Zum Verbleib

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Aufschreiber

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Es ist wieder Mittwoch. Dieter Schwickel, der EU-Rentner aus dem kleinen Dorf im Rheinland sitzt in der Kn... - im Restaurant, vor einer Karaffe des billigen, aber nicht unleckeren Hausweins, den Ronny, der Wirt, hier anbietet. Der Wein ist teurer als Bier, aber dafür hat er auch zwölf Prozent Alkohol. Da braucht der Dieter nicht so viel, um diesen gemütlichen Füllstand zu erreichen, der für ihn den Mittwochabend ausmacht.

An der Wand neben dem Tresen hängt ein Schild, auf dem steht: "Kein Wein für Aliens!" - Das klingt ein bisschen nach Kampfmotto oder Wahlkampf-Spruch, ist es aber nicht, sondern nur die Erinnerung daran, dass manche Aliens nach Weingenuss ... zerplatzen, in siebenundsechzig kleine Aliens, die alle betteln: "Hallo, ich bin Grijkshnak, können Sie mir eine Unterkunft ..."

Nun sind sie verschwunden, die Siebenundsechzig, anscheinend alle innerhalb eines Augenzwinkerns. Dieter findet das jetzt, nach der dritten Karaffe, ziemlich schade, denn das Ur-Grijkshnak, das hat ja bei ihm daheim gewohnt. Und es war trotz aller grünen Glibberigkeit ein ziemlich angenehmes Mitbewohner-Dingens gewesen. Der Dieter hat das bisher niemandem erzählt, aber Grijkshnak, das war ... nützlich.
Keiner hat ihn je gefragt, wie er das Ding denn füttere. Die Antwort wäre sicher eine Überraschung gewesen, denn er ernährte das Grijkshnak ...
Dieter nimmt einen tiefen Schluck.
... Abfall.
JA! - Diese Aliens, so hat ihm Grijkshnak erzählt, sind es gewohnt, auf ihrem Planeten keinen Müll zu haben, weil sie einfach alles verdauen und dann das so genannte "BrrmKeln" ausscheiden, das als Rohstoff für alles Mögliche dienen kann. Die Eigenschaften dieses Wundermaterials variieren, jenachdem, was das Grijkshnak zum Abendessen (wer weiß, ob die diese Mahlzeiten-Organisation haben) verdaut hat.
Das ist ungeheuer praktisch, denn wenn die Aliens Strom brauchen, dann fressen sie einfach alte Batterien und ... *ZACK*, erzeugt das "BrrmKeln" Elektroenergie!

Dieter guckt wehmütig auf den Tisch vor sich.
"Noch einen?", fragt Elke, dem Wirt Ronny seine Liebste, die sonst immer (sehr lecker und preiswert) kocht, heute aber bedient, weil der Gesangsverein seine Jahres-Haupt-Versammlung hat und die Jungs ziemlich ausgiebig ... konsumieren. Da wird es für Ronny allein dann schon schwierig, Bier zu zapfen, Schnaps auszuschenken und sogar noch Cocktails zu mischen, die er dann alsbald serviert.
Dieter zieht sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und öffnet es. Er tut so, als müsse er die größeren Scheine beiseite schieben, um die kleineren zu kontrollieren.
Elke grinst schief, denn sie weiß, dass da keine "Größeren" sind.
"Ja, bitte!", sagt Dieter laut und deutlich, damit man hören kann, dass er sich noch eine vierte Karaffe von dem Hauswein leisten kann.

Es dauert nicht lange, bis Elke mit dem Wein angeeilt kommt. "Prompter Service", das steht auf dem Schild, draußen am Eingang. Das hat Elke gemalt, genauso, wie das Schild mit den Aliens, die eben keinen ...
Dieter gießt sich ein.
Inzwischen ist der Gesangverein nicht nur vollzählig, sondern auch gut bei Laune. Man merkt das daran, dass die Lieder, die die "Rasselbande" (denkt Dieter) anstimmt, langsam eine schlüpfrigere Konsistenz angenommen haben. "... Oh, Susanna, du hast am Ar ..." vernimmt Dieter, der nun auch langsam die "Mittwochs-Stimmung" erreicht hat.
Er kann nicht singen, brummelt aber weinselig mit, als der Verein sich musikalisch an "Fortuna" wendet, an deren "Busen" man zu "schmusen" wünscht.

Eine halbe Stunde später ist die Karaffe leer. Dieter überreicht mit großer Geste der Elke den Geldschein, der bis eben ein einsames Dasein in der Geldbörse gefristet hat.
"Schdimmt sso."
"Danke!", erwidert die Frau lächelnd und hilft ihm in seine Strickjacke. "Komm gut heim!"
Sie bringt ihn zur Tür und achtet darauf, dass er die drei Stufen am Eingang unbeschädigt überwindet.
"Bisss dann!"
Elke winkt.
Das ist Teil des Mittwochs-Rituals.

Nun kommt der Heimweg. Er ist nicht sehr lang, der Heimweg, aber immerhin lang genug, um dem Dieter Zeit zum Sinnieren zu geben.
'Schade', denkt er, durch den Nebel des Hausweins hindurch, 'Sonst war das Grijkshnak mit dabei'.
An der immerwährenden Pfütze auf dem Weg durch den Park hält er inne und steht schwankend vor dem Gewässer.
Hier hat er sich damals rein gesetzt, vor Entsetzen, als das Grijkshnak ihn einfach angequatscht hat.
In seinem Kopf blubbert es: "Guten Tag, Herr Mensch, ich bin Grijkshnak und habe keine Unterkunft. Können Sie mir helfen?"
Und "PLATSCH" - hat er in der Pfütze gesessen und gemurmelt: "Scheißendreck! Ich hab das Delirium! Jetzt iss alle!"
Er muss kichern, als er sich die Szene wieder vor Augen führt. Aber dann kommt die Trauer, weil das Alien, das er damals noch für männlich gehalten hat, einfach verschwunden ist, ganz ohne Ankündigung oder auch nur ein "Tschüss".
Der Dieter gibt sich einen Ruck, der weinbedingt zu kräftig ausfällt und ihn beinahe zu Fall bringt. Weiter geht's, nach Hause.

Dort angekommen knipst er sich das funzlige Licht an, das ihm im Flur eine Orientierung ermöglicht. In der Leuchte ist noch immer eine althergebrachte Glühlampe.
Dieter hält inne und wünscht sich, er könne auch "BrrmKeln" kacken. Könnte er das, würde er sofort die funzlige Glühlampe fressen! Mit einiger Mühe entledigt er sich der Schuhe, hängt mühsam die Jacke auf und wankt in die kleine Küche, die an den Flur grenzt. Hier gibt es eine LED-Beleuchtung, die ihm Konrad, der Besitzer des Elektroladens im Nachbarort, letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hat. War wohl eine Reklamation gewesen - oder so.
Dieter nimmt sich ein kleines Scheibchen von der Blutwurst aus dem Kühlschrank, puhlt die Pelle ab und isst. - Die Pelle fällt auf den Boden.

Wie er so kaut, scheint sich am Boden etwas zu rühren. Mit einem Ruck dreht er den Kopf ...
"He!", ruft er, als er erkennt, was da passiert.
"GRIJKSHNAK!"
Das kleine Glibberding, das eben die Wurstpelle verdaut, richtet sich zu ganzer Größe auf - etwa sieben Zentimeter.
"Guten Abend, Herr Mensch! Ich bin Grijkshnak und hoffe, Sie werden mich beherbergen. Man hat mich hierher versetzt ... zum Verbleib."

Dieters Augen werden feucht. Er springt (so gut das eben klappt, wegen des Weins) auf und eilt zum Kühlschrank. Dort greift er sich die letzte Blutwurst-Scheibe, entfernt die Pelle und schmeißt sie dem Ding hin, ehe er selbst die Wurst isst.
"Hier!", sagt er sanft, "Als Willkommensgeschenk!"
 
Zuletzt bearbeitet:

Hagen

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Hallo Steffen,
Da kann ich mich, ohne lange zu schreiben, einfach mal meinen 'Vorrednern' anschließen.
Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter!
Herzlichst
Yours Hagen
___________________
Wenn Du ein 'Licht am Ende des Tunnels' siehst und diesem zustrebst,
wirst Du - nachdem eine Rückkehr unmöglich ist - feststellen,
dass es sich um den Scheinwerfer eines nahenden D-Zuges handelt.

Merke: In Eisenbahntunnels sind selten Notfallbuchten vorgesehen!
 
Hallo Aufschreiber,

ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Du hast eine angenehme Art zu schreiben. Flüssig, spannend.

Ein paar Dinge habe ich mir notiert.

Dieter Schwickel, der EU-Rentner aus dem kleinen Dorf im Rheinland
Warum "der" (bestimmte) Rentner? Müsste es nicht "ein" Rentner heißen? Bisher wurde er ja noch nicht erwähnt.

Da braucht der Dieter nicht so viel, um diesen gemütlichen Füllstand zu erreichen, der für ihn den Mittwochabend ausmacht.
Hehe.

An der Wand neben dem Tresen hängt ein Schild, auf dem steht: "Kein Wein für Aliens!"
Ah, jetzt kommt SF ins Spiel!

das Ur-Grijkshnak, das hat ja bei ihm daheim gewohnt.
Der Dieter hat das bisher niemandem erzählt, aber Grijkshnak, das war ... nützlich.
Keiner hat ihn je gefragt, wie er das Ding denn füttere.
Warum sollte auch jemand gefragt haben, wie er es füttert, wenn keiner weiß, dass es bei ihm gewohnt hat?

JA! - Diese Aliens, so hat ihm Grijkshnak erzählt, sind es gewohnt, auf ihrem Planeten keinen Müll zu haben, weil sie einfach alles verdauen und dann das so genannte "BrrmKeln" ausscheiden, das als Rohstoff für alles Mögliche dienen kann. Die Eigenschaften dieses Wundermaterials variieren, jenachdem, was das Grijkshnak zum Abendessen (wer weiß, ob die diese Mahlzeiten-Organisation haben) verdaut hat.
Schöne Idee.

Da wird es für Ronny allein dann schon schwierig, Bier zu zapfen, Schnaps auszuschenken und sogar noch Cocktails zu mischen, die er dann alsbald serviert.
"alsbald ausschenkt" --> Wofür diese Info? Was soll er sonst mit den Cocktails machen?

Es dauert nicht lange, bis Elke mit dem Wein angeeilt kommt. "Prompter Service", das steht auf dem Schild,
Die Schild-Aufschrift würde ich kursiv darstellen. So, sofort nach Erwähnung von Elke dachte ich, da käme eine wörtliche Rede von ihr.

Dieter nimmt sich ein kleines Scheibchen von der Blutwurst aus dem Kühlschrank, puhlt die Pelle ab und isst. - Die Pelle fällt auf den Boden.
Wofür der Bindestrich?

richtet sich zu ganzer Größe auf - etwa sieben Zentimeter.
Halbgeviertstrich anstatt Minuszeichen.

Blutwurst-Scheibe
Ich denke, ein Wort ist üblicher. (Ähnlich Käsescheibe.)

"Hier!", sagt er sanft, "Als Willkommensgeschenk!"
sanft, "als

Beim Lesen hatte ich mir zuerst gewünscht, dass die bisherigen Erlebnisse mit dem Alien nicht als Rückblende nacherzählt, sondern live gezeigt werden ("Show, don't tell"). Doch am Ende passt es dann sehr gut, da das Alien ja noch in Erscheinung tritt.

Schönen Sonntag.
LG, Franklyn
 



 
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