Lieben und lieben lassen

sunshinegirl

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„VERDAMMT STARKE LIEBE"

Es ist schon spät. 03:05 Uhr nachts. Am Freitag. Aber ich spüre schon: Ich werde heute Nacht keinen Frieden finden, wenn ich mir nicht diese paar Sätze von der Seele schreibe. Ich war heute in der Bücherei, um auf die Jagd nach Klassikern zu gehen. Schon lange wolte ich wissen, warum solche teilweise uralten Werke von ganz vielen Menschen heute noch sehr geschätzt werden. Also habe ich mir neben einem „Stolz und Vorurteil" gleich noch „Der Fremde" von Albert Camus geschnappt, ich hatte ja keine Ahnung wie dick diese Bücher sind. Trotzdem habe ich Lust wie nie, diese Bücher nur so zu verschlingen. Ganz zufällig schlenderte ich am Regal „Geschichte" oben im zweiten Stock bei den Jugendbüchern vorbei. Und da sah ich das Buch: Es hieß „Verdammt starke Liebe" und war von Lutz van Dijk. Ich nehme es mit, ging es mir augenblicklich durch den Kopf. Ich habe den Klappentext kurz überflogen: Ein schwules Paar, mitten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Ein Kampf um ihre Liebe. Ich war beeindruckt, und das Bild auf dem Umschlag tat dann noch den Rest! Ein junger Mann, der einen zweiten ungefähr gleichaltrigen hübschen Jungen auf seinen Händen trägt, beide schauen mit einem verschmitzten breiten Lächeln in die Kamera. Wie wohlig warm mir bei diesem Bild um's Herz wurde. Beim Lesen des Buches habe ich mich immer wieder dabei ertappt, wie ich auf dieses Bild geschielt habe und innerlich (manchmal auch äußerlich) lächeln musste. Es ist ein dünnes und kleines Buch von ca. 160 Seiten. Ich wusste es, heute lese ich dieses Buch durch und tatsächlich bin ich fertig damit geworden und was soll ich sagen? Es ist eines der schönsten aber gleichzeitig auch eines der traurigsten und herzzereißendsten Bücher, die ich jemals gelesen habe (Das muss bei mir viel heißen, ich freue mich über Bücher wie ein kleines Kind über einen gewonnenen Teddy vom Jahrmarkt und verschlinge sie nur so als wären es Süßigkeiten). Ich habe noch nie so viele Tränen vergossen, nach dem ich ein Buch zu Ende gelesen hatte. Es hat mich so sehr berührt, mir mit den einzelnen Worten, den Handlungen und Seiten so direkt und scharf in mein Herz geschossen. Dieses Gefühlt ist zwar unbeschreiblich, doch ich versuche es euch so gut ich kann nahezubringen. Ich war sauer, glücklich und todtraurig gleichzeitig. Funktioniert das? Oh ja! Wie konnte man diese Liebenden bloß voneinander trennen? Gott, was ist so falsch daran, wenn ein Mann von seinesgleichen träumt? Liebe kennt kein Alter, keine Hautfarbe und KEIN GESCHLECHT. Ich will und kann diese Unfairness, diese Gewalt gegenüber diese sich liebenden Mensch nicht verstehen. Und die beiden haben sich noch versprochen, das Leben zusammenverbingen zu wollen. Halt, ich bin zu schnell! Es geht um Stefan K. und Willi B., das Ganze beruht voll und ganz auf einer wahren Geschichte. Stefan ist ein junger Pole und Willi ein gutaussehender deutscher Soldat. Sie sehen sich, fühlen eine Verbundenheit, sind einfach nur frisch verliebt. Sie treffen sich immer öfter ud brauchen nun ein Versteck. Es wäre Selbstmord, wenn sie sich von irgendjemanden erwischen lassen würden, vor allem von der Gestapo. Tatsächlich finden sie ein Versteck: eine gut versteckte Scheune. Sie wird von beiden liebevoll für ihre Zweisamkeit eingerichtet. Sie reden, diskutieren und lieben sich dort. Sie lieben sich wirklich. Es macht so einen Spaß, sie dabei zu begleiten. Es macht einen selber irgendwie froh, die beiden so zu sehen. Als würde ich sie wirklich kennen. Ich sehe sie vor mir und will sie ermutigen, sich trotz der Hindernisse weiterhin bedingungslos zu lieben. Irgendwann muss Willi an die Front, für Stefan schrecklich, klar. Wer weiß, ob er seinen Geliebten jemals wieder lebend in den Armen halten wird und seinen Körper ganz nah an seinem spüren wird, ob er seinen Duft schnuppern wird, ob er irgendwann wieder tief in die braunen Augen von Willi schauen kann. Auch Stefan gerät in Schwierigkeiten. Der „Schwule" wird ertappt... denn er schreibt Willi einen Liebesbrief. Er hat es nicht ausgehalten. Er wollte wissen, ob Willi wenigstens noch lebt, ob er gesund ist, nachdem von Willi keine einzige Nachricht kam, kein einziges Lebenszeichen. Wie schrecklich ist es, von seiner ersten großen, (vielleicht sogar) Liebe (des Lebens) getrennt zu sein? Nicht genug. Wie schlimm muss es für Stefan gewesen sein, nicht zu wissen, wie es Willi geht. Ob Willi noch atmet, oder ob er längst wegen dem Liebesbrief an ihn inhaftiert oder an der Front gefallen ist...was ist das für ein Gefühl, dass dein Herz in tausend Stücke zerreißen kann? Stefan wird Gefangener, er muss viel arbeiten, dieser junge Mann, er ist gerade einmal 16. Er wartet und wartet, wartet auf Freiheit, auf seine Familie und auf Willi. Nichts passiert. Später kommt er frei, doch...von Willi gibt es noch immer keine Nachricht. Wie traurig ich war, Gott, ich habe die ganze Zeit auf ein Happy End gehofft, doch ich täuschte mich. Stefan kann dem Gefangenenleben nach einigen Monaten entkommen. Im hohen Alter stellt er dann Recherchen an, um herauszufinden, was mit Willi geschah, doch vergebens. Das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Sicher ist, wie Teofil Konsinski (Stefan K's richtiger Name) in Willi G. seine erste große Liebe gefunden hat. Wieso hat man sie einfach nicht lieben lassen, geht mir gerade durch den Kopf mit tränenden Augen, was haben sie anderen getan? Man darf Liebende nicht trennen, das ist eine der Unmenschlichkeiten, die viele Menschen aber zur Zeit des Nationalsozialismus ,ohne mit der Wimper zu zucken, getan haben. Bitte wacht auf, steht auf, erhebt auch dagegen. Hoffen wir für Stefan und Willi, dass sie jetzt, Hand und Hand, mit einem Lächeln , gleich den Jungen auf dem Buchcover, runter zu uns blicken, und wenigstens im Himmel ihren Frieden und ihre Liebe füreinander wiedergefunden und aufrecht erhalten haben. Ich tue das jedenfalls gerade. Ich muss innerlich immer wieder sagen: Es tut mit so unfassbar Leid, was euch angetan wurde. Es tut mir einfach so schrecklich Leid. Es tut mir echt so verdammt weh. Ich hoffe ihr (Stefan & Willi) liebt euch immer noch, eure Geschichte hat mich berührt und ich werde sie für euch mit ganz vielen Menschen teilen.

Liebt und lasst lieben
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo sunshinegirl, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Dein "Tagebucheintrag" ist gut geschrieben und interessant zu lesen, in der Art, wie Du das Erlebte beschreibst. Aus dem Beitrag geht auch hervor, dass Dein literarisches Interesse breit aufgestellt ist.

Ich denke, Du bist hier (in der Leselupe) richtig.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von ENachtigall

Redakteur in diesem Forum
 

HorstK

Mitglied
Ein Gedanke

Hallo Sunshinegirl,

sehr bewegend Deine spontanen Emotionen in Beschreibung dieser Lektüre! Wenn Du die gleiche Empathie in eigene Werke, kurze oder lange, autobiographische oder fiktive Erlebnisse stecken kannst, bin ich schon sehr neugierig auf weitere Beiträge!
 



 
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