Ralf Langer
Mitglied
Die drei Engel
1955
Zwei junge Männer, vielleicht Mitte zwanzig, stehen an einem Anleger im Hamburger Hafen.
Sie sind müde. Am Abend hatten sie ihren Frauen gesagt, sie gingen auf Nachtschicht.
Aber sie fuhren nach Hamburg. Da war ein Schiff, das sie nach Kanada bringen sollte.
Weg von allem. Einen neuen Anfang wagen.
Sie sehen ihrem Schiff nach. Der Zug hatte Verspätung.
Dann, als das Schiff schon längst hinter den Landungsbrücken verschwunden ist, drehen sie sich langsam um, fahren zurück zur Zeche, und leben schweigend weiter.
Einer von ihnen wird mein Vater.
1963
Meine Schwester hat eine Blindarmentzündung. Die O.P verläuft gut.
Alles sehr schnell. Auch vor über vierzig Jahren beinahe Routine.
Die Narbe sieht gut aus. Aber es gibt kein Erwachen: Narkosefehler.
Sie wird nur sieben Jahre alt.
Ein Kind muss her. Meine Eltern haben den Tod meiner Schwester, mit einem Foto zur Einschulung, in den Wohnzimmerschrank gestellt. Es ist 1966. Ein warmer Sommerabend an der Ostsee und eine große rote Sonne über Jütland, sind die stummen Zeugen meines Bruders.
1967
Ein Kind ist genug. Meine Eltern schlagen sich mehr schlecht als recht durch den Tag.
Mein Bruder macht in die Windeln. Stolz der Familie.
Verhütung ist ein Fremdwort. Und so bahne ich mir den Weg.
Ein Fehler im Abzählreim fruchtbarer und unfruchtbarer Tage, und ein bleicher Vollmond sind meine Hebammen.
1955
Zwei junge Männer, vielleicht Mitte zwanzig, stehen an einem Anleger im Hamburger Hafen.
Sie sind müde. Am Abend hatten sie ihren Frauen gesagt, sie gingen auf Nachtschicht.
Aber sie fuhren nach Hamburg. Da war ein Schiff, das sie nach Kanada bringen sollte.
Weg von allem. Einen neuen Anfang wagen.
Sie sehen ihrem Schiff nach. Der Zug hatte Verspätung.
Dann, als das Schiff schon längst hinter den Landungsbrücken verschwunden ist, drehen sie sich langsam um, fahren zurück zur Zeche, und leben schweigend weiter.
Einer von ihnen wird mein Vater.
1963
Meine Schwester hat eine Blindarmentzündung. Die O.P verläuft gut.
Alles sehr schnell. Auch vor über vierzig Jahren beinahe Routine.
Die Narbe sieht gut aus. Aber es gibt kein Erwachen: Narkosefehler.
Sie wird nur sieben Jahre alt.
Ein Kind muss her. Meine Eltern haben den Tod meiner Schwester, mit einem Foto zur Einschulung, in den Wohnzimmerschrank gestellt. Es ist 1966. Ein warmer Sommerabend an der Ostsee und eine große rote Sonne über Jütland, sind die stummen Zeugen meines Bruders.
1967
Ein Kind ist genug. Meine Eltern schlagen sich mehr schlecht als recht durch den Tag.
Mein Bruder macht in die Windeln. Stolz der Familie.
Verhütung ist ein Fremdwort. Und so bahne ich mir den Weg.
Ein Fehler im Abzählreim fruchtbarer und unfruchtbarer Tage, und ein bleicher Vollmond sind meine Hebammen.