Zeit ist nicht gleich Zeit. Manchmal schaltet sie in den fünften Gang. Ereignisse überstürzen sich, Welten werden ausgelöscht und aufgeworfen. Dem einzelnen Menschen bleibt dann nichts weiter übrig, als sich in Sekundenschnelle für den Fluß zu entscheiden, mit dem er sich am liebsten fortreißen lassen würde. Danach gibt es kein zurück mehr. Manchmal ist das schwer zu verkraften. Einige gehen unter oder ertränken sich, andere werden von Händen herausgezogen, die auch falsch sein können. Ganz wenige schaffen es, sich selbst frei zu strampeln. Plötzlich wird man irgendwo an Land gespült. Der reißende Strom ist zu einem ruhigen See geworden. Die Zeit bleibt stehen. Und dem einzelnen Menschen bleibt nichts weiter übrig, als abzuwarten und alt zu werden. Nur wenige, ganz wenige sind mutig genug, sich noch einmal ins Wasser zu wagen, denn es ist tief und weit, und die Richtung kann immer die falsche sein. Wo auch immer man schließlich ankommt, werden sie schon am Ufer stehen, lachend oder achselzuckend, mit immer demselben Satz auf den Lippen: Ich hab’s ja gleich gewusst...
(Dez. 1990)
(Dez. 1990)