Strange Days

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Bird of Dawn

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Strange Days
Stan. Neunzehn.
Weiße Turnschuhe, skinny Jeans, fast schulterlanges, rabenschwarzes Haar, es glänzt wie Obsidian. Ein wenig zu dünn, seine Statur.
Nach dem letzten, und er meinte letzten Versuch, seine Johanna zurückzugewinnen auf dieser Party, Studentenparty in der Kneipe in Uni-Nähe, fielen die Tropfen des außergewöhnlich kalt anmutenden Regens auf sein von so vielen Gefühlen geplagtes Haupt. Sie war verloren für ihn. Er war nichts für sie.
Mit schweren Schritten stapfte er in Richtung der verschmockten Haltestelle, seine Reflektion in den Autoscheiben ließen ihn fast in Selbstmitleid ertränken, so ein armer Junge.
Bereits aus der Ferne vernahm er das grausige, doch vertraute Quietschen der U-Bahn, er musste sich sputen, flog in Eile die Treppen herunter, so kam es ihm vor und wurde erfasst von dem kühlen Stoß an abgestandener Untergrundluft, die ihn wie ein Pesthauch umhüllte.
Die Bahn hielt, sein Abteil war leer, nicht verwunderlich zu der Uhrzeit, das Licht flackerte, er war so unendlich müde und warf sich auf den ihm nächsten Platz. Ruckartig fuhr die Bahn los in die ewige Nacht des Tunnels.
An der nächsten Haltestelle, das bekam er noch mit, stieg ein breitschultriger Mann ein, sehr zwielichtig, doch auch er war Stan egal. Wieder setzte sich die Bahn in Bewegung. Stans Aufmerksamkeit richtete sich auf das Werbeschild eines Restaurants, es erinnerte ihn an das letzte Abendmahl. Warum? Wein und Brot…

Er erwachte.
Die Haltestelle war ihm doch gänzlich unbekannt. Das Licht flammte mittlerweile nur noch ab und zu auf, er war wieder allein im Abteil. Langsam setzte er sich auf, war er doch beim eindösen fast vom Sitz geglitten, ein Fettfleck hatte sich am Fenster gebildet, an dem er sich angelehnt hatte, seine Schnürsenkel waren offen. Er ließ den Blich schweifen, der U-Bahn Gleis war in ein fahles, kränklich gelbes Licht getaucht, das die meisten Ecken im Dunkeln ließ, es tropfte von der abblätternden Decke, das Gewölbe hatte Höhlencharakter, es fehlen nur noch die Fledermäuse, dachte sich Stan, ideenlos und unentschlossen, was er tun sollte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Bahn gar nicht mehr weiter fährt, die Tür war geöffnet, ein merkwürdiger, nicht zuzuordnender Geruch fand den Weg in seine Nase. Jetzt war er wach.
Stan richtete sich auf und ging durch den Waggon bis zur Cockpit-Tür, fand diese unverschlossen und trat, nach dreimaligem Anklopfen, ein. In dem engen Raum war direkt ersichtlich, dass niemand da war, Stan drückte die quietschende Tür wieder auf und stand nun ratlos mitten in der Bahn. Sein Handy. Er langte in die Tasche seiner Jeans, versuchte es anzuschalten aber nichts tat sich.
Dann leuchtete das Display auf, der Begrüßungston schallte aus dem kleinen Lautsprecher und wirkte doch so laut, ließ Stan zusammenzucken. Er gab seine PIN ein und wartete, bis das Gerät vollständig hochgefahren war, auch Empfang gab es da unten, drei Balken, mehr als genug, das nahm Stan seine Angst, sein Unwohlsein und direkt fand er sich kindisch, wie er nur weil er seine Haltestelle verpasst hatte, innerlich durchaus panikhaftes Unwohlsein verspürte. Er steckte, von neuerlichem Selbstbewusstsein erfüllt, sein Mobiltelefon wieder in die Tasche seiner engen, verwaschenen Jeans und stieg mit flottem Schritt aus der U-Bahn.
Flüchtig ließ er seinen Blick durch das Dunkel und Zwielicht des merkwürdigen U-Bahnhofs schweifen, ihm fiel nichts Markantes auf. Das Schild mit dem Namen der Station fehlte. Was soll’s.
Stan beschloss sich nicht näher Gedanken um den leicht mysteriösen Zwischenfall zu machen und schwebte mit seinen Gedanken bereits wieder bei seiner verlorenen Liebe, als er die leicht glitschigen Stufen empor stieg, begleitet von einem leichten Dunst, der den Geruch, der nicht bahnhofstypisch der nach Pisse war, in sich aufgesogen zu haben schien.
Stan zückte sein Handy, schrieb seiner Mutter eine schnelle SMS, dass er später kommen würde: „bin in u-bahn eingepennt. komme später.“ Mit einer flinken Bewegung war das Gerät auch schon wieder in der Tasche. Doch. Wo war sein Portmonee? Er tastete die Taschen ab, allzu viele waren es nicht, hatte er ja keine Jacke an, trotz des Wetters, ihm wurde nicht kalt.
Es war weg, vielleicht ja in der Bahn aus der Hose gefallen, vermutlich beim schlafen, er eilte die Treppe runter. Lautlos war sie fort. Keine Bahn mehr, braune Schienen im dämmrigen Licht. Stan dachte, wie immer nicht viel. Ein Anruf beim Fundbüro der Verkehrsgesellschaft, und er hat es wieder. Erneut mühte er sich die Treppen hoch.
Oben angekommen fiel ihm auf, dass es doch irgendwie dunkler wirkte, als noch einige Zeit vorher, dabei war es tiefe Nacht. Die Straßenlaternen strahlten ein ähnlich gelbliches Licht aus, wie die, in der Station. In seinem Stadtteil gab es nur moderne LED Beleuchtung, er empfand auch die Gegend als eher heruntergekommen, der obligatorische Einkaufswagen, den jemand entwendet hatte, stand neben einer verfallenen Kneipe. Er suchte ein Straßenschild und wurde fündig, der Name war ihm irgendwie bekannt, er konnte ungefähr abschätzen, wo er sich befand. Die Richtung, aus der die U-Bahn kam sollte ja die richtige sein.
Wenn er denn wüsste, woher sie gekommen war. Er beschloss einfach nach rechts zu gehen, da ging es bergab, vielleicht taucht ja etwas Bekanntes auf, vielleicht hat es ja noch jemanden zu entsprechender Stunde hier nach Draußen verschlagen, der ihm helfen kann. In dem Moment dachte er nicht an die GPS Funktion seines Handys, noch nicht, er lief und lief, an einer imposanten, reich ornamentierten, opulenten Friedhofspforte, an einem weniger imposanten Supermarkt, vorbei, da fiel ihm sein Handy ein. Der Regen hatte grade eben aufgehört, Stan lehnte sich an ein Straßenschild, das Display leuchtete, eine Fehlermeldung tauchte auf, die Nachricht an seine Mutter konnte nicht verschickt werden, er tippte auf „Noch mal versuchen“. Die GPS Funktion ließ ihn natürlich auch im Stich, was hatte er anderes erwartet.
Er setzte sich wieder in Bewegung.

Johanna. Es fühlte sich alles so echt an für eine Zeit, so öffneten wir doch unsere Herzen einander, beide schienen sie in derselben Melodie zu klingen, innig war unser Beisammensein, harsch das Ende, du bist fort. Nicht aus meinem Herzen, niemals, egal wie zornig ich grade in diesem Moment innerlich bin. Ich bin für dich gestorben, sagst du. Ich will immer für dich da sein, erwiderte ich. Und du gingst und warst nicht mehr da. Heute sollte mein Tag sein, der Prinz wollte seine Prinzessin zurückerobern im Sturm. Die Prinzessin lag wieder in den Armen meines Vorgängers.
Es war einiges, was unseren Tanz aus dem Takt gebracht hat.
So waren wir zu jung und unerfahren und was kam, war das Leben.

Das Gefälle der Straße nahm zu, ein kleiner Bach aus Regenwasser floss, obwohl es doch seit einiger Zeit aufgehört hatte, neben Stan die Straße runter. Allgemein, fand er, war das Bild, das er gab wie in einem Musikvideo: von der Liebe und dem Glück verlassen, an einem verwegenen, fremden Ort, der Dunkelheit ausgeliefert, in ihren Fängen, ausgelaugt, nass, wie ein Straßenköter.
Seinen Kopf zu Boden gerichtet, schritt Stan weiter, noch immer war alles fremd und er allein. In einer Pfütze nahm er jedoch die Reflektion eines roten Neonlichts war, sein Haupt schnellte hoch und er sah, dass sich in einiger Entfernung eine derart beleuchtete Lokalität befand. Er hielt darauf zu, es war niemand im Halbdunkel vor dem Schuppen zu sehen, selbst, als er näher heran kam, konnte er nicht erkennen, welcher Art der Laden war, aber er schien geöffnet zu sein, ein rauer Windstoß fegte mit plötzlicher Wucht ihm entgegen und peitschte sein nasses Hemd an den schlanken Körper.
Er trat weiter vor, zur Fassade des Hauses und blickte in ein Schaufenster, das nur von der roten Neonröhren-Umrandung beleuchtet wurde. Es war verhängt, mit schwerem Stoff, doch man sah einige Zeichnungen und Plakate, seltsam okkult anmutend, merkwürdige Symbole, Angst einflößende Skizzen von Kreaturen aus Lovecrafts zu Papier gebrachten Albträumen, auch von missgestalteten Menschen, vergilbte Photos. Der Eindruck ,den der Laden machte und auch seine Vernunft ließen ihn innehalten, so schien dies kein Geschäft zu sein, in dem man alleine zu später Stunde verkehrt. Vielleicht war es die Müdigkeit und die Gleichgültigkeit, die mit dieser Hand in Hand ging, die ihn veranlasste, nach zögerlichem Klopfen, die Tür zu öffnen.
Er wurde umhüllt, alle Sinne schienen berührt, umschmeichelt, auf nie da gewesene Weise. Es war dunkel, nur einige Schatten räkelten sich im Dämmerlicht, welches von den wenigen, in Flaschen steckenden, blutroten Kerzen ausging. Ein betörender Geruch, den Stan nicht einzuordnen wusste umgab ihn, er hörte eine harte, pulsierende Musik von weiter weg zu ihm emporsteigen. Der Boden war so weich, es fühlte sich nicht an wie stehen, er schwebte, seinen Blick auf die Wände gerichtet, sie waren teils ebenfalls mit Stoff verhangen, teils zierten gestochen scharfe Zeichnungen die dunkelrote Wandfarbe, einige alte Regale, aus sichtlich schwerem Holz, versehen mit schaurigen Intarsien bildeten die Möbelstücke. Schatten tanzten an den Wänden, sich rhythmisch bewegende Körper. Links von Stan war in einer Nische ein schwarz gestrichener Empfangstisch, eine einzelne Kerze warf ihr unruhiges Licht auf bleiche Haut. Er erkannte eine Person, wie in Zeitlupe bewegte er sich näher, es waren doch nur wenige, kurze Schritte, begleitet von der sphärischen, donnernden Musik, von dem umhüllenden Odor. Stan erkannte die bleiche Haut als Arm einer Frau, die in einen tiefschwarzen, kuttenartigen Mantel gehüllt war, die Kapuze über den Kopf gezogen, zwei Blitze, funkelten ihn an. Sprachlos, nicht mehr mächtig etwas zu tun oder zu lassen, sah er zu, wie die verhüllte Frau ihm ihren bleichen, dürren, mit feinen, silbernen Ringen geschmückten Finger auf den Mund legte, er war eiskalt und weiß wie Schnee. Neben dem Tresen führte eine schmale Treppe in ein Kellergewölbe, ein gotisch verziertes Geländer bot ihm Halt, während er, von der grazilen Hand geleitet, immer noch in langsamen Bewegungen die Stufen hinab ging. Die Musik wurde lauter, doch schien sie noch immer fern, wie durch Watte vernommen. Auch war es kühl, mehr als draußen, aber seltsam angenehm.
Als Stan die wenigen Stufen bis nach unten geschwebt war, die Gestalt hinter ihm hatte wieder von ihm abgelassen, hob er seinen Blick. Auch in diesem Raum war es düster, eine Art Nebel hing in der Luft. Er erkannte eine Bar, daneben Menschen mit Instrumenten, eine Band, langsam aber ekstatisch tanzende Gestalten, Käfige, Stangen, um die sich Schatten wie Schlangen wanden.
Die Kleidung der Gestalten, sie mutete teils fast vornehm an, so fielen Stan die Brautkleider und feinen Anzüge auf, auch die taillierten, hautengen Korsetts, die langen Mäntel, Zylinder, Gehstöcke mit Silbergriffen. Alles wirkte aus der Zeit gefallen, der Raum, die Gestalten, eine Wahrnehmung wie durch einen verschleiernden, leicht trüben Filter, der dieser Situation einen unglaublich morbiden Charakter gab, untermalt von der nie endenden Begleitung durch den hageren Mann am Spinnett, der sich einfügte in die kumulierende Wolke aus schleppendem Rhythmus und verzerrten Gitarren.
Unbemerkt schmiegte sich eine der ätherischen Gestalten, totenblass, schlank, pechschwarzes Haar umspielte ihre femininen Züge von der Seite an Stans Schulter. Ein zarter Hauch einer Person. Schwarze Lippen sangen seine Melodie, nahmen ihn an sich, nahmen ihn mit sich. Sein Körper glitt ihrem Schatten nach, durch den Raum ganz langsam. Das verlockende Polster eines hölzernen Barstuhls empfing seinen doch gar nicht mehr so weltlichen Körper, ein Mann auf der anderen Seite des Tresens ließ den grünlichen Absinth in das kristallene Glas fließen, dicke Locken wallten über seine Schultern, die ein brokatenes Hemd umhüllte.
Stans Begleiterin griff mit ausgestrecktem Arm nach den Gläsern, nahm ihres, trank es mit sichtlichem Genuss und leckte sich die makellosen Lippen.
Danach berührte sie mit ihren spitzen Fingernägeln sein Kinn, fuhr langsam seinen Hals hinab und packte ihn leicht am Kragen seines Hemds, zog ihn mit einem eisigen Funkeln in den Augen näher an sich, öffnete ihren Mund, er tat es ihr gleich. Sie goss das Getränk in seinen Rachen, es glitt hinunter, er schluckte und Wärme breitete sich in ihm aus. Auf einer Kiste neben Stan, wie ihm erst jetzt aufzufallen schien, wand sich eine Schönheit, mit blonden, toupierten Haaren, um sie geschlungen sah er eine Schlange, es wirkte so selbstverständlich, beide zuckten im Takt der Musik.
Als Stan seine Aufmerksamkeit wieder seiner Begleiterin zukommen ließ, sah er, wie diese eine Nadel aus einem Etui zog, silbern blitzend, glatt und gefährlich. Er war gebannt, ihr Lächeln, was würde passieren? Sie schob sein Shirt hoch und beugte sich zu ihm. Kurz blickte sie ihm noch mal in die Augen, dann näherte sich die Hand mit der Nadel seinem Körper. Er spürte nichts außer ihrer Zunge, die das austretende Blut Tropfen um Tropfen aufnahm. Schnell versiegte jedoch diese Quelle seines Lebenssafts, sie gab sich zufrieden mit dem was sie bereits bekommen hatte. Es folgte mehr Absinth. Nichts veränderte sich, flüchtig streiften dann und wann Personen an Stan vorbei. Mit seiner Begleiterin wechselte er auf eine nahe gelegene Bank. Ihm fiel auf, dass sie die ganze Zeit noch kein Wort gewechselt hatten, es kam ihm dennoch nicht in den Sinn etwas zu sagen, sein Mund blieb verschlossen, in einem hinteren Teil des Raumes sah Stan Szenen, zwei Frauen gossen sich lustvoll gegenseitig roten Wachs auf die entblößte Brust, eine andere erschien gebieterisch angekettet in einem Käfig, versuchte sich aufzurichten, kleine Teufel schluckten brennenden Spiritus. Ein breitschultriger Mann, der etwas wölfisch Wirkendes an sich hatte trat aus dem Schatten einer Nische, er schaute auf zu einer der kalt lodernden Flammen in einem Kessel, der unter einer Decke hing, kalt wie das Mondlicht, gräuliches Feuer.
Der bleiche, ästhetische Arm des Wesens, das seine Begleiterin war, berührte sein Bein, sein Körper spannte sich leicht an, sie zog ihn mit der anderen Hand zu sich, ihr Atem traf seinen Nacken, süßlich.
Die wenigen Dämmerlichter schienen immer dunkler zu werden. Stan würde seine Seele verlieren, es würde diese Nacht sein. Langsam, ganz langsam verschwamm die Welt mit seinen Gedanken ins Nichts.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Bird of Dawn, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Es ist Dir gelungen, die aufgebaute Spannung bis zum Ende durchzuhalten. Dabei schaffst Du eine bildreiche Atmosphäre. Einige kleine Schnitzer bezüglich Groß- und Kleinschreibung solltest Du noch ausmerzen.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

rothsten

Mitglied
Hallo Bird of Dawn,

ich liebe auch Kafka und Austern. Elvis ist mir zumindest bekannt. ;)

Zu Deinem Text:

Nach dem letzten, und er meinte letzten Versuch, seine Johanna zurückzugewinnen auf dieser Party, Studentenparty in der Kneipe in Uni-Nähe, fielen die Tropfen des [red]außergewöhnlich kalt anmutenden Regens[/red] auf sein [red]von so vielen Gefühlen geplagtes Haupt[/red]. Sie war verloren für ihn. Er war nichts für sie.
- Regen mutet nicht kalt an, er ist es einfach. Und warum außergewöhnlich? Wofür ist das wichtig?

- Wenn Du mir als Leser eine Geschichte schreiben möchtest, die mich ergreift, dann solltest Du Gefühle mittels Handlung erzeugen. So ist mein Haupt nur von einem Gefühl geplagt: Unverständlichkeit.

Mit schweren Schritten stapfte er in Richtung der [red]verschmockten [/red] Haltestelle, seine Reflektion in den Autoscheiben ließen ihn fast in Selbstmitleid ertränken, so ein armer Junge.
- Was sind "verschmockte" Haltestellen? "Schmock" ist Jiddisch für Tölpel.

- "seine Reflektion in den Autoscheiben ließen ihn fast in Selbstmitleid ertränken"

Ich schreibe das mal auf Deutsch:

"Er sah sich im Spiegel der Autoscheiben und ihn überkam das Heulen"

Merkst Du was?

Bereits aus der Ferne vernahm er das grausige, doch vertraute Quietschen der U-Bahn, er musste sich sputen, flog in Eile die Treppen herunter, so kam es ihm vor und wurde erfasst von dem kühlen Stoß an abgestandener Untergrundluft, die ihn wie ein Pesthauch umhüllte.
Punkte wären nicht schlecht.

Wie abgestandene Luft stoßen soll, erschließt sich mir nicht. Ich wähne sie eher träge.

"Pesthauch" ... Du wolltest sicher schildern, dass es eklig ist und stinkt. Dann schreib es doch! Pesthauch ist doppelt falsch, weil es keine Pest mehr gibt und sie auch nicht stinkt.


Ich mache hier mal einen Sprung und greife mir nur noch einen Satz exemplarisch raus:

Er wurde umhüllt, alle Sinne schienen berührt, umschmeichelt, auf nie da gewesene Weise.
Klare Worte eines Lesers:

Mich interessiert nicht, ob seine Sinne berührt oder umschmeichelt werden. Ich will, dass meine Sinne berührt oder umschmeichelt werden. Und zwar in nie dagewesener Weise!

Wie schaffst Du das? Nicht, indem Du es bloß behauptest. Nur, indem Du es mir zeigst - mittels lebendiger Personen mit lebendigen Handlungen.

usw, u.a. daran krankt der ganze Text.

lg
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Hallo Bird of Dawn,

eine nette Idee, deine 'Geschichte'. Geschichte deswegen in Klammern, weil mir scheint, dass es dir hauptsächlich darum geht, Atmosphäre zu erzeugen, die Handlung, der Plot sind eher Nebensache.

Ich finde aber, dass du den Leser mit einem Zuviel an Informationen erschlägst. Überall Adjektive, Adjektive, Adjektive. Das Problem daran ist, dass du dem Leser damit sehr explizit erklärst, wie er sich etwas vorzustellen hat. Ich meine aber, dass gute Geschichten das mit weniger Wörtern genauso gut, wenn nicht besser können. Deswegen würde ich dir als erstes raten, die Geschichte zu entschlacken.

Zweitens: Der Satzbau. Hier ein Bespiel:

Er tastete die Taschen ab, allzu viele waren es nicht, hatte er ja keine Jacke an, trotz des Wetters, ihm wurde nicht kalt.
Verbesserungsvorachlag: Er tastete die Taschen seiner Kleidung ab. Allzu viele waren es nicht, trug er doch nicht einmal eine Jacke. Wozu auch, schließlich wurde ihm selten kalt.


Nur so als Idee.

Sprachlich:

Er ließ den Blich schweifen, der U-Bahn Gleis war in ein fahles, kränklich gelbes Licht getaucht, das die meisten Ecken im Dunkeln ließ, es tropfte von der abblätternden Decke, das Gewölbe hatte Höhlencharakter, es fehlen nur noch die Fledermäuse, dachte sich Stan, ideenlos und unentschlossen, was er tun sollte.
Blick

ideenlos und unentschlossen = für mich tautologisch

Bei Zügen/ Bahnen spricht man eher von der Fahrerkabine, ich jedenfalls denke bei Cockpit sofort an ein Flugzeug.


Gruß,

CPMAn

P.S.: Willkommen auf der Leselupe
 

rothsten

Mitglied
Überall Adjektive, Adjektive, Adjektive.
Nirgends Raum, Kopfkino, Leben.

Du sagst es, CPMan. Adjektive gehören ALLE auf den Prüfstand, ob sie sein müssen. Falls nicht, gehören sie gestrichen. Keine Gnade.

Der Mensch denkt in Bildern. Bilder erzeugt man mit lebendigen Verben. Nix Geheimnis, alles längst bekannt. Man muss sich halt mit handwerklichen Grundlagen beschäftigen ...

Willkommen!
 



 
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