Wunsch und Wirklichkeit II

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gareth

Mitglied
Ein Beschwerdegedicht mit einem
Eugen Roth´schen Anfang


Ein Mensch mit einem schlimmen Husten,
der unter Röcheln, Keuchen, Prusten,
aus rotem Aug' auf fahler Haut,
dumpf fiebernd in die Gegend schaut,
ächzt schwer, ihm täte Alles weh.
Doch sieh', da kommt er ins Café.

Hier sitzen wir: ich, er, sie, Du.
Wir sitzen hier und suchen Ruh'.
Wir lesen, träumen und berichten
vom Leben draußen, oder dichten
für uns alleine ein Gedicht.
Das geht jetzt aber länger nicht.

Jetzt saßen wir und suchten Ruh'
und hören diesem Menschen zu.
 

anbas

Mitglied
Hallo Gareth,

ich plädiere schon lange für Ruhezonen in Cafés und Restaurants :D. Mir gefällt die Grundidee dieses Gedichtes recht gut! Allerdings gibt es für mein Empfinden noch einiges zu Verbessern:

Doch sieh', da kommt er ins Café.
Vorschlag:
Doch sieh', [blue]nun[/blue] kommt er ins Café.
Durch das "nun" kommt für mein Empfinden eine leichte erste Empörung in den Text.

Hier sitzen wir: ich, er, sie, Du.
Wir sitzen hier und suchen Ruh'.
Finde ich etwas unglücklich. Zum einen durch die Wiederholung, wenn auch in anderer Reiehnfolge, von "Hier sitzen wir" zum anderen fetzt das "ich er sie Du" auch nicht so wirklich.
Leider kann ich hier nicht mit einem konstruktiven Vorschlag dienen - mir ist nix eingefallen. Vielleicht muss der Teil völlig abgeändert werden.

Wir lesen, träumen und berichten
vom Leben draußen, oder dichten
Das "und" implizieet, dass das alle gleichzeitig tun - also lesen, träumen und berichten alle zur gleichen Zeit. Das geht nicht.
Passender wäre z.B.
Wir lesen, träumen oder dichten,
die Frau am Fenster schreibt Geschichten
OK, dann muss allerdings auch die Fortsetzung geändert werden ;)
für uns alleine ein Gedicht.
Das geht jetzt aber länger nicht.
Das geht dann so nicht mehr...
Vielleicht aber so:
Der Wunsch nach Stille führt uns her,
doch diese haben wir nicht mehr.
Jetzt saßen wir und suchten Ruh'
und hören diesem Menschen zu.
Diese Zeilen empfinde ich als zu verschachtelt.
Vorschlag:
Hier sitzen wir und suchten Ruh',
nun hör'n wir diesem Menschen zu.
Ich hoffe, dass Dich die Vielzahl der Veränderungsvorschläge nicht nicht aus der Ruhe bringt :D.

Liebe Grüße

Andreas
 

gareth

Mitglied
Hallo anbas und Wittgenstein,

erst mal danke fürs Lesen und kommentieren.

An Deiner Anmerkung, lieber Wittgenstein, hat mich natürlich gefreut, dass Dir mein kleines Beschwerdegedicht "wie vorgefunden" gefallen hat :eek:)

Du, lieber anbas, hast Dich mit der formalen Seite recht intensiv auseinandergesetzt. Allerdings kann ich nicht alle Deine Ausgangspositionen teilen.

Doch sieh', da kommt er ins Café scheint mir nach nun und jetzt (die ich zuerst verwendet hatte) die treffendste Formulierung zu sein, weil damit direkt und schlagartig von der Beschreibung des Menschen in die Position der Cafégäste im Moment seiner Ankunft gewechselt wird.

Bei: hier sitzen wir - wir sitzen hier hat die Umkehr die Aufgabe, von der einfachen Feststellung, dass wir in diesem Cafe sitzen und dass es sich um jeden handeln kann, auch um den Leser (Du), zu der Erklärung zu kommen, warum wir eigentlich alle hier sind:

Wir sitzen hier und suchen Ruh'

Ich war bisher und bin immer noch ziemlich zufrieden, das so minimalistisch geschafft zu haben :eek:)

Bestritten werden muss, dass: Wir lesen, träumen und berichten... bedeutet, dass einzelne Personen diese Sachen gleichzeitig ausführen. Die Aussage ist vielmehr: "wir machen hier solche unterschiedlichen Sachen wie...".

Eine Weile hab ich mit dem Titel: "Gegenwart und Vergangenheit" gespielt. Das erklärt vielleicht, warum die Aussage: Wir sitzen hier und suchen Ruh' am Ende noch einmal in der Vergangenheitsform:

Jetzt saßen wir und suchten Ruh´

auftaucht.

Ein bisschen verschachtelt finde ich selbst die dem Reim auf "Gedicht" geschuldete Zeile:

Das geht jetzt aber länger nicht.

Da hätte ich am Zeilenende lieber was mit "nicht mehr" stehen gehabt, wollte aber eben auf das "Gedicht" nicht verzichten. Darüber will ich gern nochmal grübeln.

Es würde mich interessieren, ob Du meiner Argumentation wenigstens teilweise zustimmen kannst.


Grüße
gareth
 
Moin, Gareth!

Dies: [...] ächzt schwer, ihm täte Alles weh.[...] sagt wer?

Ich würd das verwendete "Präteritum Aktiv" überdenken.

Dies ginge: [blue]ächzt schwer, als tät ihm alles weh[/blue].
(Beobachteraussage die sich in der darauffolgenden Zeile fortsetzt)

Und, letzte Zeile, nicht "hör([blue]t[/blue])en?

Beste Grüße
 

gareth

Mitglied
Lieber Spaetschreiber,
da ist doch gar kein Präteritum. Da ist nur eine indirekte Rede im Präsens.

(Der Mensch) ächzt schwer, ihm täte alles weh (ihm würde alles weh tun). Die direkte Rede wäre: Ächzt schwer: „Es tut mir alles weh“.

Und die letzten beiden Zeilen sagen sinngemäß:

bisher saßen wir hier, um Ruhe zu suchen
ab jetzt hören wir nur noch diesem Menschen zu

Akzeptabel?

Die letzten beiden Zeilen hatte ich mal ursprünglich so:

Jetzt saßen wir und suchten Ruh´
Jetzt sitzen wir und hören zu


Damit wäre vielleicht klarer, wie es gedacht ist, da käme aber der Mensch nicht mehr vor und den wollte ich nochmal drin haben. Wie man´s macht.... :eek:)

Gruß gareth
 
röcheln, keuchen, prusten

Hi, Gareth,

ich hab das: „ihm täte Alles weh.“, dem Erzähler untergeschoben. Herjemine …

Nun, wie Du es gemeint hast, nach Deiner Erläuterung, ist es in Ordnung aber für mich immer noch nicht klar genug. Ich wäre (interpunktionsmäßig) zur direkten Rede gewechselt, für ganz Doofe wie mich. Aber es ist Dein Gedicht.

[blue]ächzt schwer: „ihm täte Alles weh …“[/blue]

Nach meiner Lesart/Verständnis ist es tatsächlich Präteritum Aktiv (wenn‘s denn der Erzähler berichtet). Es kann aber auch durchaus sein, dass mich Dein Protagonist angesteckt hat und mir ein paar Blutgrätschen in meinem Literatenhirn verpasst hat, sodass da Einiges durcheinandergeht.

Weißt Du was? Weil wir (ich) uns grad so schön vertiefen in Dein Gedicht, hier mal MEINE Fassung von DEINEM Gedicht. Ich habs mir mal auf mein Niveau runtergeschrieben. ;)
So werd ich es auswendig lernen und bei uns im Café „Tortentaucher“ zum Besten geben.
Darf ich doch, oder?

Prolog:

Der Erzähler gehört also zu denen, die bereits im Café sitzen. Richtig?
Er sieht den gebeutelten Schleichdurchsland kommen. Draußen sieht er ihn, denn noch ist er nicht eingetreten in den stillen Raum der Ruhe, in denen das faule Künstlergesochse seinen Tag verbringt. Richtig?

Der Poet sieht ihn näherkommen, erkennt sogar sein blassrotes Äußeres, hört ihn auch keuchend, hustend anschleichen. So steht‘s da.
Meine Fantasie sagt mir, dass das wohl durch die Schaufensterscheibe, durch die Glastür oder irgendwas, wo man hindurchsehen kann, passieren muss. Und nicht nur das! Denn man kann auch hören, wie derdiedas Stimmungsversauer hustet, spuckt und sonst was von sich gibt, igittigitt.

Also:


hier sitzen wir: ich, er, sie, du.
wir sitzen hier und suchen ruh‘.
wir lesen, träumen und berichten
vom leben draußen, oder dichten
für uns alleine ein gedicht.
das geht jetzt aber länger nicht.

denn:

ein mensch mit einem schlimmen husten,
der unter röcheln, keuchen, prusten,
aus rotem aug auf fahler haut,
da draußen in die gegend schaut,
ächzt schwer: »ihm täte alles weh …«
und zack: schon kommt er ins café.

erst saßen wir und suchten ruh’
jetzt hör’n wir diesem menschen zu.




p.s. Mir gefällt die Idee, Deine Idee! (meine aber auch)
Und nimm bloß nix ernst von dem, was ich schrieb. Sieh es als Austausch von Blickwinkeln.

Beste Grüße
 

gareth

Mitglied
Lieber Spaetschreiber,

Auch nicht schlecht, Deine Umkehr - Fassung :eek:)
Da muss man dann nicht rumrätseln.

Grüße
gareth
 

gareth

Mitglied
Ein Beschwerdegedicht mit einem
Eugen Roth´schen Anfang


Ein Mensch mit einem schlimmen Husten,
der unter Röcheln, Keuchen, Prusten,
aus rotem Aug' auf fahler Haut,
dumpf fiebernd in die Gegend schaut,
ächzt schwer, ihm täte Alles weh.
Doch sieh', da kommt er ins Café.

Hier sitzen wir: ich, er, sie, Du.
Wir sitzen hier und suchen Ruh'.
Wir lesen, träumen und berichten
vom Leben draußen, oder dichten
für uns alleine ein Gedicht.
Das geht jetzt aber länger nicht.

Jetzt saßen wir und suchten Ruh´.
Jetzt hören wir dem Menschen zu!
 



 
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