Zudringlichkeit eines grünen Wurms

GerRey

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Ich erwachte aus einem wüsten Traum mit einem langhaarigen Bikini-Girl, das einen Strohhut aufhatte, dessen Hutrand ausgefranst war; ein breites Lächeln weicher, rosiger Lippen, ein erwartungsvoller Blick, und vom erbsen-grünen Bikini tropfte es beständig nass und schleimig. Es war gegen halb zwei Uhr morgens; ich setzte meine Brille auf und schaltete das Tablet ein. Im aufflammenden elektronischen Licht, an das sich meine nachtschweren Augen erst gewöhnen mussten, las ich in Thomas Bernhards Roman “Frost”. Nach einer Weile, in der sich meine Gedanken geordnet hatten und sich in dem Roman quer zu beschäftigen begannen mit der Erwähnung des Verschwindens einer Metzgergehilfin, stand ich auf, um meine heutigen Fußballwetten im Online-Angebot auszuwählen. Während ich dasaß, kam mir in den Sinn, dass sie gestern an einigen Bäumen am Rand der Wiese gegenüber meinem Haus mit lärmenden Motorsägen gearbeitet hatten und einen Stapel Holz (zwei Häuser weiter weg von mir) hinterließen, der über Nacht liegen geblieben war, um wahrscheinlich irgendwann später - vielleicht nach genereller Beendigung der Ausholzungs-Arbeiten - die verstreuten Stapel auf einmal abzuholen. Da wollte ich vorher einige Äste klauen.
Ich hatte zwar noch einen ganzen Haufen Holz von meinem Nussbaum, den ich vorigen September ausdünnen ließ - aber der nächste Winter kam bestimmt, und das Holz musste lange trocknen, bevor man es im Kaminofen verfeuern konnte. Auch würde es nicht schaden, mich körperlich zu betätigen. Eine Kreissäge und eine Kettensäge - ein sogenanntes “Fichtenmoped” -, gab es unter meinen Werkzeugen, aber diese Arbeiten wollte ich mit einer Bügelsäge von Hand machen.
Also stand ich vom Wettprogramm auf, zog mich an, ging anschließend - ohne noch Frühstück und Dusche gehabt zu haben - nach draußen und sondierte die Lage. Der Himmel über mir war sternenklar, kalt war es auch nicht (da würde ich am Vormittag - wenn nicht doch noch Regen käme - sogar das Gras im Garten mähen können, das schon deutlich frühlingshaft hoch gesprossen war). Ich betrat die Gasse; wie üblich war es ruhig (es gab auch unter Tag kaum Verkehr). Der Stapel Baumholz lag am Wiesenrand, und ich musste über eine Wasserlache steigen, die vom Regen der vergangenen Tage geblieben war. Natürlich sank ich mit meinen Garten-Pantoffeln ins aufgeweichte Erdreich am Wiesenrand; das war im ersten Moment glitschig und ärgerlich - jedoch egal; ich fand etwa zehn gute Stücke in Arm- bis Oberschenkelstärke, die aus den Ästen einer Akazie stammten, und trug sie vereinzelt zu mir in die unbedachte Einfahrt, wo ich später, sobald der Morgen hell und fortgeschritten wäre, den Sägebock aufstellen wollte. Dann wischte ich mir die feinen Holzsplitter ab, die an meiner Hausjacke haften geblieben waren, und ging wieder ins Haus zurück zu meinem Wettprogramm. Als ich darin vertieft war, gewahrte ich im Augenwinkel, wie sich etwas Helles auf dem schwarzen Grund am Oberärmel meiner Hausjacke bewegte. Es war ein etwa zwei Zentimeter langer, dünner grüner Wurm. Er arbeitete sich zügig in Richtung meiner Wange hoch.
Wollte er mich küssen - oder was?
Da aus dem Verhältnis nichts werden konnte, schnappte ich mir den Wurm zwischen Daumen und Zeigefinger, trat an die Eingangstür, öffnete sie und warf ihn in die Nacht hinaus.
“Komme erst wieder”, rief ich ihm nach, “wenn du einen Bikini und einen Sonnenhut trägst!”
 

GerRey

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Du gräbst aber tief ... konnte mich im ersten Moment gar nicht an den Text erinnern ... Oder war das der Schreck, ein Feedback bekommen zu haben???

Gewisse archaisch-mythische Grundzüge lassen sich nicht abstreiten. Leider kehrte der Wurm nicht wieder - das Bikini-Girl allerdings auch nicht!

Gruß
GerRey
 

aliceg

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Du gräbst aber tief ... konnte mich im ersten Moment gar nicht an den Text erinnern ... Oder war das der Schreck, ein Feedback bekommen zu haben???

Gewisse archaisch-mythische Grundzüge lassen sich nicht abstreiten. Leider kehrte der Wurm nicht wieder - das Bikini-Girl allerdings auch nicht!

Gruß
GerRey
na so ein doppeltes Pech - aber Geduld ist eine göttliche Tugend ...
 



 
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