Regenfahrt

Wolle

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Regenfahrt

Es ist stockdunkel und draußen tobt es. Die Scheibenwischer kommen kaum gegen die Wassermassen an. Mir ist kalt.
Unaufhörlich prasselt der Regen aufs Autodach. An den Fensterscheiben ziehen Tropfen ihre Bahnen.
Ich fahre trotzdem schnell, zu schnell, bleibe durchgängig auf der linken Spur, ziehe an LKW-Riesen vorbei, den Blick starr geradeaus.
In mir tobt es, meine Gedanken überschlagen sich, fahren Karussell.
Immer wieder tauchen Szenen des vergangenen Tages vor meinem inneren Auge auf, setzen sich in meinem Kopf fest, lassen mich die letzten Stunden in Gedanken immer und immer wieder durchspielen.

Stunden saßen wir im Café und haben geredet, die Zeit vergessen.
Ich habe mich so verstanden gefühlt. So unglaublich richtig in diesem Moment.
Alles so wunderbar-leicht und vertraut.
Lange Blicke in deine grüne Augen und ich habe plötzlich Angst.
Angst, mich zu verlieren. Ich kann das nicht.
Du bist 13 Jahre älter - und du bist eine Frau.

Die Autos vor mir bremsen ab. Stau. Auch das noch.
Ich gehe auf die Bremse, werde langsamer. Langsamer und auch endlich ruhiger.
Das Auto kommt zum Stehen, und ich starre auf die Rückleuchten der Autos vor mir.
Mein Handy vibriert, das Display leuchtet auf.
Dein Name auf dem Bildschirm reicht, um mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

Ich lese deine Zeilen und du schaffst es, mich glücklich zu machen – mit ein paar Sätzen.
Einfach so.
Und ist es nicht das was zählt – dieses Gefühl?

Ist es nicht total unwichtig, wie alt du bist, wie alt ich bin, wenn wir uns so viel zu sagen haben?
Heißt es nicht, Liebe ist blind? Wieso sollte ich mich dann nicht in eine Frau verlieben, die so ein wunderbarer Mensch ist und sich das Ganze einfach so richtig anfühlt und nur für den Rest der Welt so unverständlich ist.
Ist es nicht total unwichtig, was die Leute sagen werden?
Ja, ist es nicht auch unwichtig, dass mein Vater nicht nur mit Unverständnis, sondern totaler Ablehnung reagieren wird?
Nein, das ist mir tatsächlich nicht unwichtig. Dass ich meinen Vater, so wie ich ihn hatte, verlieren werde, Weihnachten nicht mehr zu Hause verbringen kann. Nein, das tut weh.
Aber ich möchte trotzdem nicht anders, bin trotzig und wütend.

Ist nicht die Frage, auf wessen Seite tatsächlich das Problem liegt?
Ist es nicht mein Vater, mein Umfeld, das an seiner Einstellung arbeiten muss.

Ist es nicht mein Leben, meine Entscheidung, wie ich es gestalte?
Wieso soll falsch sein, was sich so leicht und gut und richtig anfühlt?
Nur weil meine Eltern ein vorgefertigtes Bild meiner Zukunft haben?
Ein gebildeter, gutaussehender Mann an meiner Seite, ein Haus und Kinder?

Das fühlt sich aber gerade einfach so falsch an. Das bin ich nicht. Nicht mehr.
Und habe ich nicht gelernt, auf meine innere Stimme zu hören, meinem Gefühl zu trauen?
Es ist nicht meine Aufgabe, allen anderen zu entsprechen.
Ich bin erwachsen, ich bin nicht mehr das kleine abhängige Mädchen, der Spielball aller Interessen und Launen. Daran muss ich mich nur immer wieder erinnern.
Ich weiß eigentlich sehr gut wer ich bin. Und ich weiß, was ich fühle und was ich mir wünsche.

Die Autos vor mir fahren wieder. Ich drehe den Zündschlüssel und starte den Motor. Langsam fahre ich an. Der Regen hat nachgelassen und die Scheibenwischer gleiten fast träge über die Windschutzscheibe.
Der Stau löst sich auf.
Die übernächste Abfahrt und ich bin fast zu Hause.

Wenn ich die Tür aufschließe, wird mir Sira schon schnurrend entgegenkommen und mich begrüßen.
Ich werde meinen Mantel in den Flur hängen und Teewasser heiß machen.
Und dann werde ich nach dem Telefon greifen und mit zitternden Fingern deine Nummer wählen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Wolle, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

In Deiner Geschichte fehlt mir ein Blick auf die Mutter. Und auch ein Hinweis darauf, dass ein Coming-Out längst überfällig ist. Die Prot ist ja nicht von heute auf morgen lesbisch.

Der Hinweis "Du bist 13 Jahre älter - und du bist eine Frau" kommt m.E. zu früh und hebt die Spannung auf.

Sonst gute Ansätze der Stimmungserfassung!


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

Wolle

Mitglied
Regenfahrt

Es ist stockdunkel und draußen tobt es. Die Scheibenwischer kommen kaum gegen die Wassermassen an. Mir ist kalt.
Unaufhörlich prasselt der Regen aufs Autodach. An den Fensterscheiben ziehen Tropfen ihre Bahnen.
Ich fahre trotzdem schnell, zu schnell, bleibe durchgängig auf der linken Spur, ziehe an LKW-Riesen vorbei, den Blick starr geradeaus.
In mir tobt es, meine Gedanken überschlagen sich, fahren Karussell.
Immer wieder tauchen Szenen des vergangenen Tages vor meinem inneren Auge auf, setzen sich in meinem Kopf fest, lassen mich die letzten Stunden in Gedanken immer und immer wieder durchspielen.

Stunden saßen wir im Café und haben geredet, die Zeit vergessen.
Ich habe mich so verstanden gefühlt. So unglaublich richtig in diesem Moment.
Alles so wunderbar-leicht und vertraut.
Lange Blicke in deine grüne Augen und ich habe plötzlich Angst.
Angst, mich zu verlieren. Ich kann das nicht.

Die Autos vor mir bremsen ab. Stau. Auch das noch.
Ich gehe auf die Bremse, werde langsamer. Langsamer und auch endlich ruhiger.
Das Auto kommt zum Stehen, und ich starre auf die Rückleuchten der Autos vor mir.
Mein Handy vibriert, das Display leuchtet auf.
Dein Name auf dem Bildschirm reicht, um mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

Ich lese deine Zeilen und du schaffst es, mich glücklich zu machen – mit ein paar Sätzen.
Einfach so.
Und ist es nicht das was zählt – dieses Gefühl?

Ist es nicht total unwichtig, wie alt du bist, wie alt ich bin, wenn wir uns so viel zu sagen haben?
Heißt es nicht, Liebe ist blind? Wieso sollte ich mich dann nicht in eine Frau verlieben, die so ein wunderbarer Mensch ist und sich das Ganze einfach so richtig anfühlt und nur für den Rest der Welt so unverständlich ist.
Ist es nicht total unwichtig, was die Leute sagen werden?
Ja, ist es nicht auch unwichtig, dass mein Vater nicht nur mit Unverständnis, sondern totaler Ablehnung reagieren wird?
Nein, das ist mir tatsächlich nicht unwichtig. Dass ich meinen Vater, so wie ich ihn hatte, verlieren werde, Weihnachten nicht mehr zu Hause verbringen kann. Nein, das tut weh.
Aber ich möchte trotzdem nicht anders, bin trotzig und wütend.

Ist nicht die Frage, auf wessen Seite tatsächlich das Problem liegt?
Ist es nicht mein Vater, mein Umfeld, das an seiner Einstellung arbeiten muss.

Ist es nicht mein Leben, meine Entscheidung, wie ich es gestalte?
Wieso soll falsch sein, was sich so leicht und gut und richtig anfühlt?
Nur weil meine Eltern ein vorgefertigtes Bild meiner Zukunft haben?
Ein gebildeter, gutaussehender Mann an meiner Seite, ein Haus und Kinder?

Das fühlt sich aber gerade einfach so falsch an. Das bin ich nicht. Nicht mehr.
Und habe ich nicht gelernt, auf meine innere Stimme zu hören, meinem Gefühl zu trauen?
Es ist nicht meine Aufgabe, allen anderen zu entsprechen.
Ich bin erwachsen, ich bin nicht mehr das kleine abhängige Mädchen, der Spielball aller Interessen und Launen. Daran muss ich mich nur immer wieder erinnern.
Ich weiß eigentlich sehr gut wer ich bin. Und ich weiß, was ich fühle und was ich mir wünsche.

Die Autos vor mir fahren wieder. Ich drehe den Zündschlüssel und starte den Motor. Langsam fahre ich an. Der Regen hat nachgelassen und die Scheibenwischer gleiten fast träge über die Windschutzscheibe.
Der Stau löst sich auf.
Die übernächste Abfahrt und ich bin fast zu Hause.

Wenn ich die Tür aufschließe, wird mir Sira schon schnurrend entgegenkommen und mich begrüßen.
Ich werde meinen Mantel in den Flur hängen und Teewasser heiß machen.
Und dann werde ich nach dem Telefon greifen und mit zitternden Fingern deine Nummer wählen.
 

Wolle

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Regenfahrt

Es ist stockdunkel und draußen tobt es. Die Scheibenwischer kommen kaum gegen die Wassermassen an. Mir ist kalt.
Unaufhörlich prasselt der Regen aufs Autodach. An den Fensterscheiben ziehen Tropfen ihre Bahnen.
Ich fahre trotzdem schnell, zu schnell, bleibe durchgängig auf der linken Spur, ziehe an LKW-Riesen vorbei, den Blick starr geradeaus.
In mir tobt es, meine Gedanken überschlagen sich, fahren Karussell.
Immer wieder tauchen Szenen des vergangenen Tages vor meinem inneren Auge auf, setzen sich in meinem Kopf fest, lassen mich die letzten Stunden in Gedanken immer und immer wieder durchspielen.

Stunden saßen wir im Café und haben geredet, die Zeit vergessen.
Ich habe mich so verstanden gefühlt. So unglaublich richtig in diesem Moment.
Alles so wunderbar-leicht und vertraut.
Lange Blicke in deine grüne Augen und ich habe plötzlich Angst.
Angst, mich zu verlieren. Ich kann das nicht.

Die Autos vor mir bremsen ab. Stau. Auch das noch.
Ich gehe auf die Bremse, werde langsamer. Langsamer und auch endlich ruhiger.
Das Auto kommt zum Stehen, und ich starre auf die Rückleuchten der Autos vor mir.
Mein Handy vibriert, das Display leuchtet auf.
Dein Name auf dem Bildschirm reicht, um mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

Ich lese deine Zeilen und du schaffst es, mich glücklich zu machen – mit ein paar Sätzen.
Einfach so.
Und ist es nicht das was zählt – dieses Gefühl?

Ist es nicht total unwichtig, wie alt du bist, wie alt ich bin, wenn wir uns so viel zu sagen haben?
Heißt es nicht, Liebe ist blind? Wieso sollte ich mich dann nicht in eine Frau verlieben, die so ein wunderbarer Mensch ist und sich das Ganze einfach so richtig anfühlt und nur für den Rest der Welt so unverständlich ist.
Ist es nicht total unwichtig, was die Leute sagen werden?
Meine Mutter wird es vielleicht nach einiger Zeit akzeptieren, aber meinen Vater, so wie ich ihn hatte, werde ich verlieren. Weihnachten nicht mehr zu Hause verbringen können. Der Gedanke tut weh.
Aber der Gedanke macht mich auch wütend. Es ist doch nicht zu viel verlangt oder? Ich kann das nicht länger, mich verstellen, verstecken, nur um nicht aus der Reihe zu tanzen.

Ist nicht die Frage, auf wessen Seite tatsächlich das Problem liegt?
Ist es nicht mein Vater, mein Umfeld, das an seiner Einstellung arbeiten muss.

Ist es nicht mein Leben, meine Entscheidung, wie ich es gestalte?
Wieso soll falsch sein, was sich so leicht und gut und richtig anfühlt?
Nur weil meine Eltern ein vorgefertigtes Bild meiner Zukunft haben?
Ein gebildeter, gutaussehender Mann an meiner Seite, ein Haus und Kinder?

Das fühlt sich aber gerade einfach so falsch an. Das bin ich nicht. Nicht mehr.
Und habe ich nicht gelernt, auf meine innere Stimme zu hören, meinem Gefühl zu trauen?
Es ist nicht meine Aufgabe, allen anderen zu entsprechen.
Ich bin erwachsen, ich bin nicht mehr das kleine abhängige Mädchen, der Spielball aller Interessen und Launen. Daran muss ich mich nur immer wieder erinnern.
Ich weiß eigentlich sehr gut wer ich bin. Und ich weiß, was ich fühle und was ich mir wünsche.

Die Autos vor mir fahren wieder. Ich drehe den Zündschlüssel und starte den Motor. Langsam fahre ich an. Der Regen hat nachgelassen und die Scheibenwischer gleiten fast träge über die Windschutzscheibe.
Der Stau löst sich auf.
Die übernächste Abfahrt und ich bin fast zu Hause.

Wenn ich die Tür aufschließe, wird mir Sira schon schnurrend entgegenkommen und mich begrüßen.
Ich werde meinen Mantel in den Flur hängen und Teewasser heiß machen.
Und dann werde ich nach dem Telefon greifen und mit zitternden Fingern deine Nummer wählen.
 

Wolle

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Habe die Auflösung, dass es eine Frau ist, in die sich der Prot verliebt hat, später eingeschoben und auch die Mutter einbezogen ...
 



 
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