Zwei Brüder, eine Wirtin und eine Moral

Claus Thor

Mitglied
Dichten üben:
Zwei Brüder, eine Wirtin und eine Moral

Zwei Brüder saßen in Leipe (ist ein Dorf im Spreewald)
In einer dörflichen Kneipe
Dort tranken sie ihr Bier
Tagtäglich bis um Vier

Dies machten sie nicht immer
Erst seit ein Frauenzimmer
Als Wirtin dort bewirtet
Mit ihnen hat geflirtet

So kam, das von Bru- zuBruder
Alles lief nun aus dem Ruder
Was früher galt als brüderlich
War ihnen nur noch widerlich

Getrennte Wege gehen Beide
Einer den Weg, der Andre die Weide
Die Moral von der Geschicht‘
S‘ gibt wichtigeres als dies Gedicht

„Eine wichtige Frage für mich ist: wie stets mit dem Metrum?“
 

Trasla

Mitglied
Ein wenig irritiert, dass der Anfang sehr nach Limerick klingt, und man dann im Kopf in der Form steckt, wodurch ich etwas holpere, obwohl der Vers korrekt ist.

bewirtet und geflirtet reimen sich nicht.

Strophe drei und vier klingen gezwungen und nicht so flüssig wie die vorherigen, insbesondere in der letzten stimmen Silbenzahlen und Betonungen nicht mehr. Brüderlich und widerlich ist nur unecht gereimt.

Gedankenspiel:

Zwei Brüder saßen in Leipe
Tagein, tagaus bis um vier
In einer dörflichen Kneipe
Soffen die beiden ihr Bier

Das taten sie aber nicht immer
Erst seit einer Flirterei
Mit der Wirtin, dem Frauenzimmer
Trinken dort täglich die zwei

So kam es, dass traurigerweise
Die Brüder sich arg zerstritten
Sie gingen getrennt auf die Reise
Des Mannes Verderben sind Frauen!
 

HajoBe

Mitglied
Hallo Claus,
die Idee deines Gedichtes finde ich gut, aber...die Metrik. Da holpert es doch etwas.
Die letzten zwei Sätze würde ich streichen.
Und im Präsens klingt es eingängiger.
Mein Vorschlag:
Zwei Brüder sitzen in Leipe
in ihrer dörflichen Kneipe
und trinken dort Bier
bis täglich um Vier.

Dies machten sie nicht immer.
Erst als ein Frauenzimmer
sie täglich bewirtet
wird heftig geflirtet.

Das Verhältnis von Bruder zu Bruder
lief folglich rasch aus dem Ruder.
Jetzt gilt für die Beiden
die Kneipe zu meiden.

So verdichtet und gekürzt wird ebenso Alles gesagt und dem Leser wird überlassen, was er sich vorstellt.

Nur ein Vorschlag.
Lieben Gruß
HajoBe
 

Claus Thor

Mitglied
Hallo HajoBe,
genau das möchte ich können, was du aus dem Gedicht gemacht hast. Du behältst meinen Kontext bei, auch der Strophenaufbau bleibt erhalten, aber metrisch – glaube ich, denn erkennen kann ich so was noch nicht, und straffst das Ganze. Ich werde versuchen die beiden Versionen zu analysieren. Ich hab grad 2 Gedichte in der Schreibklinik, weil ich das mit der Metrik lernen möchte. Schau doch mal vorbei.
Vielen Dank und einen freundlichen Gruß
Claus
 

Claus Thor

Mitglied
HajoBe, kannst du bitte deinen Text und vielleicht auch meinen mit diesen betont-und unbetonten Silbenzeichen unterlegen? So diese Xx Xx … Sache. Ich versuch es auch mal, brauche drum vergleiche.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich möchte Trasla widersprechen, "bewirtet" und "geflirtet" reimen sich, es ist sogar ein sauberer Reim. Die Betonung liegt auf "irt", und die unbetonte Silbe am Wortanfang spielt keine Rolle.

"Brüderlich" und "widerlich" ist aber tatsächlich ein unreiner Reim, da hat sie recht. Man kann ihn allerdings akzeptieren. In regionaler Umgangssprache ist er sogar rein ... also in einigen Gegenden.

Zur Frage selbst:

Die Überschift ist:
Dichten üben:
Zwei Brüder, eine Wirtin und eine Moral
Also üben zwei Brüder, eine Wirtin und eine Moral das Dichten. Das macht neugierig, es wird wahrscheinlich ein absurdes Gedicht.
Zwei Brüder saßen in Leipe
In einer dörflichen Kneipe
Dort tranken sie ihr Bier
Tagtäglich bis um Vier
Diese Strophe gibt das Versmaß vor.
Wir haben ein unregelmäßiges Versmaß mit jeweils drei Hauptbetonungen mit Daktylen in den ersten Versen und Jamben in den letzten.

Dies machten sie nicht immer
Erst seit ein Frauenzimmer
Als Wirtin dort bewirtet
Mit ihnen hat geflirtet
Das führt das unregelmäßige Versmaß nicht direkt fort, sondern verwendet ein jambisches Versmaß. Man kann es aber als Extrem des Unregelmäßigen auffassen.
So kam, das von Bru- zu Bruder
Alles lief nun aus dem Ruder
Was früher galt als brüderlich
War ihnen nur noch widerlich
Wieder anders gestaltet.
Getrennte Wege gehen beide
Einer den Weg, der andre die Weide
Die Moral von der Geschicht‘
S‘ gibt wichtigeres als dies Gedicht
Und wieder anders ...

Das durchgehende Prinzip ist hier Unregelmäßigkeit bei je drei jeweils sehr unterschiedlichen Versfüßen

Es erfordert sehr sorgfältiges Rezitieren, sonst klingt es nicht.

Ein wichtigeres Problem: Mir erschließt sich die Logik nicht, ich habe das Gefühl, der "rote Faden" stimme nicht.

Wenn sie täglich gemeinsam dort trinken, gehen sie nicht getrennte Wege. Hier stimmt der Textzusammenhang nicht.

Behebbar ist durch Verwendung von Partikeln, die die Strophen besser abgrenzen:

Getrennte Wege gehn heut' beide ...

Bei den letzten beiden Strophen gebe ich Trasla völlig recht, sie klingen nicht mehr so flüssig.
 

Trasla

Mitglied
Bewirtet und geflirtet ist schriftlich sauber, aber gesprochen wird zumindest hier eher geflörtet. (bin btw ein Kerl )
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Nach Traslas Hinweis zur Aussprache fühlte ich mich verunsichert und habe im Duden nachgesehen.
Er hat recht, bei der "normalen", hauptsächlich verwendeten Aussprache ist es kein reiner Reim.
Wie es bei Anfragen an den Duden oft der Fall ist, ist aber auch die Aussprache als reiner Reim (mit "i") Korrekt, und die andere, die ich natürlich auch kenne, hätte ich hier nicht verwendet - eben wegen des Reimes.

Der Duden gibt drei Aussprachen an:
http://www.duden.de/rechtschreibung/flirten
[ˈflœrtn̩]  , [ˈfløːɐ̯tn̩]  , auch: [ˈflɪrtn̩] 
also ungefähr "flört'n", "flöat'n" und auch "flirt'n"
 

Claus Thor

Mitglied
Zwei Brüder, eine Wirtin und eine Moral

Zwei Brüder sitzen in Leipe
in einer dörflichen Kneipe
und trinken ihr Bier
tagtäglich bis Vier

Dies machten sie nicht immer
Doch seit ein Frauenzimmer
sie täglich bewirtet
wird heftig geflirtet

So kam, das von Bruder zu Bruder
es folglich lief rasch aus dem Ruder
Jetzt gilt für die Beiden
die Kneipe zu meiden
 

Claus Thor

Mitglied
Vielen Dank für die Unterstützung Leute, besonderen Dank an HajoBe, ich hab deine Ideen aufgegriffen. Ich hoffe, dass das Gedicht nun fertig ist und die Schreibwerkstatt verlassen kann.
 



 
Oben Unten