Anna

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Ich rauche und du stirbst. Ich salutiere und du schweigst. Ich trinke und du weinst. Das können wir ewig so weiter treiben, Madam. Aber es macht mir gelinde gesagt keinen Spaß, wenn du keine Angst dabei hast.
Du vertraust mir nicht und jedesmal hast du danach schreckgeweitete Augen. Ich wette, du hast noch nie jemandem von mir erzählt. Hast mich in dir eingegraben wie einen wertvollen Schatz. Oder eine böse Sünde. Du musst es ja nicht gleich überall rumerzählen. Aber sag es wenigstens dir selbst. Erklär dir deine Sehnsucht nach mir und gib ihr endlich nach, verdammt!
 
Ja, das hat sie auch einmal gesagt, wenn auch in anderem Zusammenhang. Sie möchte nicht einfach so nachgeben. Sie will von mir umworben werden. Schämt sich und hat Angst, möchte aber im Grunde doch, daß ich ihr meine Küsse aufzwinge. Sie mitnehme und eine Nacht lang bei mir zuhause einsperre. Auf meinem Bett festbinde, mich vorsichtig auf sie lege, sie lange und sattsam anschaue und mir dann von ihr nehme, was ohnehin nur für mich ist. Du willst auf diese zärtliche Weise missbraucht werden, Anna. Aber du weisst nicht davon. Du machst mich zum Täter.
 
Es ist etwas geschehn. Sie hat mich endlich angerufen. Gestern nacht hat sie mich angerufen, gesagt, daß sie mich nie wieder sehen will. Irgendwas gefaselt, das es "nicht sein" darf. Und sie hat mir ihre neue Nummer dadurch mitgeteilt.
Und geweint hast du dabei. Eine schönere Liebeserklärung hättest du mir nicht machen können! Und es ist eine Verschwendung, daß ich nicht jede deiner Tränen von deinen Wangen lecken und zurück auf deinen Mund küssen kann. Jetzt bin ich mir sicher, daß ich dich noch finde.
 
Deine Blässe ist so erhaben! Wie ein freundliches Gestirn leuchtest du im Dunkeln. Ich setze mich neben dich auf den warmen Parkettfußboden und wir rauchen andächtig und hören eine alte Aufnahme von Benjamino Gigli. Durch das angekippte Fenster dringt kalte Luft ins Zimmer und irgendwo bellt ein Hund. Du frierst an deine nackten Beine und ich bemerke, daß du ein Kettchen mit meinem Namen am Fußgelenk trägst. Ich küsse es glücklich und du singst leise: "Funiculi funicula". Ich gestehe es: ich will dich zum Bett ziehen. Aber du gehst.
 
Liebe Anna,

morgen bin ich mal einen Tag lang du. Dusche am Morgen deinen Körper, gehe dann in dein Büro, esse vegetarisch (mal sehn, ob das schmeckt) und mache Buchhaltung bis zum Abwinken. Das wird ein schwarzer Tag für Magix.
Ich lasse mich in den Pausen von jungen Herren umschmeicheln, die ihre Nasen an meine Wange drücken. Zuhause probiere ich deine ganzen Kleider und Schuhe an, auf die spitzen weißen freue ich mich schon. Dann warte ich, bis ich mich anrufe, lasse mich etwas betteln und schließlich zum Abendessen einladen. Ich trinke Wein mit mir, weiche scheu den Blicken meiner grünen Augen aus und widerstehe einmal mehr meinen Verführungskünsten. Ich gebe mir zum Abschied einen Kuss, gerade soviel, daß ich die Hoffnung bei mir selbst nicht verliere sondern weiterschmachten muss, und gehe dann nach Hause. Ich lege mich in dein Bett und kuschele mich in dein Kissen, werfe noch schnell einen Blick auf das Bild von Lene und schlafe dann glücklich ein.
 
Na Anna, der letzte Beitrag scheint nun aber doch etwas zu viel für dich gewesen zu sein.
Sie ist weggefahren, mit einer Freundin zusammen. Mir hat sie nichts davon erzählt. Anrufen kann ich sie nicht, Mail schreiben auch nicht. Und sie selbst rührt sich nicht bei mir. Ich hasse es echt, wenns immer so auf und ab geht. Ich denk, ich hab es endlich geschafft und du vertraust mir. Und da hast du plötzlich so einen Austicker. Komm gefälligst wieder her, Anna!
 
Vorgestern war ich in der Gärtnerei bei uns um die Ecke. Hab mir Blumen geben lassen, Astern und Margeriten, einen dicken Strauß voll. Damit bin ich zu Anna gelaufen und hab ihr alle Blütenblätter einfach so vor die Tür gestreut. Damit du weich gehst, wenn du wiederkommst. Jetzt sitze ich vor deiner Tür auf halber Treppe und wache, damit niemand das Zeug wegkehrt. Und langsam bekomme ich Hunger.
 
Du hast mich ganz schön mürbe gemacht. Ich sitze jetzt nicht mehr vor deiner Tür. Ich sitze in einem Zug. Ich lese Tageszeitung. Titelblatt Regionales: "Sie will dich nicht. Anna (Name von der Redaktion nicht geändert) liebt dich nicht mehr." Jemand hat ans Abteilfenster "Vergiss sie!" gesprüht. Eine alte Frau mit einem Koffer auf Rollen geht durch den Korridor, bleibt vor meiner Tür stehen und schüttelt den Kopf. "Kindchen, wie kannst du nur...!" Und als ich wieder zu Hause bin, hängt ein Zettel an meiner Tür: "War keiner da inzwischen".
 
Du liegst so da, auf der Couch, mit einer Blüte auf den Lippen. Ich nehme sie vorsichtig weg - knie vor dir dabei, eine Hand auf deiner feuchten Stirn, die andere auf deiner Brust - und küsse dich. Erst mit Zunge, dann ohne sie. Ich hoffe, du merkst nichts.
Langsam streicht meine Zunge über deine nassgeküssten Lippen, dann setze ich die Blüte wieder darauf, drücke deine Hand und verschwinde dann in eine dunkle Ecke des Zimmers. Dort rauche ich dann und warte.
 

Suzie

Mitglied
hallo magdalena
ich war von "Anna" irgendwie total beeindruckt und habe, als du im april aufgehört hattest, es fortzusetzen, selbst daran weitergeschrieben... hmm... dabei ist glaub ich meine Anna ganz anders geworden, als deine (aber das passiert ja von selbst) naja
jedenfalls ist meine anna ganz selbstzerstörerisch und wütend oder so...
lg
 
Hallo Suzie. Ist es dein Ernst? Du hast an meiner "Anna" weitergeschrieben? Ich finde das entzückend! Hoffentlich ist das nicht unverschämt: Ich möchte das gern lesen... hab schon danach gesucht... bin dabei lange bei ardently enamoured hängen geblieben... das gefiel mir nun wieder...
Sag, stehts hier in der Leselupe? Darf ichs lesen? Würde mich erfreuen.

Liebe Grüße. Magdalena
 

Suzie

Mitglied
hallo magdalena
klar darfst du's lesen; ich hab's nicht in die leselupe gestellt, weil ich nicht wusste, ob das okay für dich wäre, "Anna" gehört ja schließlich dir
aber ich poste es gerne oder schicks dir per mail, wenn du magst :)
 
Schön. Suchs dir aus aber beeil dich. Denn ich bin ungeduldig auf deine Anna. Ehrlich, das reizt mich schon.
Und mellie, haben wir dich aus einem Sommerschlaf gerissen? :) Hab sporadisch beschlossen, mal wieder meinen Anna-Text weiter zu führen.

Lene
 

Suzie

Mitglied
So Magdalena, ich hab nen thread aufgemacht für „Anna-2“ :)
Also es is halt nicht direkt ne Fortsetzung, aber die Idee von „Anna“ hat mir total gefallen und ich hab versucht, so ähnlich weiter zu schreiben :)
 
Es ist fast so, als würdest du das Gegenteil unserer Beziehung abbilden. Ich bin es, die häufig so irrational handelt und Anna ist es, die an mir verzweifelt. Für sie muss die Welt anständig und ordentlich sein. Abnormale Dinge regen sie tierisch auf. Und mich hält sie für eine Katastrophe. Manchmal stelle ich mir auch vor, ihr den Bauch aufzuschneiden. Ganz langsam mit kaltem Stahl an ihrer rechten Leiste angesetzt und langsam über den schneeweißen Bauch gezogen bis hoch zum linken Brustansatz. Nicht tief, nicht, dass es weh tut. Nur so, dass ein dünner Strahl Blut... Das sieht sehr schön aus auf ihrer Haut. Aber sie will sowas nicht. Sie geht lieber durch den Nachthimmel und sticht sich Sterne in ihre nackten Füße. Und ich muss sie heilen.
 

Suzie

Mitglied
Weißt du, einmal, da wollte ich Anna ein bisschen umbringen. Nicht richtig, aber ich wollte, dass sie weg ist.
Sie war in der Badewanne eingeschlafen und ich hab ihren Kopf unter Wasser gedrückt.
Aber Anna stirbt nicht so einfach.
Sie hat nur die Augen geöffnet, mir direkt ins Gesicht gesehen und gelächelt.
Da ließ ich sie los, aber sie tauchte nicht sofort wieder auf, sondern schaute mich weiter unentwegt an.
Ich bin daraufhin ziemlich wütend geworden und hab sie schließlich aus der Wanne gezerrt.
Und dann hat sie drei Wochen lang nicht mit mir geredet und ist jede Nacht zu Natascha gegangen und ließ mich alleine zurück.
 
Gut tat sie daran. Sie war gekränkt. Meine Anna will ich nicht oft töten. Höchstens aus Lust. Vielleicht mit meiner Brust ersticken. Es reizt mich ungemein, sie mir zu Willen zu machen. Ich will, dass sie alles tut, was ich möchte. Weil sie scheu und widerspenstig ist. Und in ihrer Angst gnadenlos und unbarmherzig. Eigentlich ist sie es, die mich ohne Zögern opfern müsste.
Anna ekelt sich etwas vor mir. Vielleicht nicht konkret vor mir. Nur vor meiner Nähe. Vor Nähe. Wenn wir abends auf dem Parkettboden ihres Wohnzimmers sitzen und Musik hören, darf ich sie nicht anrühren. Rauchen darf ich und mitsummen. Und manchmal nimmt sie sogar Komplimente von mir hin, solange ich keine Reaktion auf sie erwarte. Doch strecke ich meine Hand nach ihr, bricht ihre gläserne Fassung in tausend wütende Splitter. Sie hat in ihrem Zorn schon meine Schuhe vom Balkon auf die Kreuzung unten geworfen. Sie waren zerrissen. Und ich bin barfuss nach Haus gefahren.
Ich habe ein wenig Angst vor ihren geheimen Lüsten, weisst du das?
 

Suzie

Mitglied
Sie hat mir gedroht! Kannst du dir das vorstellen? Anna hat mir gedroht, Leander alles zu erzählen! Diese dämliche Kuh! Sie weiß genau, dass ich sie dafür hasse und eifersüchtig bin und alles!
Doch, ich möchte Anna oft umbringen. Nicht so wirklich, aber manchmal wünsche ich mir, dass sie endlich still ist und aufhört, ihre Lippen zu zerkauen. Das macht mich richtig wahnsinnig. Ihre wunderschönen Lippen
Mit Anna kann man auch keine Musik hören, weil sie jedes Mal versucht, mitzusingen. Ich werde ganz krank dabei. Nicht, dass es grässlich klingt, aber sie legt dann den Kopf in den Nacken und ich muss ständig auf ihren weißen Hals starren. Meine Anna hat nämlich auch geheime Gelüste, da bin ich mir sicher. Sie will, dass ich eines Tages durchdrehe wegen ihr. Weißt du, ich traue mich nie, sie anzufassen. Sie fängt immer damit an. Und hinterher kocht sie sich einen Himbeertee und guckt mich böse an, so als wäre ich an allem schuld und dann steht sie auf und läuft weg, meistens zu Leander.
 
Leander gibt es nicht. Nur mich gibt es und Anna. Und das gläserne Fenster in ihrer Brust, durch dass man ihr angstvoll zuckendes Fleisch sehen kann. Das Eis in ihren Händen, dass sie jedes Jahr im Herbst in den Parkteich gibt, damit er zufriert und wir darauf Schlittschuhlaufen können. Ich fahre hinter der schwitzenden und lachenden Anna her und hasche mit meinem roten Schal nach ihr. Und hoffe, dass ich sie noch erwische, bevor wir beide in einem Eisloch verschwinden.
 



 
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