Zum 50. Geburtstag
oder:
Der aufhaltsame Aufstieg eines linken Intellektuellen
(überarbeitet)
Du bist auf die Welt gekommen
in ’nem kleinen Bauernnest,
fünfzig Jahre ist’s nun her –
heut’ ist dein Geburtstagsfest.
Vater war Fabrikarbeiter
in der nahen, großen Stadt,
drei Geschwister - gut behütet,
aber leider selten satt.
Eisern sparen - hieß es damals,
es war eine harte Zeit.
Doch du durftest aufs Gymnasium,
denn du warst ja blitzgescheit.
Braver Schüler, gute Noten -
so bis siebzehn, dann nicht mehr,
denn nun gab es and're Ziele -
die Revolution musst’ her.
Trotzdem wolltest du es wagen:
Auf die Uni zum Studieren!
Doch die Eltern sagten: „Sowas
können wir nicht finanzieren.“
Also hast du in den Nächten
Drinks in einer Bar serviert
und am Tag dann mit den Freunden
über Lenin diskutiert.
Und das Studium hat gedauert,
und es kostete viel Kraft,
doch mit Starrsinn und mit Ehrgeiz
hast du’s schließlich doch geschafft.
Deinen guten Studienabschluss
sah der Personalchef gern.
So begann dein steiler Aufstieg
in "nem namhaften Konzern.
Keine Rede mehr von Lenin!
Die Revolution war out,
denn nun wurde auch der Osten
marktwirtschaftlich aufgebaut.
Deine Freundin wurde schwanger,
drum zum Standesamt geschwind!
Auch die Gattin wollt’ Karriere,
darum blieb’s ein Einzelkind.
Das Gehalt, es stieg nun jährlich,
aber auch der Arbeitsfrust.
Stress und Burnout, sie zerstörten
die Gesundheit und die Lust.
Eine Deadline jagt’ die andre,
und nach all dem Leistungsdruck
half, wenn du am Abend heimkamst,
nur noch ein Beruhigungsschluck.
Trotzdem hast du durchgehalten,
jahrelang kein Krankenstand,
bis bei einer Abbauwelle
man dich auf der Liste fand.
Ja, nun hat es dich erwischt
bei ’ner Firmenfusion,
bist zu alt für ’n Arbeitsmarkt
und zu jung für die Pension.
Gib nicht auf! Du hast Talente,
nütze sie und mach was draus!
Scheiß auf alle Großkonzerne!
Alles Gute, altes Haus!
oder:
Der aufhaltsame Aufstieg eines linken Intellektuellen
(überarbeitet)
Du bist auf die Welt gekommen
in ’nem kleinen Bauernnest,
fünfzig Jahre ist’s nun her –
heut’ ist dein Geburtstagsfest.
Vater war Fabrikarbeiter
in der nahen, großen Stadt,
drei Geschwister - gut behütet,
aber leider selten satt.
Eisern sparen - hieß es damals,
es war eine harte Zeit.
Doch du durftest aufs Gymnasium,
denn du warst ja blitzgescheit.
Braver Schüler, gute Noten -
so bis siebzehn, dann nicht mehr,
denn nun gab es and're Ziele -
die Revolution musst’ her.
Trotzdem wolltest du es wagen:
Auf die Uni zum Studieren!
Doch die Eltern sagten: „Sowas
können wir nicht finanzieren.“
Also hast du in den Nächten
Drinks in einer Bar serviert
und am Tag dann mit den Freunden
über Lenin diskutiert.
Und das Studium hat gedauert,
und es kostete viel Kraft,
doch mit Starrsinn und mit Ehrgeiz
hast du’s schließlich doch geschafft.
Deinen guten Studienabschluss
sah der Personalchef gern.
So begann dein steiler Aufstieg
in "nem namhaften Konzern.
Keine Rede mehr von Lenin!
Die Revolution war out,
denn nun wurde auch der Osten
marktwirtschaftlich aufgebaut.
Deine Freundin wurde schwanger,
drum zum Standesamt geschwind!
Auch die Gattin wollt’ Karriere,
darum blieb’s ein Einzelkind.
Das Gehalt, es stieg nun jährlich,
aber auch der Arbeitsfrust.
Stress und Burnout, sie zerstörten
die Gesundheit und die Lust.
Eine Deadline jagt’ die andre,
und nach all dem Leistungsdruck
half, wenn du am Abend heimkamst,
nur noch ein Beruhigungsschluck.
Trotzdem hast du durchgehalten,
jahrelang kein Krankenstand,
bis bei einer Abbauwelle
man dich auf der Liste fand.
Ja, nun hat es dich erwischt
bei ’ner Firmenfusion,
bist zu alt für ’n Arbeitsmarkt
und zu jung für die Pension.
Gib nicht auf! Du hast Talente,
nütze sie und mach was draus!
Scheiß auf alle Großkonzerne!
Alles Gute, altes Haus!