Arbeitslos

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HajoBe

Mitglied
Er ist schon leider etwas älter,
war lange leitend Angestellter
in einem Industriebetrieb,
der kürzlich auf der Strecke blieb.

Hat sich erfolgreich angestellt,
mit Schlips und Kragen, Mann von Welt,
beliebt beim Chef und den Kollegen,
was auch die Zeugnisse belegen.

Und nun: Erfolglos angestellt,
im letzten Glied der Warteschlange,
bezieht er Arbeitslosengeld,
Hartz-Vier-Salär. Das geht noch lange.

Er, einst ein Wirtschaftswunderkind
voller Elan und Zuversicht,
Wegrationalisierungswind
bläst gnadenlos ihm ins Gesicht.

Ist nichts mehr wert, nicht mehr gefragt
und viel zu jung, um schon zu sterben.
Am Schalter hat man ihm gesagt:
"Sie müssen sich halt neu bewerben!"

Was soll er seinen Kindern sagen,
die sind nicht aus dem Gröbsten raus,
und seiner Frau? Sie wird ihn fragen.
Er traut sich kaum noch in sein Haus
und fühlt sich elend, weggeschmissen,
nicht mehr gebraucht, wie Wohlstandsmüll.
Und niemand wird ihn mehr vermissen.
Solch` Ende stand nicht im Kalkyl.

Schluss, dass man so mit ihm verfährt,
er lässt es sich nicht mehr gefallen.
"Ich bin doch schließlich etwas wert,
mach` jede Arbeit, zeig` es allen."

Im Stadtpark sammelt er jetzt Dosen
und Flaschen, weggeworf`nen Mist,
schneidet gelegentlich die Rosen
und spürt, dass er erneut wer ist.

"Guten Morgen, Herr Direktor!",
klingt es früh aus manchem Mund.
"Beneidenswert, was Sie da machen,
stets frische Luft, das hält gesund."

Dass man ihn je in seinem Leben
mit einem Euro stündlich löhnt?
Doch Eines wird es nicht mehr geben:
Dass man ihn "arbeitslos" verhöhnt.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo HajoBe,

im Grunde geht es doch genau darum: Wie es auch ist, man muss seinen ganz persönlichen Frieden mit der veränderten Situation machen. Dein Text kommt so leichtfüßig daher und fast könnte man ihn satirisch missverstehen. Aber unabhängig davon, was 'andere' sich bei der 'Fordern und Fördern Lüge' gedacht oder nicht gedacht haben, was man theoretisch über die Zumutung von 1 Euro Jobs denken mag. Alles ganz egal, solange man sich in seiner Haut ein bisschen besser fühlt und nicht anfängt, den Mond anzuheulen.
Denn nur, wenn man diesen inneren Frieden hat, besteht überhaupt eine Chance, wieder einen adäquaten Job zu bekommen. Verzweiflung und die Scham, dieses Gefühl der Unzulänglichkeit, die graben sich ins Gesicht, und die kann man riechen - wie Angst.
Das war mir vorher so nicht klar. Danke.

Liebe Grüße
Petra
 

HajoBe

Mitglied
Hallo Petra zu später Stunde,
danke für deine Zeilen und deine Gedanken. Das Schlimme ist, dass wir der Chimäre Arbeitslosigkeit hilflos ausgesetzt sind und sie bereits als eine hinnehmbare Zeiterscheinung begreifen. Die Antwort kann nur sein, sich sein Wertebewusstsein zu erhalten. Ich bin mit und ohne Arbeit der gleiche Mensch. Das kann auch der eine Euro pro Stunde nicht abwerten.
Sind wir froh, dass wir dennoch in einem Sozialstaat leben.
Gute Nacht und LG HajoBe
 
F

Fettauge

Gast
Lieber HajoBe,

ein Text zum selben Thema, das ich eingestellt hatte, sogar mit dem demselben Titel: Arbeitslos. Dennoch unterscheiden sich beide Gedichte: Deins nimmt sich einen vor, der in leitender oder mittlerer Position tätig war, jeden Wunsch seines Brötchengebers ausgeführt hatte, und nun vor dem Nichts steht, wo man ihn nicht mehr benötigt. Mein Text einen, der das nicht unbedingt war, vielleicht Techniker auf der unteren Ebene, und nun dabei ist, langsam abzusacken, einfach aufzugeben. Unterschiedliche Haltungen.

Dein Text erhält eine Menge Wahres. Was ich ihm jedoch nicht abnehme, ist, dass der arme Kerl, der frühere leitende Angestellte, nun Dosen im Park sucht. Das ist zu gewollt, denke ich, so weit geht so einer nicht runter, da steht die Scham vor dem, was er mal war, lieber verhungert so einer, er ist das, was man Stehkragenprolet nennt. Außerdem funktionieren bei ihm auch mitunter noch bestimmte Beziehungen. Und doch gilt er der Dame hinter dem Computer auf dem Amt als Schmarotzer und Faulenzer. Diesen Aspekt verschweigst du, aus welchem Grunde, das kann ich nur raten, aber er fehlt unbedingt, wenn der Text anklagen soll. So kommt er doch ein wenig stromlinienförmig herüber.

Dein Text ist gut geschrieben, er gibt einen Überblick in die Gepflogenheiten des Amtes, wobei die Demütigung des Arbeitslosen, die unbedingt dazugehört, für mich noch nicht so richtig durchscheint. Mich irritiert aber die Strophe mit den acht Zeilen, vergessen zu schalten?

Lieben Gruß
Fettauge
 

HajoBe

Mitglied
Hallo Fettauge, danke für deine interessante Einschätzung. Ich kenne leider einige Fälle, in denen hochdotierte leit. Angestellte schlussendlich eine Arbeit "im Park zu Reinigungszwecken" übernommen haben. Sie taten dies ausschließlich, um nicht immer wieder das Gefühl zu haben, völlig überflüssig zu sein. Es ist für viele weitaus erniedrigender wöchentlich auf der Arbeitsagentur zu warten, ob man etwas Passendes für sie hat, als zunächst irgendeine, wenn auch inadäquate, Arbeit zu übernehmen. Ich sehe auch einen versteckten Protest darin, wenn ein ehem. leit. Angestellter eine solche Arbeit übernimmt. Es wirkt wie eine Anklage gegen unseren doch in so vielem versagenden Sozialstaat.
Werde noch ein wenig am Text - und den Absätzern - arbeiten.
Wünsche ein recht schönes Wochenende und lieben gruß
HajoBe
 

HajoBe

Mitglied
Er ist schon leider etwas älter,
war lange leitend Angestellter
in einem Industriebetrieb,
der kürzlich auf der Strecke blieb.

Hat sich erfolgreich angestellt,
mit Schlips und Kragen, Mann von Welt,
beliebt beim Chef und den Kollegen,
was auch die Zeugnisse belegen.

Und nun: Erfolglos angestellt,
im letzten Glied der Warteschlange,
bezieht er Arbeitslosengeld,
Hartz-Vier-Salär. Das geht schon lange.

Er, einst ein Wirtschaftswunderkind
voller Elan und Zuversicht,
Wegrationalisierungswind
bläst gnadenlos ihm ins Gesicht.

Ist nichts mehr wert, nicht mehr gefragt
und viel zu jung, um schon zu sterben.
Am Schalter hat man brüsk gesagt:
"Sie müssen sich halt neu bewerben!"

Was soll er seinen Kindern sagen,
die sind nicht aus dem Gröbsten raus,
und seiner Frau? Sie wird ihn fragen.
Er traut sich kaum noch in sein Haus.

Er fühlt sich elend, weggeschmissen,
nicht mehr gebraucht, wie Wohlstandsmüll.
Und niemand wird ihn mehr vermissen.
Solch` Ende stand nicht im Kalkyl.

Schluss, dass man so mit ihm verfährt,
er lässt es sich nicht mehr gefallen.
"Auch ich bin schließlich etwas wert,
mach` jede Arbeit, zeig` es allen."

Im Stadtpark sammelt er jetzt Dosen,
Papier und Flaschen, jeden Mist,
schneidet gelegentlich die Rosen
und spürt, dass er erneut wer ist.

"Guten Morgen, Herr Direktor!",
klingt es früh aus manchem Mund.
"Beneidenswert, was Sie da machen,
stets frische Luft, das hält gesund."

Dass man ihn je in seinem Leben
mit einem Euro stündlich löhnt?
Doch Eines wird es nicht mehr geben:
Dass man ihn "arbeitslos" verhöhnt.

Sein Schicksal ist nicht selbstverschuldet,
er ist ein Opfer uns`rer Zeit,
will nicht, dass man ihn nur noch duldet
im Stand der Arbeitslosigkeit.
 



 
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