zwei koan

G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]zwei koan


ich hab dem kleinen ali geholfen
verteidigte ihn vor dem oberlehrer
der warf mein papier knäul in den wolf
er meinte ich zielte zu hoch

der junge für dessen idee ich mich
zum affen gemacht kam in unsere straße
und schmiß meinem nachbarn die scheiben ein
er zielte nicht hoch genug

der hat sich geschämt weil ich ihn gelobt hab
mir heim zu zahlen gab er die fünf
sich selbst mit der eigenen hand traf nicht
den mond nein zielte vorbei

der lehrer warf den stab in die mitte
und sprach das ist kein stab
der kleine stand auf und griff das teil
und brach das ist kein stab
 

Tula

Mitglied
Hallo mondnein

nun habe ich mich belesen, was 'koan' angeht. Warum das hier zwei sind, verstehe ich nicht, verstehe aber, dass du uns hier im Zweifel stehen lassen willst, denn das sollte Teil der Absicht sein. Jedenfalls hat der kleine Ali den Oberlehrer in seiner absurden Behauptung widerlegt.

Ein Hinweis auch auf dein Pseudonym ?

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"Klatsche mit einer Hand!"

In dem Gedicht stecken die beiden berühmtesten Koan:
1. "Klatsche mit einer Hand", und
2. "Der Abt wirft seinen Abtstab in die Mitte und sagt: Das ist kein Stab. Einer der jungen Mönche greift den Stab, zerbricht ihn und erlangt dadurch unmittelbare Erleuchtung."

Der erste Koan besteht (nur) in der Aufgabenstellung; der zweite gibt eine faktische Lösung der Aufgabe.

Ob der "Ali" dieses Gedichts tatsächlich die Aufgaben gelöst hat, ist offen. Er klatscht mit einer Hand, aber das kann auch schlicht bedeuten, daß er im kommunikativen Akt des Giving Five danebenhaut wie der Spastiker in dem incorrecten Eis-Witz. Und auch der zweite Koan ist in dieser konkreten "Ausführung" nicht unbedingt ein Erleuchtungs-Wecker, sondern kann einfach ein Zerreißen der Verständigung ins Bild setzen.

Es ist problematisch, Zen-Koans zur Selbstrechtfertigung einzusetzen; dazu sind sie nicht da. Deshalb sollte nur ein Meister dem Schüler die Meisterschaft zuschreiben bzw. aberkennen, denn andere sind blind dafür, ob in einer konkreten Situation der Blitz durchschlägt oder nicht. Und deshalb bleibt es offen, ob der kleine Ali des Gedichts den Meister aufweckt oder der Meister den Kleinen.
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

danke für die Erklärungen, wie immer ausführlich. Ich begreife nun wieder, dass ich wirklich gar nichts weiss, nicht mal über Zen (wo jeder glaubt, das beruhigt) muss aber zugeben, ich würde gern mal bei Dir auf der Schulbank sitzen (im Philosophieunterricht).

Jetzt wieder ernst: ich vermute, dass in unserer kulturellen Matrix, die sicher mehr oder weniger auf die alten Griechen zurückgeht (und weiter), die Suche nach philosophischer Erkenntnis darauf gerichtet ist, die Welt zu "verstehen", aus welchen Elementen sie gestrickt ist usw.

Bei den Religionen und Philosophien aus Fernost scheint der Drang nach Erkenntnis ein völlig anderer zu sein, d.h. es geht um Erleuchtung und nicht Erkenntnis.

Wahrscheinlich kann ich aber nur Religion nicht richtig von Philosophie trennen (siehe oben). Viele die aus zeitgeistlich-modischen Beweggründen über Zen schwafeln, sicher auch nicht.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich kann auch Philosophie nicht von Religion trennen; jedenfalls in Antike, Mittelalter, bei indischer und ostasiatischer Philosophie. Es ist eine neuzeitlich-europäische Entwicklung, Religion von Philosophie zu trennen, und auch dann ist diese Trennung nur die von zwei Aspekten ein und derselben Angelegenheit. Die Kritik der reinen Vernunft von Kant z.B. behandelt religiöse Themen, und die Kritik der praktischen Vernunft geht tief in die Substanz des an sich seienden Wesens hinein, in die konsequente Tatenzuschreibung, die Verantwortung des frei handelnden Täters, das ist die göttliche Gerechtigkeit.
Nach Kant, bei den Deutschen Idealisten, sind Religion und Philosophie wieder völlig untrennbar eins, z.B. bei Hegel. Die "Wissenschaft der Logik" ist trinitarische Selbstableitung Gottes. Bei Schopenhauer ist es eher buddhistisch, Grundlage für die Erlösungsreligion des Schopenhauerianers Richard Wagner. Da transformiert es sich in die musikalische Harmonik des Tristan.

Und "Erleuchtung" ist nicht unterscheidbar von "Erkenntnis". Erleuchtung ist unmittelbare Erkenntnis.
 



 
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