zeit und liebe

4,40 Stern(e) 5 Bewertungen

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich erwarte die tage die kommen
wenn der mensch sich vermählt mit der zeit.
wenn die welt auf ein zifferblatt passt
und adam der amöbe näher sein wird
als dieser kreatur mit der feder im rücken
die es trägt wie das rad eines pfaus.

die lehren die von blut und fleisch reden
passen nicht mehr in dieses gehäuse
aus mechanik und tickenden zeigern. nur die
schwachen lieder der nächte (über glas
geflüstert) verbergen das beinahe nackte
gebein das von stechender haut
überzogen durch die straßen schlackert.

wenn zwei sich aber berühren
und die bis in den schmerz verführte
plötzlichkeit flirrender finger auf
brennesselhäuten das leben verlangt
schlagen sie wie tollwütig die zähne
in ihr eigenes herz und verenden.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Das ist wunderbar, Patrick,

und es zieht mich rein in den Text, gerade durch seinen metaphysisch ver-dichteten prosaischen Ton. Wie man eine Betrachtung, Erörterung, einen Gedanken durchdenkt. Die in den Zifferblattkreis verkürzte Zeit, die flüchtige Sekunde von Präkambrium bis Anthropozän.

Natürlich ist es Lyrik, und zwar so aufregend schroff, wie reizend. Die Metaphern. Ja, man muß oder kann einiges ausprobieren beim Lesen, beim Verstehen der lesend nachgebildeten Imaginationen. Das beginnt (bei mir) mit dem Federrückentier. Ist das eine spezeller Dinosaurier? oder der Hahn? oder die verselbständigte Metapher für den federschwingenden Schreiber? Kann unaufgelöst stehen bleiben in der Lyrik.

Dann diese Haut, die "stechend" ist und dann in "brennesselhäuten" brennt. Im Textzusammenhang bzw. in der Bilderfolge des inneren Films am ehesten Kennzeichnung der seelischen Distanz, die Menschen voneinander haben. Sie tun einander weh, wenn sie sich berühren.

Dann deren suizidales "verenden". Sehr heftige Klausel. Konsequent.

grusz, hansz
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo mondnein

entschuldige, dass ich erst jetzt antworte, ich habe keine email benachrichtigung bekommen und da ist der kommentar dann untergegangen.

bei der feder im rücken, dachte ich vorallem an die feder, die im rücken von aufziehbarem spielzeug steckt. man dreht daran und zack! laufen die dinger.

den zweiten teil deutest du genauso so, wie ich ihn gemeint habe, das ist interessant, passiert mir sowas doch eher selten. aber der text ist jaa auch klarer, als viele meiner anderen.

l.g
patrick
 

Tula

Mitglied
Hallo Patrick
Bei der Feder im Rücken dachte ich an Engel, wobei ich mich schon fragte, warum es nicht zwei sind bzw. Federn in der Mehrzahl. Der 'primitiven' Amöbe näher zu sein als ein idealisiertes, himmlisches und ansonsten völlig unrealistisch-(un)menschliches Wesen ergibt metapherisch durchaus einen Sinn.

LG
Tula
 



 
Oben Unten