zählvers vom meister im kloster han shans (ghasele)

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Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
zählvers vom meister im kloster han shans


der zehnte der neunte der achte der siebte der sechste
und eins zwei drei vier fünf macht zusammen elfe

gleich narren in carneva leprae sie dissi denten
die solle mern rinlosze siebnun vierzig elfe

da schwebt sie herein der funky man hebt sie höher
aztekisch strahlt überm priester mit federn die elfe

er trägt sie ob seiner palma de man huh het funke
marie leicht luft küsst lächelnd so dia kuss elfe

bei reise nach jerusalem stund die jungfrau
allein da deshalb wurde die zwölfe zur elfe

sie lernte ballett in paris un deux troa qattre
bis cinque die sechst siebt acht neunt zehnte elfe

nun thront sie überm strammen arm – soll sie trauen
die hand in ihren schritt? die verzwölfelte elfe
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Schöne Wortspiele. Nur schade, dass es alles identische Reime sind.

Die erzeugen aber auch eine Art Magie. Somit sind sie berechtigt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Wie bei "echten" Ghaselen üblich.
Nicht ganz unwichtig mag es sein, daß diese scheinbar identischen Epiphern ganz verschiedene Wörter sind, nämlich abweichende Bedeutungen, verschiedene Metaphernrichtungen, oder wenn schon die Zahl und nicht die Beinelfe die Versklausel spielt, eine Art Aufzweigung der Bedeutungen in verschiedene Bilderstraßen, wie z.B. der Elferrat des Präsidenten auf der Bühne der Karnevalssitzungen andere Aspekte zeigt als der Zahlenname von Kölnisch Wasser. Pardon, das splittet sich ja in einem einzigen Vers so auf, ist also kein treffendes Beispiel für die Variationenbreite der Bedeutungsfarben im Garnknäuel.
Aber es ist gewiß auch magischer, einsinniger, allem identischen Epiphern oder rührenden Reimen einen gemeinsamen Sinn zu unterstellen. Die göttliche Ur-Elfe. Das wären dann Mantren, Zaubersprüche.
Nein, Hanshan und Shite (japanisch: Kanzan und Jittoku) sind Zenmeister. Sie vernichten den Zauber und die Sprachmagie der Erscheinungwelt: Der eine liest ein leer-weißes Blatt, der andere wischt Staub und Spinnweben mit einer Feder weg.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Es ist ja nicht falsch.

Bei echten Ghaselen gibt es oft Reime der Art:

(nur Formbeispiel, nicht toll ausgearbeitet:

1. der zehnte der neunte der achte der siebte der sechste
2. und eins zwei drei vier fünf macht zusammen elfe

3. ...
4. ihr wunderbares Spiel entfacht zusammen elfe

5. ...
6. ... verflacht zusammen elfe

Der Reim kann sich sogar über die ganze Zeile erstrecken.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Das ist interessant! Es sieht beim Lesen aus wie Musik, und klingt als Musik, in der Zeitgestalt des Lesens, dieses variationslose Wiederholen halber, und wie Du sagst sogar ganzer Verse. Wie es bei Musik üblich ist, einfach die Schlußklauseln der Melodien oder sie selbst zu wiederholen. Bei Bruckner ganze Tutti-Riffs bis zu vier mal das irische Flechtband-Knäuel.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Beispiel:


(Anfang der Ghasele)
"Nah dich, ungeweihte Wespe, diesem frommen Herde nie,
Du besuchst den Tempelgarten ohne viel Beschwerde nie!
Alle sind wir wohl bewaffnet, wohl gerüstet, wohl bewehrt:
Sahst du meines Blumenheeres kriegrische Gebärde nie?
..."


Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Friedrich Rückert)


"86 Ghaselen
:

Der Bote mit dem Briefe, der kommt vom Gau des Freundes,
Bringt ein Herzamulett mir voll Moschustau des Freundes.

2. Er gibt mir gute Zeichen von Heil und Huld des Liebsten,
Macht lieblichen Bericht mir vom Wonnebau des Freundes.
..."

Siehe auch: https://books.google.de/books?id=IN86AAAAcAAJ

In den Links sind die Quellen und weitere Angaben, die hier zu lang sind zum Zitieren.

Beispiele für ganze Verse habe ich leider heute nicht gefunden.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Platen, Ghasele Nr. 9

"Mein Herz ist [zerrissen]1, du liebst mich nicht!
Du ließest mich's wissen, du liebst mich nicht!
Wiewol ich dir flehend und werbend erschien,
Und liebebeflissen, du liebst mich nicht!
..."


Hier geht es schon fast über den Reimvers.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Überaus reizvoll, die Reimklauseln so weit wie möglich nach vorne, in Richtung Zeilenanfang, zu schieben. Es ist wunderbar melodisch, musikalisch, gewissermaßen den Anfang eines Motivs (was in der Sonatenhauptsatzform als "Thema" bezeichnet wird) zu varieren, die zweite Hälfte oder eben halt den ganzen mehrsilbigen Rattenschwanz aber gleichklingen zu lassen. Nicht die letzte betonte Silbe, sondern eine frühere leitet dann den restlichen Gleichklang ein.

Das wirkt, denke ich, melodischer, musikalischer, als der regelrechte Gleichklang von der letzten betonten Silbe an. So einen Litanei-Wiederholungs-Rest kann man ja bis zum Refrain ausgeweitet sehen (sei es in einzelnen Refrain-Zeilen oder ganzen Refrain-Strophen).
Wunderbar, diese Beispiele von Von Platen.
Und Rückert, ja ja und ja Rückert!

grusz, hansz
 



 
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