Hagen
Mitglied
Die Fruktarierin
Im Speakeasy war auch nichts los, eine Atmosphäre wie bei einer Sorgerechtsverhandlung.
Kaffee!
Ich glaube, ich habe Kaffee selten so genossen, in meinem Becher war erst ein Espresso und dann der Kaffee. Ich habe meinen Privatbecher im Speakeasy, Linda die ‘Qualmgebadete‘ goss ihn mir immer so ein, ich brauchte noch nicht mal zu bestellen, und wir rauchten eine zusammen.
„Seit wann darf man denn in einer Gaststätte rauchen?“
Die das fragte, war eine Frau. Leichenblass und klapperdürr. Ich war immer noch in Gedanken bei der schönen Frau, die ich zuvor gefahren hatte, aber in Anlehnung an den Dirnenspruch; ‚Aus dem Bette, aus dem Sinn', handelt der Taxifahrer eigentlich nach dem Motto: ‚Aus dem Taxi, aus dem Sinn‘.
„Ich bin Taxifahrer“, sagte ich, „ich darf das.“
„Auch als Taxifahrer dürfen sie das nicht!“
„Nicht?“
„Nein!“
„Ach du meine Güte. Was mache ich denn jetzt?“
„Die Zigarette aus.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Das hat psychologische Gründe. Als Taxifahrer bin ich gewohnt, das zuende zu führen, was ich angefangen habe. Ich kann mitten in der Fahrt ja auch nicht sagen: „Ich habe jetzt Feierabend, steigen Sie bitte aus!“ – Genauso kann ich keine halb aufgerauchte Zigarette aus machen. Ich schaffe das einfach nicht.“
Das Gespräch plätscherte so lange dahin, bis ich meine Zigarette aufgeraucht und meinen Kaffee getrunken hatte. Gleichzeitig dachte ich darüber nach, ob man eine Frau auch mit Kaffee ‘schöntrinken‘ kann. Ich glaube, das funktioniert nicht so richtig, jedenfalls bei mir nicht, und angesichts der schönen Frau, die soeben gefahren hatte, schon gar nicht.
„Ich bin Fruktarierin“, sagte die Frau neben mir, irgendwie hatte ich irgendwas verpasst, aber den Eindruck erweckt, aufmerksam zuzuhören. Als Taxifahrer lernt man das ganz schnell.
„Ist ja interessant“, sagte ich, „erwähnte ich bereits, dass ich Taxifahrer bin?“
„Ich bin nicht von Beruf Fruktarierin“, sie tat total entsetzt, „ich esse nur Dinge, die vom Baum oder Busch gefallen und daher schon 'tot' sind. Kochen ist Mord! Leute, die sich fruktarisch ernähren, leben nur von Fallobst. Das heißt, es ist eine noch strengere Ernährung als Veganer, die sie betreiben. Bei einem fruktarischen Essen darf man nur das von der Pflanze essen, was die Pflanze nicht tötet oder verletzt also Nüsse oder Obst von Bäumen, dass bereits abgefallen ist, oder Pilze und Bohnen. Auch Kartoffeln dürfen nicht gegessen werden, da ja die Kartoffel-Pflanze ohne Knollen sterben könnte. Die Fruktarier respektieren also jede Art von Leben, egal ob deren Leidensfähigkeit nachgewiesen ist oder nicht.“
„Ach was.“
„Ja! Die Verstoffwechselung vollständig reifen Obstes ist ernährungsphysiologisch sinnvoll, da reifes Obst das Optimum an Nährstoffen enthält. Neben der ansprechenden Optik, der anatomischen Entsprechung und den für Menschen verlockenden Geruch wird auch ein Optimum an Geschmack geboten.“
„Opium? Da möchte ich aber nichts mit zu tun haben.“
„Nein, Optimum! Das ist etwas ganz anderes!“
„Ach so. – Unter einem Optimum an Geschmack verstehe ich wiederum etwas anderes. Ich habe noch zwei marinierte T-Bone-Steaks zu Hause und gegen sechs Feierabend. Wenn Sie warten möchten, können wir uns die teilen. – Anna-Karenina, das ist meine Salonlöwin, wird sich auch freuen, wir haben so selten Besuch.“
„Das meine ich eigentlich nicht! Fructarier gibt es schon mythologisch bedingt! Uns Menschen wird schon vor der Vertreibung Adam's und Eva's aus dem Paradies überliefert, weshalb man diese menschlich ursprüngliche Ernährungsweise auch Adam & Eva diet, Eden-diet oder Paradieskost nennt. Wenn Sie möchten, koche ich Ihnen mal was richtig Leckeres und anschließend sehen wir mal, was weiter so passiert…“
„Das ist ja kolossal interessant! Der gute Adam ist offensichtlich nie in den Genuss eines Steaks gekommen, sonst hätte er sicher anders reagiert. Aber“, ich tippte auf meine Armbanduhr, „der letzte Zug wird bald kommen und da möchte ich gerne bereit stehen, um den einen oder anderen netten Menschen noch Hause zu fahren. – Sie verstehen?“
Ohne eine Antwort abzuwarten ging ich raus und setzte mich in mein Taxi.
Das war einfach zu viel!
Wieso konnte nicht einfach mal was Schönes passieren, einfach nur so?
Egal, es war noch mächtig viel Zeit bis zum letzten Zug, ich hörte mir eine Classic-CD an, die Toccata und Fuge, um wenigstens etwas Erbauung zu finden.
Und dann passierte gar nichts mehr, bis auf das die Fruktarierin in Begleitung von einem Kerl das Speakeasy verließ. Der Kerl schwankte ein wenig, und sie redete auf ihn ein.
Naja, er wird schon seine helle Freude haben, und knickrig war er auch noch, denn wenn man schon eine Frau abschleppt, oder umgekehrt, dann fährt man wenigstens Taxi.
Egal, ich fiel in sowas ähnliches wie Halbschlaf, hörte Radio, stellte den Sitz zurück und mir vor, weiterhin eine ruhige Nachtschicht zu haben, oder eine schöne Frau zu fahren.
Im Speakeasy war auch nichts los, eine Atmosphäre wie bei einer Sorgerechtsverhandlung.
Kaffee!
Ich glaube, ich habe Kaffee selten so genossen, in meinem Becher war erst ein Espresso und dann der Kaffee. Ich habe meinen Privatbecher im Speakeasy, Linda die ‘Qualmgebadete‘ goss ihn mir immer so ein, ich brauchte noch nicht mal zu bestellen, und wir rauchten eine zusammen.
„Seit wann darf man denn in einer Gaststätte rauchen?“
Die das fragte, war eine Frau. Leichenblass und klapperdürr. Ich war immer noch in Gedanken bei der schönen Frau, die ich zuvor gefahren hatte, aber in Anlehnung an den Dirnenspruch; ‚Aus dem Bette, aus dem Sinn', handelt der Taxifahrer eigentlich nach dem Motto: ‚Aus dem Taxi, aus dem Sinn‘.
„Ich bin Taxifahrer“, sagte ich, „ich darf das.“
„Auch als Taxifahrer dürfen sie das nicht!“
„Nicht?“
„Nein!“
„Ach du meine Güte. Was mache ich denn jetzt?“
„Die Zigarette aus.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Das hat psychologische Gründe. Als Taxifahrer bin ich gewohnt, das zuende zu führen, was ich angefangen habe. Ich kann mitten in der Fahrt ja auch nicht sagen: „Ich habe jetzt Feierabend, steigen Sie bitte aus!“ – Genauso kann ich keine halb aufgerauchte Zigarette aus machen. Ich schaffe das einfach nicht.“
Das Gespräch plätscherte so lange dahin, bis ich meine Zigarette aufgeraucht und meinen Kaffee getrunken hatte. Gleichzeitig dachte ich darüber nach, ob man eine Frau auch mit Kaffee ‘schöntrinken‘ kann. Ich glaube, das funktioniert nicht so richtig, jedenfalls bei mir nicht, und angesichts der schönen Frau, die soeben gefahren hatte, schon gar nicht.
„Ich bin Fruktarierin“, sagte die Frau neben mir, irgendwie hatte ich irgendwas verpasst, aber den Eindruck erweckt, aufmerksam zuzuhören. Als Taxifahrer lernt man das ganz schnell.
„Ist ja interessant“, sagte ich, „erwähnte ich bereits, dass ich Taxifahrer bin?“
„Ich bin nicht von Beruf Fruktarierin“, sie tat total entsetzt, „ich esse nur Dinge, die vom Baum oder Busch gefallen und daher schon 'tot' sind. Kochen ist Mord! Leute, die sich fruktarisch ernähren, leben nur von Fallobst. Das heißt, es ist eine noch strengere Ernährung als Veganer, die sie betreiben. Bei einem fruktarischen Essen darf man nur das von der Pflanze essen, was die Pflanze nicht tötet oder verletzt also Nüsse oder Obst von Bäumen, dass bereits abgefallen ist, oder Pilze und Bohnen. Auch Kartoffeln dürfen nicht gegessen werden, da ja die Kartoffel-Pflanze ohne Knollen sterben könnte. Die Fruktarier respektieren also jede Art von Leben, egal ob deren Leidensfähigkeit nachgewiesen ist oder nicht.“
„Ach was.“
„Ja! Die Verstoffwechselung vollständig reifen Obstes ist ernährungsphysiologisch sinnvoll, da reifes Obst das Optimum an Nährstoffen enthält. Neben der ansprechenden Optik, der anatomischen Entsprechung und den für Menschen verlockenden Geruch wird auch ein Optimum an Geschmack geboten.“
„Opium? Da möchte ich aber nichts mit zu tun haben.“
„Nein, Optimum! Das ist etwas ganz anderes!“
„Ach so. – Unter einem Optimum an Geschmack verstehe ich wiederum etwas anderes. Ich habe noch zwei marinierte T-Bone-Steaks zu Hause und gegen sechs Feierabend. Wenn Sie warten möchten, können wir uns die teilen. – Anna-Karenina, das ist meine Salonlöwin, wird sich auch freuen, wir haben so selten Besuch.“
„Das meine ich eigentlich nicht! Fructarier gibt es schon mythologisch bedingt! Uns Menschen wird schon vor der Vertreibung Adam's und Eva's aus dem Paradies überliefert, weshalb man diese menschlich ursprüngliche Ernährungsweise auch Adam & Eva diet, Eden-diet oder Paradieskost nennt. Wenn Sie möchten, koche ich Ihnen mal was richtig Leckeres und anschließend sehen wir mal, was weiter so passiert…“
„Das ist ja kolossal interessant! Der gute Adam ist offensichtlich nie in den Genuss eines Steaks gekommen, sonst hätte er sicher anders reagiert. Aber“, ich tippte auf meine Armbanduhr, „der letzte Zug wird bald kommen und da möchte ich gerne bereit stehen, um den einen oder anderen netten Menschen noch Hause zu fahren. – Sie verstehen?“
Ohne eine Antwort abzuwarten ging ich raus und setzte mich in mein Taxi.
Das war einfach zu viel!
Wieso konnte nicht einfach mal was Schönes passieren, einfach nur so?
Egal, es war noch mächtig viel Zeit bis zum letzten Zug, ich hörte mir eine Classic-CD an, die Toccata und Fuge, um wenigstens etwas Erbauung zu finden.
Und dann passierte gar nichts mehr, bis auf das die Fruktarierin in Begleitung von einem Kerl das Speakeasy verließ. Der Kerl schwankte ein wenig, und sie redete auf ihn ein.
Naja, er wird schon seine helle Freude haben, und knickrig war er auch noch, denn wenn man schon eine Frau abschleppt, oder umgekehrt, dann fährt man wenigstens Taxi.
Egal, ich fiel in sowas ähnliches wie Halbschlaf, hörte Radio, stellte den Sitz zurück und mir vor, weiterhin eine ruhige Nachtschicht zu haben, oder eine schöne Frau zu fahren.