Hi Franke,
dieses kurze Gedicht überspringt für mich deutlich die Schwelle von der Hobby-&-Gebrauchsdichtung (was ich nicht als abwertenden Begriff verstanden sehen möchte) zur Literatur.
Das meiste, was ich produziere gehört in die Gebrauchssparte und ebenso das meiste, was andere hier einstellen (und daran ist auch nichts falsch - wäre das hier eine sortenreine Literaturwüste, dann fehlte sehr das entspannte Momentum).
Für mich ist das wie der Unterschied zwischen einer Thüringer mit Senf vom Wurststand in der Fußgängerzone und einem Selleriemokka mit Dashischaum und Kaviar von grünen Äpfeln. Ich verstehe, wenn des letztgenannte Gericht für die Liebhaber "einfacher Genüsse" durchaus provokant rüberkommt (hingegen kein Verständnis für Snobs, die eine schöne Bratwurst verachten). Ich persönlich genieße es sehr, dass es sowohl die simple Thüringer gibt als auch die "gehobene" Kochkunst gibt und für mich ist keine der beiden Kategorien der anderen überlegen - sie sind nur unterschiedlich und in gewisser Weise komplementär. Soweit mein Versuch vom Gericht zum Gedicht zu analogisieren.
Dein Text könnte nun nach meinem Dafürhalten ohne Weiteres an eine "richtige" Literaturzeitschrift gesendet werden, ohne dass er als "nicht-literarisch" aussortiert würde (nochmals seis betont: dies ist kein Lob Deines Textes auf Kosten von Texten ohne diesen literarischen Anspruch).
Was ich persönlich noch schön fände, wenn der Text ein ganz kleines bisschen dahingehend ausgebaut würde, dass sich dem Schienverkehrs-Bild ein paar weitere Assoziationsräume eröffnen, z. B. in Richtung Schienensuizid oder in Bezug auf das deterministische und starre, das im Bild der Schiene mitschwingt. Wobei die "Kunst" dann dabei bestünde, diese Ebenen nur ganz zart, kaum greifbar, anzudeuten, so dass alles in literarischer Schwebe bleibt.
Sehr begeistert gelesen!
LG (und alles Gute fürs neue Jahr!)
S.