Zuspruch (Sonett)

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen

anbas

Mitglied
Zuspruch

Ein wenig Mut würd' ich dir gerne geben
und außerdem noch etwas Zuversicht.
Für deinen weit'ren Weg ein kleines Licht,
das dich zurückbegleitet hin zum Leben.

Denn deine Welt geriet aus ihren Bahnen.
Das Schicksal hat dich einfach überrollt.
An dir lag's nicht, du hast es nicht gewollt.
Dir wird's zu viel, kannst keinen Ausweg planen.

So viele Kämpfe hast du schon bestritten,
spürst nun das nahe Ende deiner Kraft.

Halt ein, um neue Energie zu tanken,
sowie den Stärken, die du hast, zu danken!
Plan deinen weit'ren Weg mit kleinen Schritten.
Und denk daran: Du hast schon viel geschafft!
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Lieber anbas,

deine klaren, wohlformulierten Gedichte zu lesen ist für mich eine Wohltat, geradezu eine Erholung! :)

Dieses Sonett macht davon keine Ausnahme. Man merkt sofort, dass du überlegt und gefeilt hast. Hier hast du dir auch ein sehr gutes lyrisches Thema gesucht: Die Zusprache, um einen Gestrauchelten, vom Schicksalsschlag Getroffenen innerlich wieder aufzurichten.

Ich denke, dass ein Sonett dafür eine geeignete Form darstellt, sofern es darin gelingt, den Kurs der Zusprache überzeugend zu runden und passend zu enden. So kommt das erste Quartett dazu mit Gaben des LyrIchs, in Q2 wird das LyrDu von Selbstvorwürfen entlastet, abschließend folgt ein Appell an das Selbstvertrauen und zum Schluss ein gutgemeinter Rat.

Damit ist tatsächlich ein typischer Zuspruch umfasst, geradezu ein Zuspruchsparadigma umrissen, wenn da nicht zugleich Begriffswendungen auftauchten, die eine ganz andere Sprache sprechen:

wenig Mut ... etwas Zuversicht ... ein kleines Licht ... aus ihren Bahnen ... einfach überrollt ... nicht gewollt ... keinen Ausweg planen ...
bestritten ... spürst nun das nahe Ende deiner Kraft ... halt ein, um ... zu tanken, ... zu danken ... kleinen Schritten ... geschafft!


Natürlich ist es nicht statthaft, Worte aus dem Zusammenhang und hier sogar aus ihrer Negation zu reißen. Aber ich will auch keine Aussagen belegen, sondern auf einen Subtext hinweisen, der - möglicherweise unbeabsichtigt - hinter der zusprechenden Oberfläche verborgen bleibt, als ein schwaches Echo aber dennoch mitklingt. Wäre doch eine Überlegung wert, wie ich finde.

Gern kommentiert :)
Liebe Grüße
JB

P.S.

Sollte sufnus sich hier zeigen, wird es wohl kaum ganz ohne Klapperitis-Bemerkungen abgehen. Denn auch hier sind wieder nahezu alle Versauftakte einsilbige Wörter: ein, und, für, das, denn, das, an, dir, so, spürst, halt, sowie, Plan, und .
Und ausgerechnet das einzige Zweisilberlein "sowie" gleicht auch noch dem "so_wie"! Sowas, sowas, so was ... ;) ;) ;)
 

anbas

Mitglied
Lieber James,

etwas spät, aber trotzdem von Herzen kommt mein Dank für Deine Rückmeldung - sowohl für dieses Sonett als auch für Deinen lobenden "Rundumschlag" ;) hinsichtlich meiner Reimgedichte.

Lediglich Deinen Gedanken zum Subtext kann ich nicht so ganz folgen - ich kapiere es irgendwie nicht so richtig :oops:.

Liebe Grüße

Andreas
 

fee_reloaded

Mitglied
Ein schönes Sonett, lieber Andreas!

Ich mag es, wie deine geradlinige, klare Sprache von der Form gehöht wird und umgekehrt.

Ein wenig Mut würd' ich dir gerne geben
und außerdem noch etwas Zuversicht.
Für deinen weit'ren Weg ein kleines Licht,
das dich zurückbegleitet hin zum Leben.
Und dass trotz der strengen Form unendlich viel Wärme und Zugewandtheit die Zeilen durchdringen, mag ich noch mehr!
Sehr gelungen - formal wie inhaltlich!

Liebe Grüße,
Claudia
 

anbas

Mitglied
Hallo Claudia,

vielen Dank für Deine Rückmeldung und den Sternenregen :).

Sowohl Deine Rückmeldung als auch die von James zeigen mir, dass ich meine Idee wirklich so umsetzen konnte, wie ich es mir vorgenommen hatte.



Hallo James,

Danke für die aufmunternden Worte. Wäre trotzdem schön, wenn Du mir bei Gelegenheit erklärst, was Du damit meinst ;).



Liebe Grüße an Euch beide

Andreas
 

James Blond

Mitglied
Hallo James,

Danke für die aufmunternden Worte. Wäre trotzdem schön, wenn Du mir bei Gelegenheit erklärst, was Du damit meinst ;).
Ich denke, dass das Verständnis vom Subtext dafür die entscheidende Rolle spielt. Darunter versteht man eine versteckte oder indirekte Aussage, die sich unter der Oberfläche eines Textes verbirgt. In deinem Gedicht "Zusprache" (gemeint ist hier eigentlich "Zuspruch") geht es explizit um Trost und Ermutigung einer Person. Das ist seine Aussage.

Der Subtext fragt, ob darunter noch eine andere Schicht liegt. So ist mir beim wiederholten Lesen aufgefallen, das sich die Verse vor allem um den seelischen Tiefpunkt drehen, aus dem es herauszukommen gilt ...

Für deinen weit'ren Weg ein kleines Licht,
das dich zurückbegleitet hin zum Leben.

Denn deine Welt geriet aus ihren Bahnen.
Das Schicksal hat dich einfach überrollt.
An dir lag's nicht, du hast es nicht gewollt.
Dir wird's zu viel, kannst keinen Ausweg planen.

So viele Kämpfe hast du schon bestritten,
spürst nun das nahe Ende deiner Kraft.


... während der abschließende Appell sich fast schon wie eine Bremse anhört:

Halt ein, um neue Energie zu tanken,
sowie den Stärken, die du hast, zu danken!
Plan deinen weit'ren Weg mit kleinen Schritten.



Interessant ist, dass dem verständnisvollen Rückblick ins Desaster recht viel Platz eingeräumt wird, wohingegen die Ermutigung ...

Und denk daran: Du hast schon viel geschafft!

... recht knapp ausfällt. Dadurch gewinnt m. E. die Empathie des LyrIchs mit dem Leidenden die Oberhand über den Vorsatz, dem Angesprochenen neuen Mut zuzusprechen, was ich mit dem Hinweis auf den Subtext andeuten wollte.

Ich hoffe, ich habe mich nun etwas klarer ausgedrückt.

Liebe Grüße
JB
 

anbas

Mitglied
Moin James,

vielen Dank für die Erläuterung. Damit kann ich etwas anfangen (nebenbei: Den Titel werde ich in "Zuspruch" ändern - da haben wohl gerade ein paar Synapsen in meinem Hirn eine Pause eingelegt ...:rolleyes:).

Ich finde es tatsächlich überlegenswert, was Du da rückmeldest. Besteht Zupruch nur aus dem, was inhaltlich geasgt wird? Kann Zuspruch auch sein, wenn man jemanden emotional "abholt" und zeigt, dass man mitfühlt (nicht mitleidet!)? Braucht jeder Mensch eine andere Form des Zuspruchs, die ihm hilft? Kann "Zuspruch" auch sein, wenn man bei einem Problem tatkräftig mit anpackt und nicht "nur" redet, zuhört und eventuell den anderen in den Arm nimmt? Hat jeder Mensch vielleicht auch seine eigenen Stärken, wie er am besten Zuspruch geben kann?

Viel Gedankenstoff - zu viel, um alles in ein Sonett zu packen.

Hab mir wirklich gerne über Deine Erläuterungen Gedanken gemacht.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
Oben Unten