zeit vertreiber

erneut überhole ich alberne irrtümer
mit ernsthaften fehldiagnosen
versuche ich vor aufgewärmten
gewohnheiten die flucht zu ergreifen
und mein selbstbildnis zu übermalen

schmerzhaft verbeuge ich mich
vor längst tot geglaubten götzen
denen dennoch zeit verbleibt
sich von der septembersonne
frühherbstlich aufheizen zu lassen

nachbarn kommen lachend
von der beerdigung eines verstörten
der pastor beklagte rückläufige taufen
und ein protestplakat beschwert sich
über sinkende milchpreise

nebenan
klingelt die häusliche altenpflegerin
und vertreibt verwirrte momente
 
S

scarda

Gast
Hallo Karl,

muss sagen, gefällt mir gut.
Das was ich anfänglich gestört hat, die Überschrift, hat mich veranlasst noch ein paar weitere Male zu lesen und so für mich eine Strukturierung zu finden.
Strophe 1 Reflexion,
Strophe 2 Übergang zur Realität,
Strophe 3 der Alltag, die Umgebung in ihrer vollen Unpersönlichkeit
und schließlich eine halbe Strophe an konkretem Leid, das dann doch wieder in Kontakt kommt.

Frage mich nur jetzt, warum nur eine halbe Strophe

mfg Scarda
 
Hallo scarda,
danke für Deine Analyse. Die "halbe" Strophe am Schluss soll signalisieren, dass hier die Leserin/der Leser gefragt ist, sie zu ergänzen.
Herzliche Grüße
Karl
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,

sich Irrtümer einzugestehen, ist ein guter Ansatz den Problemen des Altern standzuhalten.
Konstruktiv würde ich den "Verstörten" in Verbindung mit dem "lachend" überdenken, denn damit driftet der Text für mich etwas ins Belanglose.
Zur Strophengestaltung könnte ich mir vorstellen, den Milchpreisprotest wegzulassen und so die 4. Halbstrophe zu vermeiden. Die meisten Leser brauchen keinen Wink mit dem Zaunpfahl, um Gedanken weiterzuspinnen. :)
LG
Manfred
 
Lieber Manfred,
Dein Vorschlag überzeugt mich. Das Lachen über einen Verstörten halte ich allerdings für nicht unüblich.
Danke Dir für Deine Mithilfe.
Karl
 
erneut überhole ich alberne irrtümer
mit ernsthaften fehldiagnosen
versuche ich vor aufgewärmten
gewohnheiten die flucht zu ergreifen
und mein selbstbildnis zu übermalen

schmerzhaft verbeuge ich mich
vor längst tot geglaubten götzen
denen dennoch zeit verbleibt
sich von der septembersonne
frühherbstlich aufheizen zu lassen

nachbarn kommen lachend
von der beerdigung eines verstörten
der pastor beklagte rückläufige taufen
nebenan klingelt die altenpflegerin
und vertreibt verwirrte momente
 



 
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