Nach dem Schnee - Haiku

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B

Beba

Gast
Ich mag eigentlich nicht schon wieder meckern, aber ...
Sehr viele Haiku-Versuche hier in der LL bemühen sich um oder zwingen sich gar zu 5-7-5-, um dann drei einzelne, abgehackte Zeilen zu gebären, irgendwie im Telegrammstil. Leider ist das für mein Befinden auch hier so. Drei Zeilen im 5-7-5, formal richtig, aber ohne Leben. Inhaltlich? Ich weiß nicht ...

Sorry, Herbert, ist nicht böse gemeint. ;)

LG
BeBa
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Bernd,

Z1 und Z2 bilden einen Satz, insofern ist das nicht abgehackt :).

Das Dir der Inhalt bei Dir nicht zündet, ist schade.

Frohe Weihnachten

Herbert
 
Hallo Bernd.

Na ja, die Kritik ist müßig. Die meisten Haiku im Internet sind keine
Haiku (hier auf LL würdest du vergeblich suchen), sondern dreizeilige
Epigramme.

Selbst namhafte Dichter geben Haiku-Bändchen heraus, in denen keine Haiku
vorkommen. Das 7-5-7 Schema, schein den Rest des Sprachgefühls zu töten, zumal es bekanntlich im Japanischen gar keine 7-5-7 Silben Regel gibt: es
sind Moren.

Und Ippekiro Nakatsukas Weiterentwicklung des Haiku scheint auch noch
nicht bis zu uns durchgedrungen zu sein.

http://www.big.or.jp/~loupe/links/ehisto/eippekiro.shtml

LG; Ivor
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Ivor,

ich seh das so: Haiku-Empfinden kann es mit 5-7-5, aber auch ohne geben. Allerdings ist es subjektiv, höchstens intersubjektiv....

lG

Herbert
 
Hallo Herbert.
Das aber ist nichts haikuspezifisches.

Wenn alle Kunst subjektiv wäre, gäbe es keine Kriterien für deren
Beurteilung. In Wirklichkeit spüren sehr viele "Subjekte" was gut
ist und was nicht.

Aber Haiku haben etwas eigenes und auch ihre Grenzen. Manche sagen,
es wäre gar keine Dichtung. Persönlich finde ich die chinesische
Dichtung noch feinfühliger, humaner, fähig eine Geisteshaltung länger
zu halten, länger zu schwingen.

Haiku verändern auf eine gewisse Weise die Wahrnehmung, sind mehr
ein Ereignis. Man spricht oft von "Geheimnis" und "Nachschwingen".
Ein Text kann gut sein und doch kein Haiku.

Natürlich kann 7-5-7 einem Haiku die Form geben, doch viel seltener als
wenn man sie frei macht. Im Japanischen ist das viel einfacher, und auch dort
bereits von namhaften Dichtern verlassen worden.

Liebe Grüße, Ivor


Gazing at mount Tai (Du Fu wrote this poem in 736)

O Peak of Peaks, how high it stands!
One boundless green o’er spreads two States.
A marvel done by Nature’s hands,
O’er light and shade it dominates.

Clouds rise there from and lave my breast;
I strain my eyes and see birds fleet.
I must ascend the mountain’s crest;
It dwarfs all peaks under my feet.
 
B

Beba

Gast
Hallo Ivor,

Aber Haiku haben etwas eigenes und auch ihre Grenzen. Manche sagen,
es wäre gar keine Dichtung.
das ist so verkehrt gar nicht in meinen Augen. Dichtung im westlichen Sinne ist Haiku zumindest eher nicht nach meiner heutigen Ansicht. Ich halte den Inhalt, den Sinn oder den Gehalt des Haiku bzw. das, was er rüberbringt als diesen Nachklang, für viel wichtiger als die Form. Und ein Haiku muss etwas transportieren, in sich tragen, was jenseits der Worte ist. Es stößt beim Leser etwas an und dann passiert es ... oder eben auch nicht. ;) So jedenfalls begreife ich Haiku und habe oft Probleme damit, wenn Haiku auf westliche Art lyrisch unter die Lupe genommen werden und man deutlich spürt, dass die Antenne für die weiteren Ebenen komplett fehlt.

Ja, im Japanischen ist das Schreiben von Haiku wesentlich leichter. Auch im Englischen übrigens. Englisch halte ich für eine sehr geeignete Sprache für Haiku. Deutsch dagegen eigentlich überhaupt nicht. Sie ist zu sperrig, zu überladen für ein Haiku, so empfinde zumindest ich. Und wenn man sich dann noch das 5-7-5-Korsett anlegt, dann wird es häufig ganz übel ...

Ach, man könnte sich seitenweise auslassen über das Haiku ...

LG
BeBa

p.s. Sorry, Herbert, für diese Störung. Mich juckte es einfach in den Fingern. ;)
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Ivor, hallo Bernd,

ich persönlich halte die Konvention mit dem 5-7-5 nicht für ein Korsett. Es ist eine Formbeschränkung, die man sich auferlegt. Insofern ist das nicht anders als bei anderen Formen hier im Forum. Wenn diese Beschränkung zu eng scheint, sollte man wohl nicht in "Feste Formen" schreiben :).

Vieles von dem, was zur Qualität von Haikus jenseits der Form genannt wurde, trifft generell auf Lyrik zu. Entweder sie (be)trifft den Leser oder nicht :).

Der Streit um Form in der Lyrik ist alt bis sehr alt. In unserer derzeitigen westlichen Lyrik neigt er sich derzeit dahin, feste Formen als nicht mehr zeitgemäß abzulehnen.

Ich sehe das anders: So wie in der modernen Musik auch ist eine Form hilfreich. Darauf gänzlich verzichten zu wollen, ist ein Irrweg. Denn es bilden sich sonst automatisch neue, formartige Beurteilungskriterien heraus. Auch eine rhythmische Phrasierung eines Gedichts ist letztlich eine Form.

Die Kunst besteht also darin, zu gewünschten lyrischen Inhalten die passende Form zu wählen, die durchaus auch im verse libre bestehen kann, der - wie oben gesagt - in der Regel nicht frei von Form ist.

Ja ist denn in Fester Form noch Lyrik, ist denn das noch Haiku? Aus meiner Sicht ja, das ist auch dort möglich.

Was nicht heissen soll, dass man nicht - mit und ohne Form (!) - gute und schlechte Gedichte schreiben kann.

Eine "Alles was 5-7-5 Form hat, ist per se schon schlecht"-Haltung lehne ich daher ab.

Wir arbeiten doch letztlich alle hier daran, immer bessere Gedichte zu schreiben, die einen mit, die andern ohne strenge Form.

lG

Herbert
 
B

Beba

Gast
Hallo Herbert,

Eine "Alles was 5-7-5 Form hat, ist per se schon schlecht"-Haltung lehne ich daher ab.
da hast du völlig Recht. Problematisch finde ich allerdings Texte, denen man beim Lesen die Mühe anmerkt, die der Schreiber mit dem Einhalten von 5-7-5 hatte. Und davon gibt es viele.

Klar, wer hier in Feste Formen schreibt, der hat selbstverstädlich die Form einzuhalten.

LG
BeBa
 



 
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