Franklyn Francis
Mitglied
Da fliege ich zum ersten Mal geschäftlich in der Business-Klasse einer Chartermaschine, das Flugzeug landet sanft und ich bin der einzige, der applaudiert.
Doch so schnell ich zu Klatschen anfing, so schnell hörte ich auch wieder auf, als ich meinen vermeintlichen Fauxpas bemerkte.
Allen anderen interessierte der gute Job des Piloten nämlich scheinbar gar nicht – sie packten ganz unbeteiligt ihre Zeitschriften weg, nestelten an ihren Smartphones oder suchten schon ihr Handgepäck zusammen.
Dabei fand ich es gar nicht unangebracht, schließlich war ich diese gute Sitte doch schon von Kind an gewohnt. Bereits bei meiner ersten Landung auf Mallorca klatschte ich eifrig mit meinen Patschhändchen mit, als die Maschine sicher auf dem Landefeld aufsetzte.
Klatschen ist laut Wikipedia der Ausdruck einer Billigung oder des Gefallens einer Darbietung. Passt doch.
Ist es für die Business-Reisenden womöglich kein besonderes Erlebnis mehr oder was ist der wahre Grund für ihre Enthaltsamkeit? Sind sie einfach nur genervt durch ihre Geschäftsreise? Zu beschäftigt oder schon in Gedanken ob ihrer geplanten, geschäftlichen Aktivitäten? Fliegen sie womöglich zu oft, dass sie sich schon an die wahrlich gute Arbeit des Piloten gewohnt haben?
Ein Angstforscher klärte mal auf, dass es beim Beifall im Flugzeug gar nicht um die Piloten oder das Team gehe. Vielmehr sei das Klatschen Ausdruck der Erleichterung, eine Gefahr überlebt zu haben. Ach, so ist das also.
Eigentlich gibt es noch zahlreiche Situationen, in denen das Leben von der Leistung eines Einzelnen abhängig ist. Wer klatscht schon im Aufwachraum, wenn er nach einer Operation wieder zu sich gekommen ist oder nach dem Bunjee-Jumping, wieder auf festem Boden stehend ... oder im Taxi.
Ich denke da an die anschließende Fahrt vom Flughafen Bukarest zum Hotel. Das war ein ebenso anspruchsvoller Job wie das Führen und die Landung eines Jumbojets. Wenn nicht bedeutend schwieriger. Schließlich war das Taxi nicht das einzige Fortbewegungsmittel und hatte nicht unendlich viel Platz im Himmel oder eine kilometerlange, breite Landebahn.
Unter wilden Lenkbewegungen schlängelte sich der Fahrer durch hunderte Autos und Vehikel anderer Verkehrsteilnehmer, fuhr links, beschleunigte, fuhr rechts, bremste ab. Ich kam mir vor wie in den Turbulenzen einer Schlechtwetterfront, prüfte meinen Dreipunktgurt, bevor eine Durchsage mich dazu auffordern würde. Dann Erinnerungen an Luftlöcher: Ein Ruckeln und Zucken, Hüpfen und Springen. Ich dachte an mein Gepäck im Kofferraum, die empfindliche Musterware, zerstreut und zerbrochen durch Schlaglöcher. Mit beiden Händen umklammerte ich die Haltestange über dem Fenster, starrte an der Kopfstütze vorbei aufs Armaturenbrett, versuchte mich zu beruhigen, einen Punkt zu fixieren. Hektisch drückte der Fahrer Knöpfe, betätigte Schalter und bewegte Schieberegler hin und her. Überall leuchteten Birnchen und bunte Lämpchen auf, die digitale Anzeige spukte Zahlen aus, Diagramme und Kurven wurden größer und wieder kleiner. Aus dem Radio rauschte es, draußen hupte es, der Fahrer kotzte seine Raucherlunge aus. Den Lüftungsschächten entwich heiße Luft, die Scheiben beschlugen. Der Fahrer löste seinen Gurt, beugte sich vor, wischte mit einem Taschentuch den nassen und fettigen Belag ab und warf es zu den Lappen, leeren Dosen und Zigarettenpackungen im Fußraum des Beifahrerplatzes.
Das Taxi quetschte sich derweil durch eine Lücke, die ich nicht mit dem Fahrrad passieren könnte; Fußgänger sprangen beherzt zur Seite, andere Verkehrsteilnehmer zeigten den Autofahrergruß. Von irgendwoher piepste es; ein penetrantes, undefinierbares Brummen aus dem Motorraum. Klappern im Auto; Dinge rollten von links nach rechts, schlugen gegen Blech. So stellte ich es mir bei einer Notlandung vor, kurz bevor der Tower die Kontrolle über die Maschine übernahm, kurz bevor die Sauerstoffmasken von der Decke fielen. Ich liess den Blick los, schaute nach draußen, ohne vorher nicht noch über mir nach Masken Ausschau zu halten. Aus allen Richtungen blendeten mich Lichtsignale: Ampeln, Laternen, Leuchtreklamen, Baustellenlampen. Verkehrsschilder schossen an mir vorbei, im Wechsel mit Straßenschildern in undefinierbaren Schriftzeichen. Ich schloss die Augen, atmete ruhig durch, wischte mir den Schweiß von der Stirn, hörte mein Herz klopfen und dachte an die Geborgenheit im Jumbojet, an die sicheren Hände des Piloten, an die beruhigenden Worte des Bordpersonals, wartete auf ein erlösendes Signal.
Dann kam es auch, laut und angekündigt durch eine Vollbremsung mit quietschenden Reifen: „Hotel Maritim!“
Und wieder war ich der Einzige, der applaudierte. Der Fahrer betrachtete mich irritiert, wie ich ihn anstrahlte in meinen zerknitterten Anzug, an dem der von Schweiß getränkte Schlips wie ein nasser Lappen hing. Ungerührt sagte er: "Eighteen Euro, Maestro!“
Doch so schnell ich zu Klatschen anfing, so schnell hörte ich auch wieder auf, als ich meinen vermeintlichen Fauxpas bemerkte.
Allen anderen interessierte der gute Job des Piloten nämlich scheinbar gar nicht – sie packten ganz unbeteiligt ihre Zeitschriften weg, nestelten an ihren Smartphones oder suchten schon ihr Handgepäck zusammen.
Dabei fand ich es gar nicht unangebracht, schließlich war ich diese gute Sitte doch schon von Kind an gewohnt. Bereits bei meiner ersten Landung auf Mallorca klatschte ich eifrig mit meinen Patschhändchen mit, als die Maschine sicher auf dem Landefeld aufsetzte.
Klatschen ist laut Wikipedia der Ausdruck einer Billigung oder des Gefallens einer Darbietung. Passt doch.
Ist es für die Business-Reisenden womöglich kein besonderes Erlebnis mehr oder was ist der wahre Grund für ihre Enthaltsamkeit? Sind sie einfach nur genervt durch ihre Geschäftsreise? Zu beschäftigt oder schon in Gedanken ob ihrer geplanten, geschäftlichen Aktivitäten? Fliegen sie womöglich zu oft, dass sie sich schon an die wahrlich gute Arbeit des Piloten gewohnt haben?
Ein Angstforscher klärte mal auf, dass es beim Beifall im Flugzeug gar nicht um die Piloten oder das Team gehe. Vielmehr sei das Klatschen Ausdruck der Erleichterung, eine Gefahr überlebt zu haben. Ach, so ist das also.
Eigentlich gibt es noch zahlreiche Situationen, in denen das Leben von der Leistung eines Einzelnen abhängig ist. Wer klatscht schon im Aufwachraum, wenn er nach einer Operation wieder zu sich gekommen ist oder nach dem Bunjee-Jumping, wieder auf festem Boden stehend ... oder im Taxi.
Ich denke da an die anschließende Fahrt vom Flughafen Bukarest zum Hotel. Das war ein ebenso anspruchsvoller Job wie das Führen und die Landung eines Jumbojets. Wenn nicht bedeutend schwieriger. Schließlich war das Taxi nicht das einzige Fortbewegungsmittel und hatte nicht unendlich viel Platz im Himmel oder eine kilometerlange, breite Landebahn.
Unter wilden Lenkbewegungen schlängelte sich der Fahrer durch hunderte Autos und Vehikel anderer Verkehrsteilnehmer, fuhr links, beschleunigte, fuhr rechts, bremste ab. Ich kam mir vor wie in den Turbulenzen einer Schlechtwetterfront, prüfte meinen Dreipunktgurt, bevor eine Durchsage mich dazu auffordern würde. Dann Erinnerungen an Luftlöcher: Ein Ruckeln und Zucken, Hüpfen und Springen. Ich dachte an mein Gepäck im Kofferraum, die empfindliche Musterware, zerstreut und zerbrochen durch Schlaglöcher. Mit beiden Händen umklammerte ich die Haltestange über dem Fenster, starrte an der Kopfstütze vorbei aufs Armaturenbrett, versuchte mich zu beruhigen, einen Punkt zu fixieren. Hektisch drückte der Fahrer Knöpfe, betätigte Schalter und bewegte Schieberegler hin und her. Überall leuchteten Birnchen und bunte Lämpchen auf, die digitale Anzeige spukte Zahlen aus, Diagramme und Kurven wurden größer und wieder kleiner. Aus dem Radio rauschte es, draußen hupte es, der Fahrer kotzte seine Raucherlunge aus. Den Lüftungsschächten entwich heiße Luft, die Scheiben beschlugen. Der Fahrer löste seinen Gurt, beugte sich vor, wischte mit einem Taschentuch den nassen und fettigen Belag ab und warf es zu den Lappen, leeren Dosen und Zigarettenpackungen im Fußraum des Beifahrerplatzes.
Das Taxi quetschte sich derweil durch eine Lücke, die ich nicht mit dem Fahrrad passieren könnte; Fußgänger sprangen beherzt zur Seite, andere Verkehrsteilnehmer zeigten den Autofahrergruß. Von irgendwoher piepste es; ein penetrantes, undefinierbares Brummen aus dem Motorraum. Klappern im Auto; Dinge rollten von links nach rechts, schlugen gegen Blech. So stellte ich es mir bei einer Notlandung vor, kurz bevor der Tower die Kontrolle über die Maschine übernahm, kurz bevor die Sauerstoffmasken von der Decke fielen. Ich liess den Blick los, schaute nach draußen, ohne vorher nicht noch über mir nach Masken Ausschau zu halten. Aus allen Richtungen blendeten mich Lichtsignale: Ampeln, Laternen, Leuchtreklamen, Baustellenlampen. Verkehrsschilder schossen an mir vorbei, im Wechsel mit Straßenschildern in undefinierbaren Schriftzeichen. Ich schloss die Augen, atmete ruhig durch, wischte mir den Schweiß von der Stirn, hörte mein Herz klopfen und dachte an die Geborgenheit im Jumbojet, an die sicheren Hände des Piloten, an die beruhigenden Worte des Bordpersonals, wartete auf ein erlösendes Signal.
Dann kam es auch, laut und angekündigt durch eine Vollbremsung mit quietschenden Reifen: „Hotel Maritim!“
Und wieder war ich der Einzige, der applaudierte. Der Fahrer betrachtete mich irritiert, wie ich ihn anstrahlte in meinen zerknitterten Anzug, an dem der von Schweiß getränkte Schlips wie ein nasser Lappen hing. Ungerührt sagte er: "Eighteen Euro, Maestro!“
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