Ausflug über die Wolken

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Thylda

Mitglied
Ein Streifchen Nebel lockt
mich aus dem warmen Haus.
In viel Gestrick gehüllt tret' hinaus,
wo aufgeplustert dick ein Vogel hockt.

Er fliegt davon und leitet meinen Blick
den steilen Hang hinauf.
Die Sonne glitzert, blinkt zurück vom Lauf
des Bachs gleich einem Silberstrick,

gewunden um die Steine und die Heide.
Ein Nebellöckchen kringelt sich um Baumeswipfel.
So steig' ich also auf zum Gipfel
und werde dort belohnt mit einer Augenweide

Nun bin ich selbst der Wanderer überm Nebelmeer,
so fern der Heimat und doch ebendort,
der Regenbogenkreis zieht die Gedanken fort
vom Tand da unten, gar so wichtig, gar so leer.

Benebelt trunken von der kühlen Luft der Winde
fröstelnd stolp're ich hinab zur Erde,
zu schnell zurück zu meiner Herde,
wo ich den Alltag wiederfinde.
 

anbas

Mitglied
Hallo Thylda,

das gefällt mir, bin gerne mitgewandert.

Ein paar, eher kosmetische, Anmerkungen:
Ein Streifchen Nebel lockt
Schreib "Streifen" - das "chen passt an dieser Stelle nicht. Außerdem kommt weiter unten das "Nebellöckchen", das an dieser Stelle mit seinem "chen" besser passt (zwei "chen" sind definitiv zu viel des Guten ;)).

und werde dort belohnt mit einer Augenweide (Punkt
Nun bin ich selbst der [blue]Wand'rer[/blue] überm Nebelmeer,
Passt sonst metrisch nicht.

Und das war's auch schon.

Liebe Grüße

Andreas
 

Thylda

Mitglied
Ein Streifen Nebel lockt
mich aus dem warmen Haus.
In viel Gestrick gehüllt tret' ich hinaus,
wo aufgeplustert dick ein Vogel hockt.

Er fliegt davon und leitet meinen Blick
den steilen Hang hinauf.
Die Sonne glitzert, blinkt zurück vom Lauf
des Bachs gleich einem Silberstrick,

gewunden um die Steine und die Heide.
Ein Nebellöckchen kringelt sich um Baumeswipfel.
So steig' ich also auf zum Gipfel
und werde dort belohnt mit einer Augenweide.

Nun bin ich selbst der Wand'rer überm Nebelmeer,
so fern der Heimat und doch ebendort,
der Regenbogenkreis zieht die Gedanken fort
vom Tand da unten, gar so wichtig, gar so leer.

Benebelt trunken von der kühlen Luft der Winde
fröstelnd stolp're ich hinab zur Erde,
zu schnell zurück zu meiner Herde,
wo ich den Alltag wiederfinde.
 

poetix

Mitglied
Hallo Thylda,
ein schöner Gipfelaufstieg in Winter und Nebel. Das trifft genau die Stimmung. Auch die Reime gefallen mir. Bei dieser Form wundert mich etwas die unterschiedliche Zeilenlänge. Das ist sicher so gewollt, und das Ergebnis gefällt mir.
Viele Grüße
poetix
 

Thylda

Mitglied
Lieber Anbas, lieber Walther

Vielen lieben Dank. Eure guten Hinweise habe ich schon umgesetzt. Ich war wohl so damit beschäftigt, die Umlaute zu setzen, daß ich Anderes übersehen habe.
Diesen Spaziergang genieße ich jedesmal. Der Rhythmus der Schritte beim Aufstieg hat schon einige Gedichte ins Leben gerufen. Oben angekommen beim Blick über das Loch und je nach Jahreszeit Bluebells, Ginster, Rhododendron, Schnee oder Heide gesellt sich oft noch Nachdenkliches hinzu. Meistens ohne Schreibzeug hat es mich wieder verlassen, bis ich wieder unten bin - diesmal nicht ;)

Lieber Poetix

Wie schön, daß Dir mein Gedicht gefällt. Die unterschiedlichen Zeilenlängen hatte ich zwischendurch schon einmal egalisiert, da dieser Text eigentlich einmal ein Sonett werden wollte. Doch dazu habe ich Sinn und Sätze so arg verstümmeln müssen, daß ich beschlossen habe, lieber nur am Inhalt und dem Satzfluß zu feilen. Das war mir dann wichtiger.

Liebe Grüße Euch
Thylda
 
F

Fettauge

Gast
Liebe Thylda,

ja, die Alpen. Am frühen Morgen in den Alpen - was gibt es Schöneres in der Natur? Du beschreibst in deinem Gedicht solch einen Morgen, zwar ein bisschen zu "aufgeräumt", wie ich finde,
eine Prise Romantisches hätte dein Gedicht durchaus vertragen, aber man ahnt, wie schön es war.

Sprachlich bin ich nicht so ganz begeistert, da bleibt mir im Ausdruck einiges an der Oberfläche, manches sogar geht ein bisschen zu sehr ins Allgemeine. Zum Beispiel wird das Ich "belohnt mit einer Augenweide", aber du beschreibst die "Augenweide" nicht, das hätte jetzt unbedingt hierher gehört. Oder du ergehst dich über den "Tand da unten, gar so wichtig, gar so leer" - das lässt einfach gedankliche Tiefe vermissen. Der Vergleich der Sonne mit einem Silberstrick erscheint mir ein wenig ungelenk oder zumindest ungelenk formuliert, denn der Silberstrick soll wohl der Bach sein, bezieht sich aber, so formuliert, auf die Sonne.

In der letzten Strophe interpunktiere mal so:
Benebelt, trunken, von der kühlen Luft der Winde
fröstelnd, stolpre ich hinab zur Erde (stolpre ohne Apostroph).

Oder:
Benebelt, trunken von der kühlen Luft der Winde,
fröstelnd stolpre ich ...

Wobei mir "benebelt" in diesem Zusammenhang nicht ganz das treffende Wort erscheint. Bei diesem Begriff denkt man eher an einen real benebelten Suffkopp.

Insgesamt gefällt mir dein Text ganz gut, trotz der kleinen Einwände, die dich vielleicht zu einer Überarbeitung anregen können.

Poetix hat auf die unterschiedliche Länge der Verszeilen angesprochen. Das ist schon okay, Poetix. Hier wurde die Variation der Zeilenlänge von den freien Rhythmen übernommen, genannt freie Gruppierung bzw. Gruppen. Dabei kann jede Strophe eine unterschiedliche Anzahl Hebungen besitzen, ja sogar jede Verszeile braucht in dieser Hinsicht kein Pendant zur reimenden Verszeile. Die Überlegung dazu ist, dass man hofft, auf diese Weise die gereimte Strophe "modernisieren" zu können, das heißt, sie den Gedichten in freien Rhythmen auch äußerlich ähnlicher zu machen.

Schöne Grüße, Fettauge
 
K

Kara

Gast
Liebe Thylda,
ein wunderbares Bild entfaltete sich beim Lesen deines Gedichtes. Ich meinte die kühle Luft zu spüren.
Angesiedelt - aufgrund der genannten Pflanzen - hätte ich es eher in Schottland als den Alpen.
LG Uschi
 

Label

Mitglied
Liebe Thylda

dein Gedicht gefällt mir sehr.
Du erschaffst damit eine dichte nachvollziehbare Atmosphäre in die es mühelos gelingt einzutauchen.
Schön!
Es beschreibt doch den Weg hinauf zum Wasserfall und zum Regenbogenkreis den man dort drunter sieht?

Fettauge kommentierte
der Silberstrick soll wohl der Bach sein, bezieht sich aber, so formuliert, auf die Sonne
das wäre mir ohne den Hinweis nicht aufgefallen - streng logisch könnte man das tatsächlich so lesen, wobei für mich die Klarheit der Bilder überwiegt
das wäre vielleicht trotzdem eine Möglichkeit:

Die Sonne glitzert, blinkt zurück vom Lauf
des Bachs der wie ein Silberstrick,

sich windet um die Steine und die Heide.

da "[blue]Benebelt trunken[/blue] von der kühlen Luft der Winde" würde ich entweder ein Komma dazwischen setzen oder auf ein Wort reduzieren, Reduktion wäre mein persönlicher Favorit.

Kara, stimmt, das ist in Schottland

liebe Grüße
Label
 



 
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