paar Jahre her sei und Tanja und ich bei der Geburt meines Sohnes nicht einmal mehr zusammen waren. Doch Michael lässt nicht locker, und auch Heike zeigt endlich mal Interesse an mir, also will ich ihnen die Geschichte nicht vorenthalten:

»Na ja, Tanja und ich waren ja noch recht jung und unerfahren als sie zum ersten Mal schwanger war. Termin sollte der 17. Juli sein, aber sie hatte schon Wochen vorher ernste Probleme.
Sie konnte einfach kein Essen mehr bei sich behalten. Was sie auch aß – keine fünf Minuten später fand es auch schon seinen Weg in die Abwasserkanalisation. Tanja war ja sowieso schon eine recht zierliche Person, und als sie eines Nachts vor lauter Schwäche das Bad auf eigenen Beinen nicht mehr verlassen konnte, rief ich dann den Notdienst. Die Sanitäter waren auch recht flott da und schlugen doch tatsächlich vor, Tanja im häuslichen Ehebett an eine Infusion zu hängen. Ich solle die Beutel bei Bedarf dann einfach auswechseln. Das habe ich aber vehement abgelehnt! Schließlich ging es hier ja um zwei Leben, für die ich keine Verantwortung übernehmen wollte.
Ich bestand also darauf, dass sie Tanja ins Krankenhaus brachten. Dort ging es ihr tags darauf auch schon bedeutend besser, und ich musste ihr abends belegte Brote bringen, da sie den Krankenhausfraß nicht mochte. Sie diktierte mir sogar genau, welche Wurst drauf sollte - so ging es knapp eine Woche. Kaum zurück, wurde dann wieder rückwärts gevespert. Der zweite Aufenthalt im Krankenhaus war genau so unspektakulär wie der erste – das Essen blieb drin.
Als sie schließlich wieder nach Hause durfte, war die Spuckerei überwunden.
Dann kam der 15. Juli, der heißeste Tag in diesem Sommer, und Tanja wollte Schwimmen gehen. Ich gab zu bedenken, dass dies in ihrem Zustand eventuell keine so gute Idee sei, aber das wollte sie nicht hören.
Mir blieb also keine andere Wahl, als die Badesachen zu packen und mit ihr an den Baggersee zu fahren. Wie nicht anders zu erwarten, war dieser an jenem Tag sehr gut besucht, und wir mussten ein gutes Stück gehen, um einen hübschen Platz auf der Liegewiese zu finden. Kaum war dieser hergerichtet, wollte Madame auch schon mit der Luftmatratze ins kühle Nass. Natürlich wich ich nicht von ihrer Seite, da ich befürchtete, sie könne durch das Gewicht ihrer mittlerweile immens großen Kugel in die Tiefen des Sees gezogen werden. Doch kaum waren wir im Wasser, stand sie plötzlich wie zur Salzsäule erstarrt da, sah mich mit großen Augen an und verkündete mir, dass es wohl losgehe.
Ich natürlich, nachdem ich sie ans Ufer verfrachtet habe, wie der geölte Blitz quer über die Liegewiese gesprintet, rein ins Auto und mit diesem dann über die Liegewiese Slalomparcours - runter zum Ufer. Die anderen Badegäste haben mir Wörter hinterher gerufen, die ich hier lieber nicht wiederholen möchte, und ein Herr hat mich sogar ein Stück verfolgt und mein Autoheck mit seinem Badetuch verdroschen.
Als sich am Ufer die Situation mit der Verfrachtung der hochschwangeren Tanja von selbst erklärt hat, war die Rückfahrt über die Fleischschaufläche dann ohne nennenswerte Zwischenfälle möglich.
Dann kam die Fahrt zum Krankenhaus. Ich entschied mich für eine Abkürzung über einen kleinen Schleichweg zwischen zwei Dörfern, und als ob der Teufel persönlich seine Finger mit im Spiel gehabt hätte, war gerade in diesem Moment ein Bauer dabei, seine Kühe von einer Weide auf die andere zu treiben und blockierte die gesamte Straße.
Vor lauter Panik saß ich wie ein Wahnsinniger in meinem Auto, mit meinen Händen wild gestikulierend, und der Schweiß lief in Strömen an mir herunter, obwohl ich nur mit einer Badehose bekleidet war und alle Fenster geöffnet hatte. Über eine Klimaanlage verfügte mein damaliger Wagen natürlich noch nicht. Während ich zur Tatenlosigkeit verdammt dem Treiben des schwarz-weiß gefleckten Milchviehs zusah, saß Tanja auf dem Beifahrersitz, zerrte wie eine Furie am Haltegriff über der Tür und hechelte animalisch. Ich war mir nicht sicher, ob sie jetzt einen Asthmaanfall hatte oder ob das ihre Atemübungen waren. Da die Straße endlich wieder befahrbar war, wollte ich auf diese Sache jedoch erst im Krankenhaus näher eingehen.
Dort angekommen fuhr ich direkt vor den Eingang, sprintete an die Anmeldung, um Hilfe für meine Frau zu ordern. Die Dame am Empfang erklärte mir seelenruhig, dass sie jemanden schicken würde. Mir wurde inzwischen wieder bewusst, dass ich nur mit einer Badehose bekleidet war, weshalb ich es dann doch vorzog, draußen am Auto zu warten. Es kamen dann auch recht bald zwei Krankenpfleger mit einem Rollstuhl, auf den sie die jammernde Tanja verfrachteten. Ich solle doch noch beim Anmeldeschalter die Aufnahmepapiere ausfüllen. Dort wartete gleich die nächste Hürde auf mich: Der Mutterpass sei vorzulegen. Den hatte Tanja selbstverständlich nicht dabei. Nachdem ich wenigstens den Frauenarzt nennen konnte, versprach ich schnellst möglich das wichtige Dokument zu beschaffen.
Ich fuhr also so schnell wie möglich die 20 km nach Hause. Trotz aller Hektik beschloss ich dort zu aller erst einmal mich gesittet zu kleiden. Danach kam ich gleich wieder ins Schwitzen - auf der Suche nach diesem vermaledeiten Mutterpass. Ich durchforstete sämtliche Schubladen und Schränkchen, selbst im Medizinschrank sah ich nach, aber nirgends war eine Spur des Passes.
Da ich nicht mehr weiter wusste, schnappte ich letztlich völlig resigniert Tanjas Krankenhausköfferchen, das Gott sei Dank schon seit einer Woche bereit stand, und machte mich wieder auf den Weg zum Krankenhaus. Ich stellte mich auf längeres Warten ein, man kennt ja schließlich die Geburtsberichte von Freunden und Verwandten, und kramte im Auto noch ein wenig Kleingeld für die ein oder andere Tasse Kaffee zusammen - doch warteten drei Überraschungen auf mich:
Der Mutterpass sei nicht mehr nötig, man habe alle Daten beim Frauenarzt abgerufen.
Tanja hatte eine Tochter zur Welt gebracht.
Und der vermisste Mutterpass lag die ganze Zeit schon im Krankenhauskoffer.

Tja, das war die spektakuläre Geburt meiner Tochter!
Und jetzt erzähl ich euch noch kurz, wie es bei meinem Sohn ablief.
Wie schon erwähnt, waren Tanja und ich gegen Ende ihrer zweiten Schwangerschaft nicht mehr zusammen. Weshalb ist jetzt uninteressant, vielleicht erzähle ich das ein anderes Mal. Aber ich hatte ihr angeboten, bei der Geburt für sie da zu sein.
Als es dann tatsächlich so weit war, rief sie mich morgens um neun auf dem Handy an, als ich gerade mit dem Lkw unterwegs war. Ich erklärte ihr, dass ich noch meine Schicht beenden müsse, sie aber abends dann besuchen würde.
Nachmittags um drei rief mich Tanja wieder an: Es sei ein Junge. Klar freute ich mich, aber trotz aller Vaterfreuden kam mir doch seltsam vor, dass da so viele laute Hintergrundgeräusche zu hören waren. Also wollte ich wissen, warum bei ihr so ein Lärm herrsche. Ach das – sie sei bei Aldi beim Einkaufen, schließlich brauche sie ja Windeln und so.
So viel zum Thema Wunder der Geburt!«

Ich trinke mein Bier leer und verabschiede mich für den Abend.
An den Augen der Kellnerin sehe ich, dass ihr mein Bericht gefallen hat. Vielleicht gibt es ja das nächste Mal ein Bierchen aufs Haus – vielleicht auch mehr...
 

SiggiH

Mitglied
Danke für eure Ratschläge.
Habe den Text nun korrigiert und leicht abgeändert, damit der Prota nicht als sexistischer Arsch erscheint (entschuldigt meine Wortwahl).
Ich denke, so liest die Geschichte sich angenehmer.
Liebe Grüße
Siggi
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Siggi,
der Text ist jetzt besser - und "sexistischer Arsch" findet keine Entschuldigung bei mir. Ich verschiebe den Text nun zu Humor und Satire, da passt er einfach besser hin.

LG Doc
 

SiggiH

Mitglied
was soll das?

Ich weiß, dass meine Texte nicht gut sind. Deshalb bin ich hier auf Leselupe, da ich dachte durch konstruktive Kritik meinen Schreibstil verbessern zu können.
Aber um ehrlich zu sein habe ich momentan eher das Gefühl, dass nicht mein Text sondern ich als Person hier kritisiert werde!
Die Beschreibung "sexistischer Arsch" habe ich gewählt, weil so mein Prota wohl, zumindest von aligaga, interpretiert wurde. Überhaupt habe ich sowieso nicht verstanden, wieso einem eine Geschichte nicht gefallen kann, weil sie kein gutes Licht auf die Kellnerin wirft. Ich bin weder näher auf ihre Person eingegangen, noch habe ich schlechtes über den Prota geschrieben - vielleicht wären die zwei das perfekte Paar.
Aber das alles ist doch Nebensache!
Es sollte hier doch um den Text an sich gehen, die Handlung ist doch nur Mittel zum Zweck.
Aber vielleicht bin ich einfach doch falsch hier...
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Siggi, Du bist nicht falsch. Deinen Text fand ich gut, Du hast nämlich das "Wunder der Geburt" schön entzaubert und zumindest mich zum Schmunzeln gebracht. Den Text habe ich lediglich verschoben, und wenn mir eine Formulierung nicht gefällt, darf ich das sagen.

Also schön weiterschreiben!

LG Doc
 



 
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