zwischenfall

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Dimpfelmoser

Mitglied
zwischenfall

lohwolken dämpfen das knöcherne atmen
über der traumlos verblassenden stadt

zart tanzt ein edelmetallisches strahlen
auf der betonblume welkendem blatt

hungrige bluthummeln fordern vergeltung
für ihre niemals erwachende brut

suchen den eingang zum möbiuswurmloch
unter den trümmern der sterbenden glut

farblose urflocken irrlichtern träge
flüchtige engel bestaunen das land

pechschwarze perlen verkünden das ende
still reicht das gestern die tröstende hand
 

sufnus

Mitglied
Hi Dimpfelmoser!

Ich find einige Metaphern und Wendungen in Deinem Text echt richtig cool! Die Gesamtgemengelage aus Klang, Rhythmus, Satzbau und Bildsprache ist für mich aber irgendwie ... ich flüchte mal etwas ins Kulinarische ... unwohlschmeckend. Ich weiß auch nicht so richtig... für mich persönlich ist der Text ein Äquivalent zu einem Dessertteller auf dem ich einige Elemente vorfinde, die total lecker sind und einige Komponenten, die ich in dem Zusammenhang (!) lieber nicht serviert bekommen hätte.

Ich glaub am meisten lese ich dabei gegen den ziemlich knallhart durchgezogenen vierhebigen, katalektischen Daktylosaurus an. Bestimmt war das volle Absicht, das etwas altertümlichnach Lateinübersetzung tönende Metrum mit einem expressionistisch-modernen Sprachgestus zu verschränken. Aber für mich persönlich ist das schwierig.

Es drängeln sich hier z. B. für mein Liking viel zu viele, dem metrischen Ausgleich geschuldete und eigentlich unnötige Adjektive dazwischen. Nachdem ich erstmal dafür sensibilisert war, hab ich auch angefangen bei jeder Metapher (Bluthummel, Urflocken, edelmetallisches) nachzuhorchen, ob die wohl nur aus metrischen Gründen so gefügt worden ist.

Angesichts der wirklich lässigen Sprächbilder, stoß ich aber ganz bestimmt auch demnächstens auf Texte von Dir, bei denen ich die Jubelventile ganz aufdrehen kann. :)

LG!

S.
 

fee_reloaded

Mitglied
Sehr cool, was das Spiel mit Rhythmus, Alliterationen und Bildern betrifft, dimpfelmoser!

Das hat richtig Wumms! Ich war schon bei "zart tanzt ein edelmetallisches strahlen" richtig angetan, aber spätestens bei den "hungrigen bluthummeln" war ich begeistert. Mit viel Gespür für das, was allein schon der Klang von bestimmten Wörtern ausrichten kann, geschrieben und dann auch noch mit wirklich starken Bildern. Da geht es um mehr als nur die Metrik - das ist Komponieren mit dem Klang von Silben und Vokalen und den Stimmungen, die diese erzeugen. Richtig richtig gut!

LG,
fee
 

Dimpfelmoser

Mitglied
Hallo @sufnus,

ja, das recht enge formale Korsett, und mit bzw. in diesem etwas zu spielen, fand ich (bzw. finde es) recht reizvoll. Um zu schauen, was dabei entstehen kann. Die (zuvor schon skizzierten) Bilder sollten dort hinein, fügten sich für mich recht stimmig in dieses Konstrukt. Aber ob das Ergebnis tatsächlich überzeugt … nun ja, ob oder wie es schmeckt, ist sicher (vor allem?) auch von individuellen Vorlieben abhängig. Aber kritische Rückmeldungen helfen mir, zukünftig Geschriebenes und dessen Wirkung besser einschätzen zu können.

Hallo @fee_reloaded,

umso mehr freut es mich, wenn Du diese Komposition (;)) goutieren kannst, und keine Fehlnoten schmeckst, oder ggf. ignorieren kannst. Ja, vielleicht bist Du mit Deiner Lesart so tatsächlich näher an meiner eigenen.

Hallo @Outymier,

dass Dir die Bilder und Metaphern gefallen, freut mich ebenfalls.


Ich danke euch jedenfalls für die Beschäftigung mit dem Text und für eure Rückmeldungen.



LG
Dimpfelmoser
 

sufnus

Mitglied
Hi Dimpfelmoser! :)
Freut mich durchaus, dass Fee - ja auch ganz auf der Linie von Outymiers Feedback - mein skeptisches Geschmacksurteil relativiert (in den Orkus stampft ;) ).
Irgendwann hab ich mir mal eine Daktylusvergiftung zugezogen, seither nähere ich mich streng doppelgesenkten Metren nur noch mit einiger Scheu.
Und ohne bei meinem Obigen zurückrudern zu wollen - ein cooler Text isses ja allemal! :)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Da hast Du natürlich auch wieder recht, Fee!
Ich fühlte mich auch durchaus liebevoll zurechtgerückt! :)
LG!
S.
 

fee_reloaded

Mitglied
Ich fühlte mich auch durchaus liebevoll zurechtgerückt! :)
;)

Aber im Ernst: ich sehe es immer so, dass unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen. Nichts wird verrückt oder gestampft. Bei etwas so Subjektivem wie der Rezension von Kunst (egal ob gemalt, geschrieben oder in anderer Darreichungsform) hat außerdem auch keiner rechter als der andere.

Daktylusvergiftung...das klingt böse. Lustig - ich war so gefesselt von den Wortklängen, dass das Metrum für mich völlig in den Hintergrund gerückt ist. Da sieht man, wie unterschiedlich die Wahrnehmung sein kann. Es lebe die Vielfalt!

Liebevolle Grüße nochmal!

fee
 

James Blond

Mitglied
Glücklicherweise haben Daktylen im Allgemeinen auf meinen Lesegenuss keine toxische Wirkung, ich mag diesen Rhythmus und finde ihn auf diesen Seiten leider viel zu selten. In diesem Gedicht wird auf die Formtreue großer Wert gelegt, was mir gefällt. Doch abgesehen davon wird hier von allem ein bisschen zu viel serviert, es entwickelt sich zu einem Konglomerat wuchtigster Sprachschöpfungen, die auch von einem stabilen Formkorsett kaum noch zusammengehalten werden.

Die paarweise Distanzierung scheint dabei immer wieder nach einem Neuanfang zu suchen, die Strophen zeigen kaum eine inhaltliche Bezugnahme aufeinander, ihre Abfolge erscheint beliebig. Dies wird noch befördert durch den gleichen Satzaufbau, der allen 6 Strophen gemein ist. Jedes Mal ein Aussagesatz in V1, gefolgt in V2 von einem Präpositionalobjekt (in S1-S4) oder einem weiteren Aussagesatz (in S5,S6). Unterstützt wird diese formale Ähnlichkeit der Objekte noch durch den steten adjektivischen Gebrauch von Verlaufsformen: verblassenden stadt - welkendem blatt - erwachende brut - sterbenden glut.

Das liest sich in dieser Stringenz schon ein bisschen schablonenhaft wie computergenerierte Lyrik, in der die Störung eines "Zwischenfalls" durch die formelhafte Anwendung nicht mehr zum Tragen kommt.

Es mag zwar eine interessante Zusammenstellung abgeben, aber noch keine Komposition.

Grüße
JB
 



 
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