Toni Nerdson
Mitglied
Tack ein, Tack aus
Sie beobachtete das Kopiergerät. Solange es beschäftigt war, gab es den immergleichen Ton von sich. Das Bild einer hängenden Schallplatte machte sich in ihrem Kopf breit. Stumm nahm sie den Stapel Papiere in die Hand und schlenderte an ihren Schreibtisch, wo noch mehr Papierstapel auf sie warteten. Rechnungen, Verträge, Infobriefe für Vereinsmitglieder, interne Hauspost. Alles musste sorgsam sortiert und dann getackert werden. Jeden Tag aufs Neue. Tack, tack, tack, tack. Wie Soldaten, die im Stechschritt aufmarschierten. Oder wenn die Sekretärin des Chefs ins Büro kam.
Sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn wirklich eine Armee aufmarschierte. Das würde endlich für eine willkommene Abwechslung sorgen. Ein bisschen Spannung und Spaß. Zuhause gab es schon lange weder das eine, noch das andere. Und dank der Unfähigkeit ihres Mannes, einen Job länger als ein paar Monate zu behalten, musste sie ran. Einer – oder in diesem Fall eine – musste das Geld ja nach Hause bringen. Dabei würde sie viel lieber wie diese imaginären Soldaten ins Büro ihres Chefs eintreten und dann die Kündigung auf den Tisch knallen und gehen. Den Kram auf ihrem Schreibtisch würde sie einfach zurücklassen, wozu brauchte sie den noch? Sie würde alles zurücklassen. Zuhause erwartete sie kein Kind. Zumindest kein minderjähriges. Doch draußen erwartete sie eine völlig neue, freie Welt. Kein Chef, der ihr Vorgaben machte, kein Mann, der mal wieder die Bierfahne hisste und den Abwasch „morgen dann“ machte.
Es war 2018 und das Entdecken der Welt war doch wohl schon längst nicht mehr nur den Männern vorbehalten. Nun war ihre Zeit gekommen, die Welt zu erforschen und dabei völlig Frau zu sein. Auf einem Damenrad. Es war gemütlich, man tat etwas für seine Fitness und schonte dabei noch die Umwelt, fand sie. Und überhaupt; eine Entdeckungsreise musste man langsam und vorsichtig angehen. Außerdem konnte man so die Landschaft viel besser genießen. Die weiten Felder, offen zur freien Besichtigung. Wohingegen Zuhause kleine geschlossene Räume mit winzigen Fenstern, die direkt auf die nächsten grauen Häuser gerichtet waren, warteten. Der heimische Darmwind des Mannes – und der Frau, wenn sie ganz ehrlich zu sich war – wurde ausgetauscht gegen den erfrischenden Fahrtwind, der ein Hauch von Meer in sich trug. Sie wollte auch mehr. Mehr reden. Mehr erleben. Das Meeresrauschen erschien ihr fast so, als erzählte es ihr Geschichten. Die Geschichten ihres Mannes dagegen waren selten berauschend. Jedenfalls nie so sehr, wie für ihn sein Bier war. Weg davon. Immer weiter. Auf dem Fahrrad. Was erwartete sie wohl so weit draußen? Eine Reise hatte gute wie schlechte Seiten. Doch von Gefahren wollte sie gar nichts wissen. Gefahren? Welche denn? Das Schlimmste, was ihr so alleine auf der Straße passieren konnte, war ein platter Reifen. Fahren würde sie dann aber trotzdem noch irgendwie können. Es klänge nur komisch. Tack, tack, tack, tack.
Sie schreckte hoch und blickte auf den Schreibtisch vor sich. Die Rechnungen, Verträge, Infobriefe für Vereinsmitglieder und die interne Hauspost waren fertig getackert. Es war schon 18 Uhr. Zeit zu gehen. Wenn sie sich beeilte, konnte sie vielleicht noch ihre Lieblingssendung anschauen.
Sie beobachtete das Kopiergerät. Solange es beschäftigt war, gab es den immergleichen Ton von sich. Das Bild einer hängenden Schallplatte machte sich in ihrem Kopf breit. Stumm nahm sie den Stapel Papiere in die Hand und schlenderte an ihren Schreibtisch, wo noch mehr Papierstapel auf sie warteten. Rechnungen, Verträge, Infobriefe für Vereinsmitglieder, interne Hauspost. Alles musste sorgsam sortiert und dann getackert werden. Jeden Tag aufs Neue. Tack, tack, tack, tack. Wie Soldaten, die im Stechschritt aufmarschierten. Oder wenn die Sekretärin des Chefs ins Büro kam.
Sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn wirklich eine Armee aufmarschierte. Das würde endlich für eine willkommene Abwechslung sorgen. Ein bisschen Spannung und Spaß. Zuhause gab es schon lange weder das eine, noch das andere. Und dank der Unfähigkeit ihres Mannes, einen Job länger als ein paar Monate zu behalten, musste sie ran. Einer – oder in diesem Fall eine – musste das Geld ja nach Hause bringen. Dabei würde sie viel lieber wie diese imaginären Soldaten ins Büro ihres Chefs eintreten und dann die Kündigung auf den Tisch knallen und gehen. Den Kram auf ihrem Schreibtisch würde sie einfach zurücklassen, wozu brauchte sie den noch? Sie würde alles zurücklassen. Zuhause erwartete sie kein Kind. Zumindest kein minderjähriges. Doch draußen erwartete sie eine völlig neue, freie Welt. Kein Chef, der ihr Vorgaben machte, kein Mann, der mal wieder die Bierfahne hisste und den Abwasch „morgen dann“ machte.
Es war 2018 und das Entdecken der Welt war doch wohl schon längst nicht mehr nur den Männern vorbehalten. Nun war ihre Zeit gekommen, die Welt zu erforschen und dabei völlig Frau zu sein. Auf einem Damenrad. Es war gemütlich, man tat etwas für seine Fitness und schonte dabei noch die Umwelt, fand sie. Und überhaupt; eine Entdeckungsreise musste man langsam und vorsichtig angehen. Außerdem konnte man so die Landschaft viel besser genießen. Die weiten Felder, offen zur freien Besichtigung. Wohingegen Zuhause kleine geschlossene Räume mit winzigen Fenstern, die direkt auf die nächsten grauen Häuser gerichtet waren, warteten. Der heimische Darmwind des Mannes – und der Frau, wenn sie ganz ehrlich zu sich war – wurde ausgetauscht gegen den erfrischenden Fahrtwind, der ein Hauch von Meer in sich trug. Sie wollte auch mehr. Mehr reden. Mehr erleben. Das Meeresrauschen erschien ihr fast so, als erzählte es ihr Geschichten. Die Geschichten ihres Mannes dagegen waren selten berauschend. Jedenfalls nie so sehr, wie für ihn sein Bier war. Weg davon. Immer weiter. Auf dem Fahrrad. Was erwartete sie wohl so weit draußen? Eine Reise hatte gute wie schlechte Seiten. Doch von Gefahren wollte sie gar nichts wissen. Gefahren? Welche denn? Das Schlimmste, was ihr so alleine auf der Straße passieren konnte, war ein platter Reifen. Fahren würde sie dann aber trotzdem noch irgendwie können. Es klänge nur komisch. Tack, tack, tack, tack.
Sie schreckte hoch und blickte auf den Schreibtisch vor sich. Die Rechnungen, Verträge, Infobriefe für Vereinsmitglieder und die interne Hauspost waren fertig getackert. Es war schon 18 Uhr. Zeit zu gehen. Wenn sie sich beeilte, konnte sie vielleicht noch ihre Lieblingssendung anschauen.