Was ist ein Faschingszug?

Rudolf Barth

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Was ist ein Faschingszug
Von Rudolf Barth

Der Karneval, oder wie in unseren Breitengraden besser bekannte Fasching, ist eine Zeitspanne, die auch als fünfte Jahreszeit bezeichnet wird. Diese Zeitspanne, die am 11.11. eines jeden Jahres beginnt und in der Regel in den Monaten Januar und Februar mit zahlreichen Prunk- oder Elferratssitzungen, bei denen das öffentliche Leben und auch vermeintlich prominente Personen in mehr oder weniger großem Maße verunglimpft werden, ihren Höhepunkt findet, um dann in den letzten drei Tagen, Faschingssonntag, Rosenmontag und Faschingsdienstag mit den traditionellen Faschingszügen in den Städten und Gemeinden endet. Doch was ist ein solcher Faschingszug?

Der Faschingszug ist eine Aneinanderreihung einer mehr oder weniger großen Zahl von Narren, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mit Hilfe von kreisförmig ausgestanzten Papierblättchen oder bunten, spiralförmigen Papierstreifen, die öffentlichen Straßen und Plätze unserer Städte und Gemeinden möglichst flächendeckend zu verunreinigen.
Um sich dabei nicht mehr als nötig den Unmut, der an diesen Straßen und Plätzen wohnenden Mitbürger, die ja in den meisten Fällen diesen Unrat wieder beseitigen müssen, zu zuziehen, unternehmen die durch die Straßen ziehenden Narren zweifelhafte Bestechungsversuche, indem sie gesundheitsschädliche Nahrungsmittel, in Form von zuckerhaltigen Kalorienbomben auswerfen, oder teilweise auch in flüssiger und meist promillesteigernder Form ausschenken.
Da diese Bestechungsversuche, (Bestechung ist laut Strafgesetzbuch eine Straftat), von langer Hand geplant und letztendlich mit einem hohen logistischen Aufwand umgesetzt werden, muss hier gezwungenermaßen von einem Akt der organisierten Kriminalität gesprochen werden, weshalb infolge dessen die durchführenden Karnevalsgesellschaften bei objektiver Betrachtung als kriminelle Vereinigungen angesehen werden müssen.
Da die Straßen und Plätze, die von diesen kriminellen Vereinigungen dem öffentlichen Verkehr entzogen und für ihr schändliches Treiben missbraucht werden, vorher bekannt sind, bleibt es nicht aus, dass regelmäßig mehrere tausend Zuschauer und Passanten diesem karnevalistischem Unwesen tatenlos zusehen, weshalb noch geprüft werden muss, inwieweit sich diese Personen der Mittäterschaft schuldig gemacht haben. Denn, da diese Personen nach meinen Erfahrungen die dargebotenen Geschenke in der Regel auch nicht entrüstet zurückweisen, besteht hier zumindest ein Anfangsverdacht der Korruption.
Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen?
In der Entstehungszeit dieser inzwischen weit verbreiteten Bräuche waren es meist kleinere Interessengemeinschaften die sich in lockerer und unorganisierter Form trafen und sich zu Fuß, oder mit Hilfe von landwirtschaftlichen Fuhrwerken durch die Straßen schoben und von den zufällig anwesenden Passanten mitleidig, weil als Narren erkannt, belächelt wurden.
Im Gegensatz zu dieser einfachsten Form von Umzügen, haben sich die Faschingszüge bis in die heutige Zeit zu hochtechnisierten, personal- und zeitraubenden Veranstaltungen geändert, was nebenbei bemerkt auch mit einem extrem hohen und fast nicht mehr zu lösendem finanziellen Problem verbunden ist.
Schuld daran sind zum Teil auch die Bürgermeister und Kämmerer der beteiligten Städte und Gemeinden, die schon in frühester Zeit erkannt haben, dass sich hier eine willkommene Gelegenheit bietet, ihre notorisch leeren Gemeindesäckel durch unterschiedlichste und nicht immer sinnvolle Erlässe aufzufüllen. Als erste Maßnahme einer ganzen Reihe von Vorschriften wurden selbst kleinste Umzüge während dieser sogenannten fünften Jahreszeit zu „genehmigungspflichtigen Veranstaltungen“ deklariert. Wobei der Begriff „genehmigungspflichtig“ in unserem verwaltungstechnisch beeinflusstem Sprachgebrauch auch unweigerlich mit dem Begriff „gebührenpflichtig“ verbunden ist.
Im Laufe der Zeit wurden auch die ehemaligen landwirtschaftlichen Fuhrwerke durch hochleistungsfähige und meist dieselgetriebene Ungetüme ersetzt, die ihre ellenlangen Tiefladerauflieger mit ihren meterhohen Aufbauten teils mit GPS-gestützten Navigationsgeräten an ihr Ziel bringen.
Dass auch Narren nur Menschen sind, beweist die nicht zuletzt durch Neid und Missgunst genährte Entwicklung, immer buntere, bessere, größere und auch höhere Faschingswägen als die der konkurrierenden Faschingsgesellschaft der Nachbargemeinde auf die Straße zu schicken. Ein mancher, der auf solchen Wagen hoch oben mitfahrender Zeitgenosse, der sich nach einem Sturz von einem dieser Wägen auf dem harten Pflaster der Realität wiederfand, musste erkennen, dass auch während der Faschingszeit die Weisheiten der Bibel nicht außer Kraft gesetzt sind, und der Ausspruch „wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden“ durchaus seine Berechtigung hat. Doch auch hier tritt die Mentalität des „deutschen Michel“ in einer kuriosen Art und Weise zutage, denn ein Deutscher macht keine Fehler.
Um hier ein Beispiel zu nennen: Fährt ein deutscher Autofahrer in einer Kurve mit weit überhöhter Geschwindigkeit in den Straßengraben, so ist dieses Unglück nicht deshalb geschehen, weil er zu blöd zum Autofahren ist, sondern weil es die Straßenverkehrsbehörde versäumt hat, an dieser Stelle eine Leitplanke anzubringen.
Das heißt nun hier im Fasching: fällt ein, meist alkoholisierter Mitfahrer eines mitziehenden Faschingswagens von diesem zu Boden, so ist dies nicht deshalb passiert, weil er zu blöd war sich festzuhalten, sondern deshalb, weil die Macher und Erbauer des Wagens nicht schon im Vorfeld mit einer solchen Blödheit rechnen konnten und die Sicherheitsbarrieren der oberen Plattform zu niedrig gestalteten. Dies wiederum rief erneut die überaus verantwortungsbewussten Mitarbeiter der diversen Ordnungsämter auf den Plan, die nun verfügten, dass nur noch TÜV-geprüfte Fahrzeuge an Faschingszügen teilnehmen können, was natürlich heißt, das nun auch für Faschingswägen eine Prüfpflicht besteht. Und der Begriff „Prüfpflicht“ ist in unserem verwaltungstechnisch beeinflusstem Sprachgebrauch auch unweigerlich dem Begriff „Gebührenpflicht“ gleichzusetzen.

Wird auf einzelnen Wägen Musik live gespielt oder mit Hilfe von technischen Mitteln abgespielt, so fährt auf diesen Wägen selbstverständlich auch die GEMA mit, denn das öffentliche Abspielen von Musik ist „gebührenpflichtig“.
Habe ich im Vorfeld davon gesprochen, dass Narren auch nur Menschen sind, so gilt das selbstverständlich auch im umgekehrten Sinn: Auch Menschen machen sich manchmal zum Narren. Dies gilt besonders dann, wenn einzelne Schaulustige zu lustig werden und glauben, sie müssten es den „sich selbst Erhöhten“ auf den oberen Plattformen gleichtun, und versuchen, bei rollenden Wägen diese zu erklettern. Schon mancher kam dabei im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder, was natürlich nur wieder ein weiteres gefundenes Fressen für unsere zuverlässigen Ordnungshüter war, denn nun kam die Vorschrift, dass neben jedem sich drehenden Rad eines Faschingswagens einschließlich des Zugfahrzeugs eine Sicherungsperson mitzulaufen hat. Da diese Personen aber ihre verantwortliche Tätigkeit nicht aus Jux und Tollerei verrichten, sondern für ihren Aufwand an Zeit und Fußweg auch entschädigt werden, ist nach unserem verwaltungstechnisch beeinflusstem Sprachgebrauch der Begriff „Sicherungspflicht“ wiederum auch gleichzusetzen mit „Gebührenpflicht“.
Ich sehe schon im Geiste die Faschingswägen der Zukunft vor mir, die nicht mehr auf „auf Räder rollenden Fahrgestellen“, sondern auf überdimensionalen Luftkissenfahrzeugen aufgebaut werden und von einem über der Aufbaugrenze angebrachten, großem Luftschaufelrad angetrieben werden. Dies hätte gleichzeitig einen riesengroßen Vorteil bei der Verteilung des Auswurfmaterials, denn dieses müsste nun nicht mehr ausgeworfen werden, sondern würde durch dieses große Luftschaufelrad gleichmäßig über das Volk verteilt. An den entstehenden Problemen bei der Verteilung von Nahrungsmitteln in flüssiger Form wird derzeit noch gearbeitet.
Doch diese Probleme werden sich in nicht all zu ferner Zukunft von alleine lösen, wenn nämlich aufgrund der immer schneller immer größer werdenden Gier der an den Straßen stehenden Passanten gezwungenermaßen auch die zu verteilenden Geschenke immer größer werden müssen.
Denn diese müssen zwangsweise über kurz oder lang auch den Erwartungen des Narrenvolkes angepasst werden. In diesem Fall müsste dann in Zukunft das mitzuführende Wurfmaterial vermutlich aus Smartwatches, Smartphones und Tablets bestehen, was dann natürlich auch wieder unsere fleißigen und zuverlässigen Mitarbeiter der Ordnungsämter auf den Plan ruft. Denn um die in diesem Fall zu erwartenden Verletzungen der Passanten und nachfolgenden Fußgruppen zu vermeiden, müsste dann unweigerlich eine Fangnetzanweisung erstellt werden, da es sich bei dieser Form um eine „fangnetzpflichtige Verteilung Menschen gefährdender Gegenstände zum Zweck der medialen, karnevalistischen Informationsverbreitung“ handelt. Wobei der Begriff „fangnetzpflichtig“ auch wieder unvermeidlich mit dem Begriff „gebührenpflichtig“ verbunden ist.
Oder müssen wir in Zukunft sogar bezahlte Applausanimateure unter das wartende Volk mischen, um dann, die in Ermangelung ausreichender Geschenke faschingsmüden Besucher unserer Umzüge zum Zujubeln zu bewegen?
Um nun ihrerseits die zahlreichen und vielseitigen Gebühren und sonstigen Ausgaben zu stemmen, kamen inzwischen einzelne Gesellschaftspräsidenten dieser oben genannten kriminellen Vereinigungen selbst auf die absurde Idee, man könnte ja von den am Faschingszug teilnehmenden Gruppen selbst eine Teilnahmegebühr kassieren. Dann jedoch würde es sich für diese Teilnehmer um eine „gebührenpflichtige Teilnahme an einer gebührenpflichtigen Veranstaltung, die mit gebührenpflichtig geprüften Fahrzeugen und nur unter gebührenpflichtig erlassenen Sicherheitsauflagen mit gebührenpflichtiger Musikbegleitung stattfindet, handeln.
Und unter all diesen Gesichtspunkten bekommt der Begriff „Faschingszug“ eine ganz neue Bedeutung!
Denn als Fazit bleibt an dieser Stelle nur anzumerken, dass auf diese Art und Weise unser traditioneller Fasching immer stärker vom „Zug“ beeinflusst wird. Wobei der Begriff Zug in diesem Falle nichts mit der deutschen Bahn zu tun hat, denn sonst kämen die meisten Faschingszüge frühestens am Aschermittwoch ins Ziel.
Nein, der Begriff „ZuG“ steht in diesem Fall für Faschings-„Zusammenschluss unabhängiger Gebühreneintreiber“. Hellau.
 

Zeder

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Hallo Rudolf Barth, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Zeder

Redakteur in diesem Forum
 



 
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