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Hundsstern

Mitglied
Alte Stadt, alte Strassen, alte Heimat.

Lange weg. Aus Gründen.
Immer bang. Trotzdem schön.

Wochenmarkt. Blumenstand.
Blick trifft Blick. Erkennen.

Erster Kuss, erstes Fummeln, erster Fick, erste Liebe, erste Lügen, erster Cut [the deepest], erste Narben, erstes on/off, erstes Ende. Erster Mensch, den ich nie wiedersehen wollte.

So viele erste Male.

Letzte Chance für neue Fehler.

Weiter gegangen.

Mit ganz, ganz leichtem Herz.
Kein Blick zurück.
 
Guten Morgen (Fast Mittag, ich weiß. Aber ich habe sehr lange geschlafen.).

Als ich nachts meine erste Reaktion formulierte, war ich etwas verzagt. Habe mich nur getraut, das einfachste Positive zu schreiben.
Nun hab ich gefrühstückt und fühle mich gestärkt für etwas mehr Offenheit, auch mit kritischem Blick. Und da komme ich auf keinen Fall an dieser Formulierung "aus Gründen" vorbei. Dieses Idiom halte ich für eine der völlig nichtssagenden umgangssprachlichen Floskeln, die aller paar Jahre wie ein Virus durch das Gerede der Leute gehen, um dann irgendwann wieder zu verschwinden. "aus Gründen" - was soll uns das sagen, was wir nicht sowieso schon alle mehr oder weniger wissen? Klar, alles was passiert, passiert aus irgendwelchen Gründen, hat eine Vorgeschichte, wurde provoziert oder sorgsam eingefädelt. Oder folgt Naturgesetzlichkeiten. Das wissen wir. Wenn mir nun jemand zu einem Sachverhalt sagt: "... aus Gründen.", dann triggert mich diese hohle Phrase sehr. Warum macht derjenige nicht wenigstens interessante Andeutungen, welcher Natur diese Gründe sind, die er nicht nennen mag?
Ich bin Raio-Vielhörer. Dabei ist mir aufgefallen, dass besagte Floskel erschreckenderweise auch von offenbar hochintelligenten Fachleuten irgendwelcherSpezialthemen verwendet wird. Das gruselt mich.
Gut. Das war ein Kritikpunkt von mir, der mir wirklich ganz wichtig ist.
Etwas anderes ist noch die Verwendung fremdsprachiger Wendungen in eigentlich deutschsprachigenGedichten, womit ich meist grundsätzlich fremdele. Aber hier ist mir klar, dass das meinerseits aus einer individuellen Abneigung rührt, also eher eine Geschmackssache ist. Aber es arbeitet auch hier die Frage in mir: Welche Aufgabe hat das hier im Text,, warum tritt hierplötzlich auf, nutzt es dem Text, der Botschaft? Vielleicht wenigstens der Atmosphäre. Wenn es so ist - immerhin. Die meisten lyrischen Texte dieser Art brauchen derartige Einsprengsel nicht, denke ich. Aber wie gesagt: Geschmackssache.

So. Ich wünsche ein angenehmes, poesiegeladenes Wochenende!

der Clown
 

sufnus

Mitglied
Hey Hundsstern,

den knappen Stil inkl. des Verzichts auf konjugierte Verben mag ich.
Ebenso gefällt mir die Einsprengselung von Derbem (Fick) und Fremdsprachlichem (erster cut - the deepest). Letzteres funktioniert als popmusikalische Reverenz auch nur in der Fremdsprachlichkeit und für mich funktioniert es sehr gut! Schön find ich bei diesem Pop-Zitat vor allem, dass man hier, je nach dem, ob der Original-Song oder die Cover-Versionen "gemeint" sind locker eine Zeitspanne von den späten 60ern bis in die frühen 00er Jahre abgedeckt bekommt, in der sich die erste Liebe ereignet hat. Ein cooler Effekt, der das Zielpublikum, das sich angesprochen fühlen kann, deutlich erweitert. :)

Was ich etwas als etwas schnellschüssig empfinde, ist der Verzicht auf Zeilenumbrüche bei den beziehungstechnischen Bullet Points. Vom Grundsatz her ist das eine ziemlich gute Idee, weil durch die Reihung ein ganz schicker Zeitraffer-Effekt angedeutet wird, wie bei einem hart geschnittenen inneren Film, der in ganz kurzen Sequenzen, beinahe schon Einzelbildern, durch das Gehirn des lyrischen Ichs rauscht. Ich finde aber in der jetzt vorliegenden (Nicht-)Formatierung ist diese Sequenz dann doch etwas zu roh in das Gedicht reingezimmert worden.
Wenn man mal in Normseiten denkt, dann passen etwa 60 Zeichen in eine Normseitenzeile, womit sich eine "natürliche" Länge dieser Passage von minimal mehr als 3 Zeilen ergibt. Da hätte ich jetzt durch Anpassung der Zeichenzahl und das Setzen von Zeilenumbrüchen eine Anpassung in dieser Richtung vorgenommen. Dann käme diese Passage immer noch als optisch deutlich abgesetzter Textblock zum Tragen, aber es wäre nicht mehr völlig dem Zufall der Bildschirmbreite überlassen, wie der Leseeindruck sich darstellt.

Und nach dieser Flashback-Passage ist nach meinem Eindruck bei dem Gedicht ein bisschen die Luft raus. Der Rest ist für mich beim Lesen verhältnismäßig uninteressant. Da zieht also jemand einen allerletzten Schlussstrich nach dem letzten Schlussstrich und das wars dann. Das ist mir als Mitteilung zu eindimensional und überlässt es mir als Leser, aus diesem einzelschicksaligen Allerweltsfall durch irgendwelche fantasievollen Winkelzüge oder lebensphilosophische Kontextualisierungen etwas zu "machen", was von breiterem Interesse (inkl. des eigenen) sein könnte. Fühlt sich ein bisschen wie eine Selbstbedienungskasse an, bei der ich dem Warenanbieter auch noch unentgeltlich die Arbeit des Abkassierens abnehmen soll.

LG!
S.
 



 
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