Zimtsterne

Als ich das erste Mal einen Zimtstern in der Hand hatte, war ich noch ein Kind, und Weihnachten war ein mäßig tolles Versprechen.
Obwohl mein Vater jedes Jahr aufs Neue hoffnungsfroh das Friedenslicht anschleppte, muss der Frieden zwischen Betlehem und unserem Christbaum wohl irgendwie verloren gegangen sein, denn nie wurde mehr gebrüllt, geheult und erniedrigt als unter der Tanne.
Es war wohl in jenem Jahr, als ich stocksteif drauf bestehen wollte, dass endlich mal ein richtiger Goldstern den Baum krönt, denn so kannte ich das aus dem Fernseher. Am Ende kam dann doch nur wieder dieses komische, zerbrechliche Spitzdings obendrauf.
Ich weiß nicht, wie sich der Zimtstern auf Omas Keksteller verirrt hatte.
Meine Oma jedenfalls hatte den sicher nicht gebacken, aber gut. Allein der Abwechslung wegen schmeckte mir der Zimtstern weit besser als ihre selbstgemachten Vanillekipferl und Linzer Augen.
Zumal das Vertrauen in die Kochkünste meiner Oma ehedem schon erheblich Schaden genommen hatte, wo sich doch einmal eine ihrer Nussnudeln auf dem Teller verselbständigt hatte und sich sehr lebendig kringelte, als wolle sie zurück kreuchen zu den anderen Maden, wieder rein in die Vorratsdose mit den gemahlenen Nüssen drin.



Als ich das erste Mal Zimtsterne backen wollte, wohnte ich noch daheim bei meinen Eltern.
An die Zubereitung erinnere ich mich nicht mehr, nur daran, dass schlussendlich kleine schwarzverkohlte Sternleichen aus dem Ofen kamen, die auch der Hund verschmähte und die bestimmt hochgradig krebserregend waren.
Aber der unberechenbare Gasherd meiner Mutter ist nie so wirklich mein Freund geworden.



Als ich mich das letzte Mal an die Zimtsternproduktion wagte, war ich bereits selbst Mutter.
Ich habe mich 1:1 an das idiotische Rezept gehalten, nur ist es mir immer noch unbegreiflich, wie man aus einer halbflüssigen Eiweißmasse Sterne ausstechen soll.
Klebrige fünfundvierzig Minuten lang habe ich den lieben Herrgott bildreich und lautmalerisch beleidigt.
Wohl muss das in jenem Jahr gewesen sein, als ich den Zimtwürfel erfand.
Zimtwürfel sind denkbar simpel in der Herstellung.
Dazu streicht man die klebrige Nussmasse einfach als Ganzes aufs Backblech, das steifgeschlagene Eiweiß obendrauf und das gebackene Ergebnis schneidet man schließlich in kleine Würfel.
Nachdem ich bei der Weihnachtsfeier wiederholt nach dem Rezept gefragt wurde, habe ich überlegt, mir den Zimtwürfel patentieren zu lassen.



In diesem Jahr habe ich mir geschworen, bloß keine Zimtsterne zu backen, ganz egal, wie viele tolle kinderleichte Anleitungen das Internet auch versprechen mag.
Für recht kleines Geld kann man die perfekten Zimtsterne kaufen, zu zwölft abgepackt in Cellophan. Schmelzend süß an der unschuldig weißen Oberfläche und samtig weich an der nussigen Basis.
Mal sehen.



Es war erst vorgestern, da habe ich mal wieder meine Schwägerin besucht.
Ich klingelte just in dem Moment an der Tür, als sie gerade dabei war, Zimtsterne ins Rohr zu schieben.
 



 
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