Lieber Karl
Dem ersten Anschein nach ein Herbstgedicht im jahreszeitlichen Sinne.
Beim näheren Hinsehen kommt es mir mehr wie eine Lebensbetrachtung vor:
Der Teich (das Leben der beiden) ist windstill (ohne größeren Aufregungen) im Spätsommer (gerade eben Rentenalter, ohne schon richtig alt zu sein)
Enten (könnten Verwandte oder Freunde sein, jedenfalls welche, die noch auf dem Teich, also voll im Leben sind) stimmen Trauergesänge an (realisieren, daß das Paar jetzt alt wird)
Die Schwalben (kommen im Frühling des Lebens, bleiben den Sommer und ziehen am Ende des Lebenssommers ihre eigenen Wege = Kinder) fangen Mücken (strengen sich an, sich selbst zu versorgen)
Die ersten laublosen Äste (erste Zipperlein) beherbergen Krähen (erinnern an die eigene Endlichkeit)
der weiße Schleier der Nebelzeit (die irgendwann bevorstehende Altersschrulligkeit, vielleicht Furcht vor Demenz)
Und schließlich das alte Paar das sich flüsternd (kann man es wagen?) nach der Zukunft fragt (wie genießen wir unsere alten Tage, bevor die Zwielichtzeit kommt, in der entweder der Geist oder der Körper aufgibt und das Ende einläutet)
Liege ich halbwegs richtig, oder bin ich davon galoppiert?
Eine schöne Mischung zwischen goldener Zeit und Vergänglichkeitswehmut, ohne kitschig zu sein. Auch ein wenig beklemmend. Schnörkellose, einfühlsam schwebende Sprache. Ein Gedicht zum heraus kopieren
Liebe Grüße
Thylda