Offenbar, lieber Walther, gehen wir von verschiedenen Prämissen aus – und zwar an vielen Stellen.
Deine Anmerkungen passen auf einen Text, der unter der Rubrik "Kurzprosa" steht. Dort ist er aber nicht eingestellt. Vielmehr steht er unter Tagebuch - Diary. Hier erwartet man üblicherweise Texte, die noch nicht fertig, sondern quasi in einem Stream of Thinking aus einer Tagessituation entstanden sind.
Du erwartest das offenbar, ich nicht. Ich erwarte, dass in einem Literarischen Tagebuch Texte stehen, die – wenn sie einzeln stehen – einzeln stehen können, also zumindest annähernd "rund" sind. Sie müssen nicht "komplett" sein, offene schwebende Bögen sind ok (sind es in Kurzprosa auch), aber – wenn sie als "Blog" gedacht sind, müssen sie auch als "Blog" stehen. Und selbst dann sind in sich (halb)runde Teile (eines Literarischen Tagebuches) literarisch besser. Für meinen Leseanspruch zumindest.
Daher sollte man meinen, daß ein solcher Text, der ja nichts anderes ist als ein in diese Rubrik eingestellter Eintrag in ein - hier einmal öffentliches - Tagebuch, schon per definitionem weder "rund" noch "fertig" ist.
Das hier ist eben kein "Tagebuch, das eben mal öffentlich ist", sondern die Rubrik "Literarisches Tagebuch"
Exkurs: Oder schreibst Du etwa Texte in ein Tagebuch, die fertig und rund und damit im Sinne von "Kurzprosa" veröffentlichungsfähig sind? Wenn ja, OK, dann muß ich das, was ich in ein Tagebuch eintrage, in Zukunft etwas anders betrachten und es vorher zur Sicherheit einmal lektorieren lassen. Ende Exkurs.
Ja, mach ich – also runde Texte jetzt. Allermeist zumindest, es sei denn, ich werde durch etwas unterbrochen und finde nicht wieder in den Gedanken/in das Gefühl hinein. Sogar in meinem privaten Tagebuch sind die Abschnitte "rund" (wenn auch nicht stilistisch durchlektoriert und ganz sicher inhaltlich nicht "öffentlichkeitswürdig/fähig" und aus diesen Gründen nicht veröffentlichungsfähig) oder zumindest sind die meisten Bögen (vorerst) geschlossen.
Ebenso ist es auch nicht notwendig, daß ein solcher Text alles erklärt. Der Protagonist liest gerade "Devil Bones" von Kathy Reichs, als ihm dieses Erlebnis, was berichtet wird, widerfährt. Da manches des Erlebten jedoch durchaus "prämorbiden" Charakter hat, ist der Bezug allerdings da. Dazu braucht man das Buch gar nicht zu kennen, es reicht, wenn man "Devil Bones" in "Teufelsknochen" übersetzt und weiß, wer Kathy Reichs ist (das kann man googlen). Man muß sich also nur auf den Text selbst einlassen, ohne gleich nach logischen Begründungen in ihm zu suchen. Ein Autor darf von seinen Lesern durchaus zwei Dinge erwarten: (1) daß sie ein wenig wissen, was gerade "in" ist und (2) daß sie ihm zutrauen, daß er weiß, was er warum schreibt.
Das war erstens auch nur ein kleiner Minuspunkt.
Zweitens: Ich hasse es, wenn der Autor ERWARTET, dass ich der von ihm benutzten Fremdsprache mächtig bin (hier bin ichs zwar zum nötigen Grad, aber die generelle Forderung finde ich schon unverschämt). Oder wenn er ERWARTET, dass ich googeln muss, um den Sinn zu verstehen. Es ist immer nett, wenn durch bestimmte Kenntnisse, die Leser und Autor gemeinsam haben, sich zusätzliche Bonbons ergeben (was hier der Fall gewesen wäre – für den Text selbst ist diese Passage ja doch eher Nebenschauplatz) – aber quasi zu verlangen, dass nach dem Schlüssel gegoogelt wird … Ne, du! Wenn aus "Klang"-Gründen oder so der Autor "sowas" einbaut, dann muss er damit leben können, dass sich die entsprechende Feinheit dem Leser entzieht.
Und: Was "in" ist, hängt wohl sehr von dem jeweiligen Interessengebiet ab, es ist fragwürdig zu VERLANGEN, dass der Leser sich vorher gefälligst mit allen Boulevard-, Wissenschafts-, Politik-, "Hochkultur"- und Popaktualitäten vertraut macht (man weiß ja vorher nicht, aus welchem "in"-Bereich der Autor zu zitieren gedenkt.)
Drittens: Ich hasse auch "man muss sich nur einlassen" – so wie du verlangst, dass man dem Autor zubillgt, sich was gedacht zu haben (was ich ja auch ausdrücklich tat), muss der Autor auch dem Leser zubilligen, dass er sich eingelassen hat, aber vom Text "abgewiesen" wurde.
Derselben Grundanlage folgt der Bezug des Strebens nach Höherem mit dem, was man "stressbedingte" Bettflucht nennt. Wer zusätzlich heute den Unbillen des nicht öffentlichen, also gesicherten, Arbeitsplatzes ausgesetzt ist, also von Dingen wie Kündbarkeit, Wohlstandsverkust, Hartz IV und Kurzarbeit bedroht lebt, kann ermessen, daß - wenmn vielleicht auch nicht explizit - zwischen dem, was dem Protagonisten durch den Kopf geht, und der realen Schlaflosgikeit sehr wohl ein klarer, logisch nachvollziehbarer direkter Zusammenhang besteht. Vorausgesetzt, man verfügt über die nötige Empathie.
Den Zusammenhang gibt es. Aber er ist nicht zwingend. Wenn der Typ nur "alt" genug ist, reicht das als Schlaflosgrund. Oder er ist halt generell gestresst – das kann man aber auch ohne "Sternen-Suchen" sein. Oder der Typ hat eine anders begründete Schlafstörung. Und mancher greift nach Sternen und schläft trotzdem gut.
Ach da ist er ja wieder, der Leser, dem die nötige Empathie fehlt! Langsam beginne ich, es auch zu glauben: Es gibt keine Fehler machenden Autoren, nur dumme/gefühllose/emphatiefreie/bösartige Leser.
Wer aber öffentlich beschäftigt ist, kann solange ruhig schlafen, bis der ganze Laden bankrott ist. Das ist jedenfalls beruhigend und schafft vielleicht nicht gerade den Zuganz zu dem, was hier sehr lapidar beschrieben wurde.
Keine Ahnung, was du mir damit sagen willst ... Beamte kennen keine Schlafstörung? Vielleicht weil sie nie nach Sternen greifen? Und was genau hat das mit meinem "ist mehr als vage" zu tun?