Zwei Schatten

Gerd Geiser

Mitglied
Ein Erzählgedicht

Zwei Schatten wählten zu Übungszwecken
sich eine weiße Nebelwand.
Hier konnten sie ohne anzuecken
huschen üben, Hand in Hand
mit ihrem Gegenüber:
Dem Grafen von Drunter und dem von Drüber.

-

Die Zeit wälzt sich gen viere schon,
die Schatten huschen leicht asynchron.
Zwar nimmt es der Nebel nicht allzu genau,
doch den Grafen, die´s merken, wird zunehmend flau.
Beklemmung bohrt ihre stumpfe Nadel
in die Brüste der Herren von Adel.

Das fahle Licht der Laternenbirnen
rührt Ängste auf in ihren Gehirnen.
Panik pocht hinter Windungsritzen,
sie, die doch geh´n, seh´n Schatten, die sitzen.
Auf wabernder Bank vor nebliger Wand
halten die Schatten sich innig die Hand.

Zuviel ist zuviel! Wo hochnäsig Tadel
üblicherweise dem niedrigen Adel
ausreicht, um Missmut zu artikulieren,
hier musste schon etwas and´res passieren.
So zieht man den Gehstock, es flattern die Schöße,
der niedrige Adel zeigt innere Größe.

Gestürmt wird im Laufschritt, die Krücke zur Hand,
die Stellung des Feindes vor nebliger Wand.
Und auch die Schatten sich heftig bewegen,
für den Moment halten voll sie dagegen.
Doch als die Bank diesem Ansturm gewichen,
hatten die Schatten davon sich geschlichen.

Denn: Droht einem Schatten mal Ungemach,
gibt er, weil klüger, dem ander´n stets nach.
 

Ohrenschützer

Mitglied
Lieber Gerd,

ich würde "asynchron" statt "dissynchron" schreiben. Die Zeile
"hier musste etwas and´res passieren." mag mir nicht in den Gehörgang gehen; vielleicht ein "schon" einfügen:
"hier musste schon etwas and´res passieren."

Die Anfangsidee fand ich ausgesprochen gut und faszinierend, ab Mitte der Strophe 4 ("Missmut") empfand ich den Spannungsbogen jedoch ins Leere endend. Da hat sich Dein Erzählstrom ein bisschen in den Worten verlaufen. Würd ich noch straffen, auch wenn ich Dir keine konkret-konstruktiven Vorschläge bieten kann.

Hab's wieder mal gern gelesen. Ergebendster Diener,
 

Gerd Geiser

Mitglied
Lieber Ohrenschützer,

mir geht es bei diesem Gedicht genauso wie dir. Der Spannungsbogen wird nicht aufrecht erhalten, zuviel "Bla-Bla" ab der Mitte. Manchmal möchte ich einfach nur reimen, und wenn inhaltlich sich nicht viel herausholen lässt, müssen halt viele Worte herhalten. Ich sehe es als eine Art Fingerübung, die nicht unbedingt im Papierkorb landen muss.
Deine Anregungen habe ich aufgegriffen. Ich bin ja Sozialarbeiter und habe es nicht mit asozialen, sondern mit dissozialen Menschen zu tun. Von daher wohl "dissynchron".

Danke für deine Resonanz.

Lieben Gruß,
Gerd
 

Ohrenschützer

Mitglied
Verstehe. Ich kenne das. Unter dem Titel "Manchmal möchte ich nur reimen" möchte ich Dir folgendes nicht vorenthalten:

Marschall Leichtsinn paradiert
Auf baumwollweißen Socken
Während Kraut die Rüben ziert
Das Auge wird und bleibet trocken

Unverzagt hinabgestiegen
In das bunte Reich des Moses
Rollst du, stolperst und bleibst liegen
Wie ein Ei, ein makelloses

Denkst du vorderhand Beschränktes?
Aus dem Walde lugt das Reh
Wenn du schreist wie milchgetränktes
Roggenbrot mit Salbeitee.

Nichts, ich sage, nichts wird bleiben
Wenn der Schnitter Tetris spielt
Und einzig meine Fensterscheiben
Halten, was sonst niemand hielt.

---
Ist hervorragend geeignet zum Vorlesen im theatralischen Stil. :)
Beste Grüße,

Erik
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hey Erik

Das ist grossartiger Dadaismus - mehr davon!!!!

Begeisterte Grüsse

Jürgen
 



 
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