all die beschissenen Nachmittage

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G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Man weiß ungefähr, was Du ausdrücken möchtest, revilo, aber sprachlich finde ich das sehr dünn und ungenau.

Eine Depression kann man nicht „hinbekommen“, die überfällt / befällt einen. Eine „anständige Depression“ klingt für mich sehr teenyhaft.

Der Begriff „behäbig“ passt nicht zu einer Farbe, sondern ist eher ein menschliches Attribut. Hier würde vielleicht beständig passen. Und das Grau muss auch nicht unbedingt mittelgrau sein, sondern einfach grau - oder unterscheidest Du zwischen Farbnuancen in Deinem Kopf?

Was ist eine perfekte Stadt für einen Suizid?

Ist dasLyrI nun zerrissen, ob es sich umbringen soll, weil es die perfekte Stadt dafür ist, oder lebt es gern weiter, weil die Miete günstig und die Kneipe direkt um die Ecke ist? So ganz erschließt sich das für mich nicht.

Gruß, Ciconia

P.S: Warum müssen es übrigens ausgerechnet Nachmittage sein? Kommen einem solche Gedanken nicht eher am Abend / in der Nacht?
 
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Tula

Mitglied
Hallo

ja, darin liegt doch gerade der Witz! :) - Vor ein paar Wochen zog ich mir so etwas wie ein Sammelwerk vom Fauser rein. Obwohl das nicht so mein Tee ist, gerade jene Gedichte, die mir gefallen haben, gehen so etwa in die Richtung wie dieses. Da finde ich die von Ciconia zitierten Stellen "so-gar" wunderbar, vor allem das unschlüssige Mittelgrau, das nicht weiß ob und wie es heute überhaupt noch ein richtig, tiefes, sattes Gott-wird-uns-alle-strafen-Grau werden soll. Auch Grau hat so seine Tage, ist halt nicht immer voll drauf :)

LG
Tula
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo revilo,
ein sehr interessantes Gedicht, wie ich finde! Ja, der angeschlagene Ton, irgendwie eine Gratwanderung: schnodderig würde ich ihn nennen und habe jetzt extra im DUDEN nachgeschaut: schnodderig / schnoddrig: provozierend lässig, großsprecherisch, den angebrachten Respekt vermissen lassend.
Nach einigem Abwägen sage ich trotzdem: Das hier ist mehr als ein auf jugendlich getrimmter Slang; es ist ein eigenwilliger, aber ein reifer Ton. Und er ist wirklich nicht leicht zu fassen. Schwingt irgendwo zwischen Monotonie, Desillusionierung, Rebellion und (und das ist dann vielleicht doch keine jugendliche Komponente) - - - Einsicht. Man darf also vermuten, dass unser Protagonist auch bei steigenden Mieten und vorzeitiger Schließung der Kneipe den Löffel nicht geworfen hätte - weil er uns durch die Blume zu verstehen gibt, dass es - so beschissen die Lage auch sein mag - besser ist, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen als sich endgültig geschlagen zu geben.

lg wüstenrose
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Ein Gedicht, ich würde sagen, im Stile von Bukowski, der in einer beschissenen Welt lebt, das feststellt und sich trotzdem an sie gewöhnt hat.
Nicht gerade besonders aussagekräftig, die paar Zeilen, nicht gerade erfreulich für den Leser, aber das muss ja auch nicht sein, ich würde diesen Text als Kritik eines unendlich Gelangweilten lesen, der keine Aussicht auf Änderung sieht. Du schreibst, du hättest gerade Fauler gelesen, und das färbt sich auf dein Gedicht ab, Revilo. Das ist eine Falle für jeden Lyriker, in der Gedanken- und Stilwelt von Texten des anderen zu bleiben. Schlecht finde ich das Gedicht aber nicht, es drückt zumindest aus, dass das Ich es aufgegeben hat, sich seiner Haut zu wehren, dass es sich gelangweilt ins angeblich nicht zu Ändernde ergibt. Solche Zeitgenossen sind von der Obrigkeit gern gesehen, die würden niemals protestieren, die schlucken alles, wie es kommt, und genau das hast du in deinem Gedicht klar ausgesagt. Und das ist tatsächlich die Situation der Mehrheit in unserer beschissenen Gegenwart. Nun darf man das lyrische Ich nicht mit dem Ich des Autors verwechseln, es kann ja sein, dass du dich ganz wohlfühlst in dieser beschissenen Welt.

blackout
 
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G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Das, liebe revilo-Freunde, ist wohl der Fehler, den ich immer wieder begehe: Bei ungereimter Lyrik geht es ja gar nicht um Stilsicherheit und Sprachgefühl, sondern darum, dass man möglichst lässig und schnoddrig (im Stile von Fauser oder gar Bukowski!) schreibt. Verzeiht mir also meine sprachlichen Pingeligkeiten – vor sechzig Jahren ist man im Deutschunterricht eben noch anders geschult worden.:rolleyes:

Gruß, Ciconia
 

revilo

Mitglied
Man weiß ungefähr, was Du ausdrücken möchtest, revilo, aber sprachlich finde ich das sehr dünn und ungenau.

Eine Depression kann man nicht „hinbekommen“, die überfällt / befällt einen. Eine „anständige Depression“ klingt für mich sehr teenyhaft.

Der Begriff „behäbig“ passt nicht zu einer Farbe, sondern ist eher ein menschliches Attribut. Hier würde vielleicht beständig passen. Und das Grau muss auch nicht unbedingt mittelgrau sein, sondern einfach grau - oder unterscheidest Du zwischen Farbnuancen in Deinem Kopf?

Was ist eine perfekte Stadt für einen Suizid?

Ist dasLyrI nun zerrissen, ob es sich umbringen soll, weil es die perfekte Stadt dafür ist, oder lebt es gern weiter, weil die Miete günstig und die Kneipe direkt um die Ecke ist? So ganz erschließt sich das für mich nicht.

Gruß, Ciconia

P.S: Warum müssen es übrigens ausgerechnet Nachmittage sein? Kommen einem solche Gedanken nicht eher am Abend / in der Nacht?

Grüß Dich, wenn Dir das Gedicht nicht gefällt ist das absolut ok. Aber Lyrik ist kein Wettbewerb für aus deiner Sicht perfekte Sprache. Was Lyrik für mich ausmacht, ist ungewöhnliche, vielleicht nicht ganz dem Duden konforme Sprache, verquere Verbindungen scheinbar unversöhnlicher Adjektive. Man kann jedes Gedicht natürlich wie eine gestrenge Deutschlehrerin korrigieren. Dann würden viele Sachen durchfallen, das Klassenziel nicht schaffen oder zumindest versetzungsgefährdet sein. Dafür käme dann aber sterbenslangweilige und staubtrockene Sachen raus. Ich will hier mein Gedicht überhaupt nicht verteidigen. Wenn Du einen solchen Stil nicht magst, sei Dir das natürlich unbenommen. Ich bitte Dich nur, deine gestrenge Sichtweise zu überdenken.

LG revilo
 

revilo

Mitglied
Hallo revilo,
ein sehr interessantes Gedicht, wie ich finde! Ja, der angeschlagene Ton, irgendwie eine Gratwanderung: schnodderig würde ich ihn nennen und habe jetzt extra im DUDEN nachgeschaut: schnodderig / schnoddrig: provozierend lässig, großsprecherisch, den angebrachten Respekt vermissen lassend.
Nach einigem Abwägen sage ich trotzdem: Das hier ist mehr als ein auf jugendlich getrimmter Slang; es ist ein eigenwilliger, aber ein reifer Ton. Und er ist wirklich nicht leicht zu fassen. Schwingt irgendwo zwischen Monotonie, Desillusionierung, Rebellion und (und das ist dann vielleicht doch keine jugendliche Komponente) - - - Einsicht. Man darf also vermuten, dass unser Protagonist auch bei steigenden Mieten und vorzeitiger Schließung der Kneipe den Löffel nicht geworfen hätte - weil er uns durch die Blume zu verstehen gibt, dass es - so beschissen die Lage auch sein mag - besser ist, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen als sich endgültig geschlagen zu geben.

lg wüstenrose

Hallo, vielen Dank für Deine Anmerkung. der Typ wählt wahrscheinlich nur das kleinere Übel. Besonders freut mich ,dass du den Ton als eigenwillig ansiehst. genau so soll es auch sein. LG Oliver
 

revilo

Mitglied
Ein Gedicht, ich würde sagen, im Stile von Bukowski, der in einer beschissenen Welt lebt, das feststellt und sich trotzdem an sie gewöhnt hat.
Nicht gerade besonders aussagekräftig, die paar Zeilen, nicht gerade erfreulich für den Leser, aber das muss ja auch nicht sein, ich würde diesen Text als Kritik eines unendlich Gelangweilten lesen, der keine Aussicht auf Änderung sieht. Du schreibst, du hättest gerade Fauler gelesen, und das färbt sich auf dein Gedicht ab, Revilo. Das ist eine Falle für jeden Lyriker, in der Gedanken- und Stilwelt von Texten des anderen zu bleiben. Schlecht finde ich das Gedicht aber nicht, es drückt zumindest aus, dass das Ich es aufgegeben hat, sich seiner Haut zu wehren, dass es sich gelangweilt ins angeblich nicht zu Ändernde ergibt. Solche Zeitgenossen sind von der Obrigkeit gern gesehen, die würden niemals protestieren, die schlucken alles, wie es kommt, und genau das hast du in deinem Gedicht klar ausgesagt. Und das ist tatsächlich die Situation der Mehrheit in unserer beschissenen Gegenwart. Nun darf man das lyrische Ich nicht mit dem Ich des Autors verwechseln, es kann ja sein, dass du dich ganz wohlfühlst in dieser beschissenen Welt.

blackout
Hallo blackout, ich gebe zu, dass ich von Fauser sehr beeinflusst bin. Zumindest, als ich das Gedicht schrieb. Zumindest bei diesem Gedicht. Das kann natürlich ein Fehler sein, wenn man dabei seine eigene sprachliche Identität aufgibt. Aber das habe ich hier nicht getan. Ich habe mit 17 unendlich viel schlechte Bukowski-Imitate geschrieben. ich habe 44 Bücher von ihm und erst in meine Adoleszenz gekracht wie wie ein 40-Tonner. Und das finde ich auch heute noch gut. Im Moment bin ich voll auf Genazino. mal gucken, was dabei rauskommt. LG und herzlichen Dank !
 

revilo

Mitglied
Hallo

ja, darin liegt doch gerade der Witz! :) - Vor ein paar Wochen zog ich mir so etwas wie ein Sammelwerk vom Fauser rein. Obwohl das nicht so mein Tee ist, gerade jene Gedichte, die mir gefallen haben, gehen so etwa in die Richtung wie dieses. Da finde ich die von Ciconia zitierten Stellen "so-gar" wunderbar, vor allem das unschlüssige Mittelgrau, das nicht weiß ob und wie es heute überhaupt noch ein richtig, tiefes, sattes Gott-wird-uns-alle-strafen-Grau werden soll. Auch Grau hat so seine Tage, ist halt nicht immer voll drauf :)

LG
Tula
Hallo Tula, ja, genau darin liegt der Witz. In der Unkorrektheit......;)
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Eigentlich, Revilo, gefällt mir dein Gedicht sogar sehr gut. Ich will es mal probieren und bei meiner Bewertung noch ein Sternchen hinzufügen, mal sehen, ob die Technik mitspielt.

Nein, es klappt nicht, weil ich schon mal bewertet habe. Also merk dir: Fünfsternegedicht!

blackout
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Grüß Dich, wenn Dir das Gedicht nicht gefällt ist das absolut ok. Aber Lyrik ist kein Wettbewerb für aus deiner Sicht perfekte Sprache. Was Lyrik für mich ausmacht, ist ungewöhnliche, vielleicht nicht ganz dem Duden konforme Sprache, verquere Verbindungen scheinbar unversöhnlicher Adjektive. Man kann jedes Gedicht natürlich wie eine gestrenge Deutschlehrerin korrigieren. Dann würden viele Sachen durchfallen, das Klassenziel nicht schaffen oder zumindest versetzungsgefährdet sein. Dafür käme dann aber sterbenslangweilige und staubtrockene Sachen raus. Ich will hier mein Gedicht überhaupt nicht verteidigen. Wenn Du einen solchen Stil nicht magst, sei Dir das natürlich unbenommen. Ich bitte Dich nur, deine gestrenge Sichtweise zu überdenken.

LG revilo
Das sollte ich mir wohl ausdrucken. Für meinen nächsten Text oder so ;)
 

Max Neumann

Mitglied
Hand aufs Herz, Revilo: Das ist eine böse Sprachgewalt, die in deinem Tag ausbricht. In minimalistischer Weise ohne Tamtam einfach mal 'nen Burner hingelegt.
 



 
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