Morgenlicht

Morgenlicht

\"Es ist der Morgen, der beglückt, der Not und Wunder überbrückt. Es ist der Morgen, der nicht weilt, nur kurz und wachsam über\'s Leben streift.\"

Menschen. Wellen. Salz. Ein Vogel!

\"Wer hat das gesagt? Wer hat das gesagt? Das mit dem Morgen? Wer?!\"

Menschen. Wellen. Sand. Eine Möwe.

\"Wer? Wer hat das gesagt? Wer?! WER?!\"

Ich blinzelte. Meine Augen ließen sich kaum öffnen, so müde waren sie. Geblendet vom hellen Licht hob ich die Hand, um ihnen Schutz zu gewähren, doch nur langsam verbesserte sich meine Sicht. Ich war wach. Wo war ich? Die braune Decke aus Holz, über mir. Zu meiner Rechten die Fenstertür und eine grelle Morgensonne. Zu meiner Linken... Ich drehte mich um. Lia. Ihre langen, blonden Haare kräuselten sich, wenn sie schlief. Wie die grünen Lianen des Dschungels. Aber es war ihr ruhevolles Auf und Ab, das schläfrig machte, das entspannte und immer gleich verlief, wie die Wellen auf der Meereshöhe. Das Heben ihres Brustkorbs, ihr Atemzug, immer der gleiche Rhythmus. Mit einem Lächeln stieg ich aus dem Bett und lief zum Fenster. Der lange, leere Strand erstreckte sich vor mir, raus in die Sonne. Auf dem Balkon lehnte ich mich an und schaute zum brausenden Meer. Ich hatte mich schon oft gefragt, warum es nie ganz still war. Warum es immer wieder und wieder auf den schimmernden Sand einschlug, wie Donnergrollen bei stürmischer Nacht. Als würde es Tag für Tag, Minute für Minute, den Strand beleben, mit den undurchdringlichen Wellen immer wieder darauf niedergehen. Sich fallen lassen, und den Strand reinigen, mit sich ziehen, wie ein offenes Maul.

Dort! Bei den Steinen und Felsen erkannte ich zwei Krebse, die sich um etwas zankten. Sie erhoben zornig die Klauen und schnappten gefährlich, aber ich konnte nicht sehen, um was es ging. Der Größere wagte den Angriff, zuckte nach vorne, doch der andere wich seitlich aus. Sie erinnerten mich an Kinder, kleine Kinder, die nie gelernt hatten, zu teilen. Kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug stritten, das keiner dem anderen einfach so überlassen wollte.

\"Du bist schon wach?\", eine feine Stimme legte sich um mein Ohr. Lia. Ihre Hände streiften meinen Hals und ihre Arme fuhren durch die zerzausten Haare. Ich lächelte und drehte mich um. \"Nicht so ein Langschläfer, wie du es bist, du faules Ding.\"

\"Heeey!\", sie piekste mich in die Seite und gab mir einen schwachen Schlag auf die Schulter, \"Ich darf das.\"

\"Au, jetzt hast du meinen Morgen gestört. Das gibt Rache.\", ich kitzelte sie, bis wir auf dem Boden lagen und uns vor lauter Lachen der Bauch wehtat. \"Genug! Genug! Genug.\", sie japste nach Luft, \"Auf das wir einmal einen normalen Morgen erleben, an dem du mir Frühstück bringst und ich faul weiterschlafen kann.\"

\"Niemals, Lialein. Niemals.\"

\"Nenn mich... nicht so.\", ihr Körper beruhigte sich wieder. \"Du wirst für mich immer die kleine Lia bleiben, die ich damals auf dem Schulhof mit einem Schneeball abgeworfen habe. Immer.\" Wir saßen uns gegenüber und grinsten. \"Ach,-

\"Mama, Papa! Ich hab\' einen Zahn verloren!\", Luna, unsere kleine Tochter kam herausgerannt. Sie hob ihn stolz hoch und schaute uns aufgeregt entgegen. Verdutzt saßen wir da und blickten auf das Weiß, das die Strahlen der Sonne widerspiegelte. \"Wir müssen ihn unter ein Kissen legen! Damit die Zahnfee kommt!\", rief sie mit roten Bäckchen und munterer Nase. Ich wollte lächeln, wollte antworten, wollte etwas sagen.... aber die Laute blieben mir im Hals stecken. Brennendes Salz sammelte sich dort und ich rang nach Luft. Meine Hand erreichte sie nicht mehr, beide entfernten sich immer weiter von mir. Lia! Luna!, wollte ich schreien, aber nichts kam heraus, das Salz ließ es nicht zu. Und dann... brachen die hohen Wellen mit ihren grässlichen Mäulern über mich ein und zerschmetterten alles. Ich riss die Augen auf und saß plötzlich kerzengerade in meinem Bett. Mein Brustkorb hob und senkte sich in schnellen Zügen und ich konnte mein Herz spüren, wie es förmlich zu zerbersten drohte. Doch das einzige, was ich sah, war das Bild an der Wand gegenüber, das meine offenen Augen gänzlich fixierten: Ein Krebs der mir entgegenblickte, auf dem braunen Sand, und gefährlich die schnappenden Klauen erhob.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo adrianoeljero, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Franka

Redakteur in diesem Forum
 
Dankeschön :)

Ich freue mich auch hier zu sein, endlich mal ein richtiges Schriftstellerforum. Ich hoffe, ich kann hier wachsen und helfen, annehmen, was die großen wissen, und vielleicht sogar helfen, was ich in meinem kleinen Leben schon gelernt habe.
 
Morgenlicht

"Es ist der Morgen, der beglückt, der Not und Wunder überbrückt. Es ist der Morgen, der nicht weilt, nur kurz und wachsam über's Leben streift."

Menschen. Wellen. Salz. Ein Vogel!

"Wer hat das gesagt? Wer hat das gesagt? Das mit dem Morgen? Wer?!"

Menschen. Wellen. Sand. Eine Möwe.

"Wer? Wer hat das gesagt? Wer?! WER?!"

Ich blinzelte. Meine Augen ließen sich kaum öffnen, so müde waren sie. Geblendet vom hellen Licht hob ich die Hand, um ihnen Schutz zu gewähren, doch nur langsam verbesserte sich meine Sicht. Ich war wach. Wo war ich? Die braune Decke aus Holz, über mir. Zu meiner Rechten die Fenstertür und eine grelle Morgensonne. Zu meiner Linken... Ich drehte mich um. Lia. Ihre langen, blonden Haare kräuselten sich, wenn sie schlief. Wie die grünen Lianen des Dschungels. Aber es war ihr ruhevolles Auf und Ab, das schläfrig machte, das entspannte und immer gleich verlief, wie die Wellen auf der Meereshöhe. Das Heben ihres Brustkorbs, ihr Atemzug, immer der gleiche Rhythmus. Mit einem Lächeln stieg ich aus dem Bett und lief zum Fenster. Der lange, leere Strand erstreckte sich vor mir, raus in die Sonne. Auf dem Balkon lehnte ich mich an und schaute zum brausenden Meer. Ich hatte mich schon oft gefragt, warum es nie ganz still war. Warum es immer wieder und wieder auf den schimmernden Sand einschlug, wie Donnergrollen bei stürmischer Nacht. Als würde es Tag für Tag, Minute für Minute, den Strand beleben, mit den undurchdringlichen Wellen immer wieder darauf niedergehen. Sich fallen lassen, und den Strand reinigen, mit sich ziehen, wie ein offenes Maul.

Dort! Bei den Steinen und Felsen erkannte ich zwei Krebse, die sich um etwas zankten. Sie erhoben zornig die Klauen und schnappten gefährlich, aber ich konnte nicht sehen, um was es ging. Der Größere wagte den Angriff, zuckte nach vorne, doch der andere wich seitlich aus. Sie erinnerten mich an Kinder, kleine Kinder, die nie gelernt hatten, zu teilen. Kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug stritten, das keiner dem anderen einfach so überlassen wollte.

"Du bist schon wach?", eine feine Stimme legte sich um mein Ohr. Lia. Ihre Hände streiften meinen Hals und ihre Arme fuhren durch die zerzausten Haare. Ich lächelte und drehte mich um. "Nicht so ein Langschläfer, wie du es bist, du faules Ding."

"Heeey!", sie piekste mich in die Seite und gab mir einen schwachen Schlag auf die Schulter, "Ich darf das."

"Au, jetzt hast du meinen Morgen gestört. Das gibt Rache.", ich kitzelte sie, bis wir auf dem Boden lagen und uns vor lauter Lachen der Bauch wehtat. "Genug! Genug! Genug.", sie japste nach Luft, "Auf das wir einmal einen normalen Morgen erleben, an dem du mir Frühstück bringst und ich faul weiterschlafen kann."

"Niemals, Lialein. Niemals."

"Nenn mich... nicht so.", ihr Körper beruhigte sich wieder.

"Du wirst für mich immer die kleine Lia bleiben, die ich damals auf dem Schulhof mit einem Schneeball abgeworfen habe. Immer." Wir saßen uns gegenüber und grinsten. "Ach,-

"Mama, Papa! Ich hab' einen Zahn verloren!", Luna, unsere kleine Tochter kam herausgerannt. Sie hob ihn stolz hoch und schaute uns aufgeregt entgegen. Verdutzt saßen wir da und blickten auf das Weiß, das die Strahlen der Sonne widerspiegelte. "Wir müssen ihn unter ein Kissen legen! Damit die Zahnfee kommt!", rief sie mit roten Bäckchen und munterer Nase. Ich wollte lächeln, wollte antworten, wollte etwas sagen.... aber die Laute blieben mir im Hals stecken. Brennendes Salz sammelte sich dort und ich rang nach Luft. Meine Hand erreichte sie nicht mehr, beide entfernten sich immer weiter von mir. Lia! Luna!, wollte ich schreien, aber nichts kam heraus, das Salz ließ es nicht zu. Und dann... brachen die hohen Wellen mit ihren grässlichen Mäulern über mich ein und zerschmetterten alles. Ich riss die Augen auf und saß plötzlich kerzengerade in meinem Bett. Mein Brustkorb hob und senkte sich in schnellen Zügen und ich konnte mein Herz spüren, wie es förmlich zu zerbersten drohte. Doch das einzige, was ich sah, war das Bild an der Wand gegenüber, das meine offenen Augen gänzlich fixierten: Ein Krebs der mir entgegenblickte, auf dem braunen Sand, und gefährlich die schnappenden Klauen erhob.
 



 
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