zeitum-Stellung

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surrusus

Verboten
Huhuhu, aloa aloa, liebe Ubertas,

also, also! Hier mal ein Deutungshohheitsversuch: Bei den ganzen Anspielungen auf Sandstein und Marmor gehts wahrscheinlich um die Idee von Beständigkeit gegenüber Veränderung oder von Robustheit im Kontrast zu Feinheit übertragen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Es geht also anscheinend äußerst steinig zu. Hehe

Der Aufmacher mit den "sandsteintränen / durchwühlen / mein haar" tischt direkt ein sehr interessantes Bild von Schmerz oder vielleicht Trauer auf, das so intensiv ist, dass es fast körperlich spürbar wird. Diese Sandsteintränen stehen vielleicht für was Langanhaltendes, Ewiges, das aber trotzdem weh tut.

Dann diese Zeile "du meine sachen", da schwingt so eine Andeutung von persönlicher Bindung mit, irgendwie geprägt durch Besitzansprüche oder enge Verbindung. Das öffnet ein großes Räumchen für Interpretationen über die Beziehungsart(en) und die Emotionen, die da rein mitspielen und sich tönend durch die verse "schmerzen".

Und der Schlussteil, "mit marmorlachen / liebt es sich / nicht mehr", wirft eine Veränderung für mich in den Raum, sei es in der Beziehung oder im emotionalen Zustand/Zustände. Marmor, also was Kaltes und Hartes, wird hier mit Lachen verknüpft, und das zeigt irgendwie eine Kluft zwischen Außenfassade und innerem Empfinden. Es fühlt sich an, als ob die Liebe nicht mehr so echt oder lebhaft ist wie früher, als wäre sie durch die Zeit oder Umstände irgendwie erstarrt.

Auch der Bruch im Titel (der ja bereits falsch umgebrochen ist) deutet ja schon an, dass es nicht um den physischen Wandel von Zeit geht oder die Zeitumstellung im Allgemeinen.
Hier eher für ein mahnendes und eher betrüblicheres Progodium. Das ist als stünde man im Sommer auf einer Wiese und spürt in den Haaren wie ein Gewitter aufzieht: Die Luft ist dick, es weht kein Wind, stehende Schwüle und die Luft ist irgendwie elektrisch.

Ich finde, dass du für diese Zeilen großes Lob verdienst. Wie ich finde ist Pathos in der Literatur ja so eine Sache. Aber hier sieht man wie es geht, ohne im Pathos zu ertrinken aber trotzdem authentisch Leid auf die Bühne zu stellen. Ich persönlich, hier mit den Worten von sufnus, rühme und preise sie.
Danke dafür. Ich hoffe, du erhältst dafür eine Empfehlung.

surru
 
Zuletzt bearbeitet:

Ubertas

Mitglied
Aloha aloa oh lieber surrusus!

Ich danke dir für den warmen Sternenregen und deinen unübertrefflichen Deutungsversuch. Du sprichst mir damit aus der Seele, selbst hätte ich es niemals so gut zum Ausdruck bringen können! Etwas telepathisches liegt in der Luft :) Und es freut mich um so mehr, wie schön du es in Worte gefasst hast. Ein dezentes Rot leuchtet nun in den Löffelspitzen des Osterhasen...
Mir war etwas flau beim Veröffentlichen des Gedichts, da ich ehrlich gesagt nicht wusste, ob mir der Drahtseilakt gelungen ist, nicht voller Pathos kopfüber in den Schmalztopf zu stürzen.
Trotzdem wäre es schön, wenn es uns Menschen gelänge, gerade diese uns ureigenen Erfahrungen von Leid/ Schmerz/Scheitern nicht alleinig in Angst und Selbst/Fremdanklage zu verwandeln. Ich weiß, ich greife gerade etwas weit: Unvollkommenheit anzunehmen ohne sie als Rechtfertigung zu verstehen, kann auch ein großes Glück in sich bergen. Inneren Frieden. Das nimmt dem Schmerz die Grausamkeit und dem "Text" die Schmalzigkeit. Und reimt sich sogar! Das war jetzt überhaupt nicht pathetisch ;-)
Ich lobpreise dich - ganz ernsthaft: ich danke dir von Herzen, dass du dir soviel Zeit genommen hast, für all deine Zeilen. Ich fühle mich wirklich geschmeichelt.
Und wünsche dir einen ganz unumstellt sonnenstrahlenden Tag!

Ubi et osti
 

surrusus

Verboten
ob mir der Drahtseilakt gelungen ist
Wie ich finde ist dir der Versuch gelungen!

dass du dir soviel Zeit genommen hast
Hast du doch auch! :))

Ich hatte einen unübertrefflichen "Mentor" als Vorbild.
Aber es freut mich zu hören, dass mein "Lesen" besser geworden ist.

Und wünsche dir einen ganz unumstellt sonnenstrahlenden Tag!
Dir sei das Gleiche gewünscht!

surru
 

Ubertas

Mitglied
Surru, surru

ich danke dir und deinem Mentor, selbst wenn gelegentlich der Schlauch meine einzige Bodenhaftung ist, um unahnungslos darauf zu stehen.
Zwischen dem 'Lesen' fällt mir auf,
wie schön es doch ist, dass es dich gibt!

Ohne Verblendung .

danke
 

wiesner

Mitglied
ein gefälliges Kurzgedicht

in der Mitte überlege ich, das Du nach hinten zu stellen ...

Gruß v. Béla
 

Ubertas

Mitglied
Viele Grüße zurück Béla,
@wiesner ,

deinen Vorschlag, das Du nach hinten zu stellen, finde ich sehr gut und wirklich interessant. Ich habe heute sehr oft darüber nachgedacht, es umzuschreiben.
Mit einem "meine Sachen du" entsteht ein wesentlich größerer Kontrast zu den Sandsteintränen und es bringt auch mit dem gerade Festgestellten eine bessere Dynamik mit sich. Mehr Anklage, mehr Vokativ.
Mein Empfinden beim Schreiben dieses wahrlich sehr kurzen Gedichts war, mit "du meine Sachen" es als beiläufig hinzunehmen. Wobei das Durchwühlen persönlicher Dinge, egal ob materiell oder geistig, einen kaum wieder ausradierbaren Vertrauensbruch darstellen, der natürlich niemals beiläufig ist. Es als Konstante anzunehmen, ist die Wurzel sich selbst vergiftender Beziehungen (toxisch mag ich nicht so, es klingt so lethal in einer Zeit der Gegengifte).
So entsteht auch das Marmorlachen nicht spontan, es braucht viele Schnittwunden bis sich letztendlich Narben bilden und Versteinerung.
Ich mag deinen Gedankenansatz und danke dir für deine vielen Sterne, deine Zeit über meine Zeilen so intensiv nachzudenken und die darin verborgene, wunderbare Tatsache, dass es immer mehr als eine Lösung gibt :)

ubertas
 

revilo

Mitglied
sandsteintränen
durchwühlen
mein haar

du meine sachen

mit marmorlachen
liebt es sich
nicht mehr

grüß dich......zu deinem gedicht habe ich ein paar fragen: was ist mit sandsteintränen und marmorlachen gemeint?.....das sind ungewöhliche wortschöpfungen und weckt meine neugierde....... herzliche grüße von oliver......
 

fee_reloaded

Mitglied
Je öfter ich dein Gedicht lese, umso besser finde ich es, liebe Ubertas!

Das fängt schon beim Titel an - ein höchst gelungenes Wortspiel, das das Erstarren ob des Vertrauensbruchs schön verbildlicht und verdeutlicht.

sandsteintränen
durchwühlen
mein haar

du meine sachen

mit marmorlachen
liebt es sich
nicht mehr
Die Sandsteintränen gefallen auch mir besonders gut. Dabei denke ich auch an jene Phase des Weinens, wo eigentlich keine Tränen mehr vorhanden scheinen und es in den Augen reibt und sticht und alles wund ist. Es sind also schon viele, viele Tränen geflossen, - schon lange vor dem Durchwühlen wahrscheinlich.

Die Verhärtung, die sich im Marmorlachen abbildet, ist ein sehr starkes Bild....in dieser Beziehung ist der eine (aus Marmor) gefühllos, hart, erstarrt, während der andere - aus Sandstein - aufgerieben wird, bis an den "zeitum" Punkt. Die letzte Stellung vor dem Aus. Ein so intensiv wie gekonnt gemaltes Bild.

Ganz stark! Sehr gerne gelesen!

LG,
fee
 

Ubertas

Mitglied
Hallo @fee_reloaded, liebe Fee,

ich danke dir für deine Gedanken, die so differenziert genau das beschreiben, was es ist.
Danke für deine Worte. Sie freuen mich sehr!
So verstanden zu werden ist eine Seltenheit.

Liebe Grüße, ubertas
 

Ubertas

Mitglied
Lieber @revilo, lieber Oliver,

danke für deine Nachricht. Im Grunde haben die Menschen, die zuvor dazu gesprochen haben, es bereits wesentlich besser formuliert, als ich es jemals könnte.
Der Sandstein ist sehr wasserdurchlässig - oberflächlich betrachtet hinsichtlich des Gesteins. Unsere Tränen sind wasserdurchlässig. Der Name Sandstein verleitet vielleicht zur Annahme, er sei grundsätzlich weich, da man mit Sand gerne etwas weiches verbindet. Ist er aber nicht.
Marmor ist ein Kalkgestein. Und in den meisten vorkommenden Arten eher wasserundurchlässig. Wer jemals einen Marmorboden zu reinigen versucht hat, weiß, wie man ihm mit einfachen Mitteln zusetzen kann. Sein Glanz wird Stumpf. Auch er ist empfindlich
So kann beiden das Lachen vergehen.

Lieben Gruß, ubertas.
 



 
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