Balladen und Moritaten Wettstreit --- mit Siegern und Platzierungen -- Gesamtzusammenfassung

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Bernd

Foren-Redakteur
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Auf Bitte von James Blond habe ich den Wettbewerbsfaden übernommen und die Beiträge hier hineinkopiert.
Viele Grüße von Bernd


Von James Blond:

"Ob Goethe‘s Zauberlehrling oder Erlkönig, ob Schiller‘s Kraniche des Ibykus oder der Handschuh, Fontane‘s John Maynard und viele andere: Wer erinnert sich nicht an seine Schulzeit und die Balladen der großen deutschen Klassiker? Sicherlich verlor sie im 20. Jahrhundert an Bedeutung. Nichtsdestotrotz schrieben andere, nicht weniger bedeutende Meister weiterhin Balladen: Bertolt Brecht und Erich Kästner stehen da in erster Linie für die moderne Epoche und eine ganze Reihe zeitkritischer oder gar politischer Werke.

Mit der Moritat als Schauerballade verhält es sich ähnlich. Sie hat, wie die klassische Ballade, in der volkstümlichen Dichtung und Liedern ihren Ursprung. Einst war sie auf den Jahrmärkten und Plätzen der Städte zu Hause, wurde von Bänkel- bzw. Moritatensängern vorgetragen und mit Harfe, Violine, Gitarre und anderen Instrumenten musikalisch begleitet. Dabei ging es nicht nur spaßeshalber um Mord und Totschlag: oft auf geschichtliche Ereignisse zurückgreifend, wurden mit der Moritat gern die Obrigkeiten der Zeit karikaturistisch aufs Korn genommen. Bis in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts war der Drehorgelmann noch in mancher Stadt anzutreffen, wobei die besungene Gräueltat auch danach in vielfältiger Form weiterlebte: jeder kennt Brechts Moritat von Mackie Messer, und noch heute werden Moritaten und Bänkellieder auf Volksfesten und in Kleintheatern aufgeführt.

15.10.2020

Der Wettbewerb ist nun beendet. Es haben sich 7 Autoren der Leselupe mit insgesamt 32 Gedichten daran beteiligt. Wir danken allen Beteiligten für ihre kreative Unterstützung. Die Sieger stehen fest und die besten 24 Gedichte werden jetzt schrittweise auf dieser Seite veröffentlicht.

Ein Gewinner stand allerdings schon länger fest: Das ist die Leselupe, die sich nun freuen kann, nicht nur ihren Bestand an wirklich beeindruckenden Gedichten vergrößert zu haben, sondern - was mir noch wichtiger erscheint - endlich auch einmal einen Satz vorbildlicher Beurteilungen hinzugewonnen zu haben.

Gewinner sind auch die beteiligten Autoren, die sich in einem gemeinsamen Vorhaben verpflichtet hatten, die anderen Werke zu kommentieren und dabei den eigenen Blick erheblich schärfen konnten.

Gewinner sind nicht zuletzt auch die Leser, die sich an den originellen und anspruchsvollen Werken samt ihre dezidierten Beurteilungen erfreuen konnten."



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Die Wettbewerbsleitung gratuliert dem Sieger anbas zu seinem 1. Platz!
Und dies ist der Ehrenpreis:


Sieger und Platzierte:


Nach Auswertung der insgesamt 576 Benotungen ergibt sich folgende Reihenfolge.

Platz 1: anbas - Doktor Bruchstein (Moritat)

Platz 2: Joe Fliederstein - Badewannentraumballade

Platz 3: James Blond - Am Himmelssee (Ballade)

Platz 4: Tula - die sturmfreie Ballade

Platz 5: James Blond - Wiener Toiletten Moritat von

Platz 6: Tula - die Moritat von Schneewitzchen

Platz 7: Tula - Die wundersame Reise des kleinen Plastebechers (Ballade)

Platz 8: James Blond - Ärztlicher Notdienst (Ballade)

Platz 9: Joe Fliederstein - Moritat von der Unersättlichkeit

Platz 10: Tula - Die Ballade vom gutgesinnten Hermann

Platz 11: Oscarchen - Wasserfreuden (Moritat)

Platz 12: Oscarchen - Ballade von der Freiheit (Ballade)

Platz 13: Tula - Gladiatoren der Moderne (Moritat)

Platz 14: Joe Fliederstein - Kleine Hundeballade (Ballade)

Platz15: anbas - Ich und Michi (Moritat)

Platz 16: Oscarchen - Kinderfreuden (Moritat)

Platz 17: Joe Fliederstein - Kleine Rotlicht-Moritat hessisch (Moritat)

Platz 18: Didi Costaire - Crhyme time (Moritat)

Platz 19: Joe Fliederstein - Ballade von Franz

Platz 20: Didi Costaire - Morgenrot (Ballade)

Platz 21: Oscarchen - Richtige Auswahl (Moritat)

Platz 22: Joe Fliederstein - Die Moritat vom durstigen Dieter

Platz 23: Oscarchen - Glückliche Fügung ( Ballade)

Platz 24: Artbeck Feierabend - Die Ballade vom Dummbidel






Das Wettbewerbsteam

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
28 Oktober 2020

Nun, dann möchte ich mich jetzt ganz herzlich bedanken! Ich danke James, Joe Fliederstein, Oscarchen und Tula für die Ausrichtung und Organisation des Wettbewerbs sowie der tollen Vertonung des Textes (auch, wenn der Link in diesem Moment gerade nicht funktioniert, weiß ich, wie die Aufnahme geworden ist, da mir die entsprechende Datei bereits zugesandt wurde)! Und natürlich bedanke ich mich bei den anderen Autoren-Kollegen für ihre Wertungen.

Nach einem wirklich bitteren Jahr für mich, ist dies ein wirklich schöner Moment. Ich freue mich sehr!
Liebe Grüße
Andreas
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Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
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1. Platz anbas

Doktor Bruchstein
(Moritat)

Doktor Bruchstein, Orthopäde,
gilt als Arzt mit viel Geschick.
Doch auch eine Koryphäe
ist nicht frei von jedem Tick.

Der Herr Doktor sammelt Knochen –
sagt, dies sei 'ne Spielerei.
Aber einmal in der Woche
zieht es ihn zur Metzgerei.

Doktor Bruchsteins Instrumente
sind von seltenem Design.
Sie enthalten in den Griffen
stets ein kleines Stückchen Bein.

Magda, seine große Liebe,
gab ihm längst das Ehe-Wort.
Täglich kocht sie ihm sein Essen
und wirft nie die Knochen fort.

Sie hilft ihm beim Knochensammeln,
stetig wächst so der Bestand.
Selbst für jedes tote Tierchen
hält sie gleich am Straßenrand.

Auch der Bruder vom Herrn Doktor
unterstützt ihn mit viel List.
Doch das darf kein Mensch erfahren,
weil er ein Bestatter ist.

Selbst des Doktors Eltern helfen
ihrem Sohn ganz engagiert.
Sie sind als Chirurgen tätig –
da wird auch mal amputiert.

Doktor Bruchstein sammelt Knochen.
Dieses sagt er jedenfalls.
Und dann legt er eine Kette
ganz aus Bein um Magdas Hals.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
2. Platz: Joe Fliederstein

Badewannentraumballade


Huckenbeck, im Badewasser liegend,
Per Gedankentraumboot durch die Welten fliegend,
Guckt sich fest an einer Zeheninsel,
Die, ja, was? – inmitten Schaumgerinnsel
Plötzlich vor ihm auftaucht, eine Palme wiegend.

Ob ein Affe turnt im Palmenwipfel,
Eine Inselfee sich kämmt, Besuche kriegend,
Ist für Huckenbeck nicht auszumachen.
Etwas hört er himmelhoch zerkrachen –
Jäh! Und Wellen schlagen Richtung Zehenzipfel,

Sturm heult um die Wanne, Maste biegend!
«Hilfe, Boot in Not!» Schon ist das Boot gesunken,
Huckenbeck wird weit hinausgezogen,
Ruft und spuckt und guckt dem Spuckebogen
Ganz und gar entgeistert nach und ist ertrunken.

Huckenbeck, er nimmt es blinzelnd wahr,
Irgendwann, entdeckt ein Affenpaar,
Das im Palmenwipfel sich verliebt
Laute Küsse auf die Hintern gibt.

Über ihm geschehen diese Dinge,
Er darunter reibt die Augenringe,
Sieht sich plötzlich nackt, bedeckt die Blöße
Und erhebt sich scheu zu neuer Größe.

Gott, gerettet! – denkt er. Auf die Uhr
Will er schauen, Gott, wo ist die nur?
Etwas quiekt. Rutscht. Plumpst. Und dann
Starren ihn die Palmenaffen an,

Die mit überkreuztem Händestrecken,
Vor ihm hockend, ihre Blößen decken.
Sonne rötet rundum das Gelände,
Und man ist zu dritt am Weltenende.

Eine Hose! – Huckenbeck durchzuckt er,
Der Gedanke, dass er er ohne Hose steht.
Eine Hose! Und er fragt sich: Guckt er,
Dieser Affe, und der andre dreht,
Dreht womöglich der die Augen nur
Darum quer, weil keine Hose hüllt,
Was als gänzlich unerwartete Natur
Ihm die Affenabendstunde füllt?

Eine Hose? Ist das hier die Frage?
Ist am Weltenende Hosenzwang?
Ist der nackte Mensch ein Grund zur Klage
Und für Affen sittlich von Belang?
«Kaum!» hört Huckenbeck sich leise brummeln,
Und dann brummt er: «Immerhin!» und «Ach!»
Er beschließt, das Weltenende abzubummeln,
Und indem die Affen sich von dannen tummeln,
Folgt er ihnen Pläne schmiedend nach.

Immerhin, ich bin noch auf der Welt.
Ach, die Welt ist ungeheuer leer.
Eine Palme ist hineingestellt,
Wenig sonst, das von Bedeutung wär.

Nun, dann stell ich irgendwas hinein:
Zu der Palme einen Hüttenbau,
Außerdem soll heute Montag sein,
In die Hütte stell ich eine Frau.

Eine Frau? Der Frauen gäb es viele,
Die er denken könnte, lange, kurze,
Üppig angelegte und grazile,
Solche mit und ohne Lendenschurze.

Eine Frau wie beispielsweise Hilde
Aus dem Fernsehspiel: Die Großstadtwilde,
Eine Frau von solcher Wesensart,
Sieht er unerwünscht als Gegenwart,

Heidelinde mit dem Bleistiftblick
Ist genau gemessen viel zu dick,
Ihre Waden sah – und sieht er eben jetzt,
Wie sie diese voreinandersetzt,

Sieht Elfriede, sieht mit jähem Grauen
Seinen Schädel ausstaffiert mit Frauen:
Unvermittelt nackt Marieluise!
Arabella nackter noch als diese!

Alle Frauen, die ihn jemals streiften
Mit Geruch und Wimpernschlag umschweiften,
Jedes Knie und jeden Knebelzopf,
Alle hat er jetzt in seinem Kopf.

(Und mit einer ging er schließlich eng umschlungen
In der Wanne unter, tief und tiefer sinkend,
Ob um Hilfe winkend, ob im Glück ertrinkend,
Wird vielleicht ein andermal besungen.)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
3. Platz: James Blond

Am Himmelssee


Eines heißen Sommertages,
Berge trugen Wolkenkronen,
strebte ich zum Zweck des Bades
an den kühlen See dort oben.

Hoch am steinigen Gestade
sah ich ihren feuchten Leib,
golden schimmernd bis zur Wade,
ein Gedicht von einem Weib.

Überrascht durch Schicksalsfügung
einer Göttin splitternackt,
argwöhnte ich Sinnestrübung,
die mein Innerstes gepackt.

Um Details zu überprüfen,
schlich ich näher an sie ran,
staunend über Bioglyphen
fühlte ich mich da als Mann.

Schlecht von mir, sie zu begaffen
oder dumm, nicht hinzuschaun?
Männer werden leicht zu Affen,
göttlich strahlen höchstens Fraun.

"Tritt nur näher," sprach die Holde,
und es klang sehr souverän,
"Nicht allein den Glanz vom Golde,"
"alles sollst du deutlich sehn."

Schon begann die Haut zu schwinden,
ich sah Knochen, Adern, Blut,
sah, wie sich Gedärme winden -
mich verließ spontan der Mut.

Ihre Augenäpfel blickten
kühl auf meinen Leib hinab,
und es war, als ob sie schickten
zähneklappernd mich ins Grab.

Schneller bin ich nie gelaufen
als ich jenen Ort verließ,
konnte erst im Tal verschnaufen,
wo es schon seit langem hieß:

In dem Himmelssee dort oben
wohnt die arme Goldmarie,
der sie einst die Haube woben,
doch darunter kam sie nie.

Ihr Versprochner war ein Schlimmer,
schlug sich durch mit Trug und Raub,
schwängerte das Frauenzimmer,
machte sich dann aus dem Staub.

Die Marie hat's nie verwunden,
dass vom Schufte sie missbraucht,
ist danach im See verschwunden
und nie wieder aufgetaucht.

Doch an sonnenwarmen Tagen
steigt ans Ufer sie zurück,
so hört man die Alten sagen.
Kurz nur währt der Liebe Glück!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
4. Platz: Tula


die sturmfreie Ballade


Hat das böse Hexenweibchen
sich mal endlich weg begeben;
und nun juckt‘s mich arg im Leibchen,
böse Geister zu beleben.
Ihre strengen Blicke
sind wie Schall und Rauch.
Ruf die ganze Klicke,
fremde Weiber auch.

Walter, Walli,
manche Schnecke,
der ich keck ins
Gläschen gieße,
und sie darauf - dalli dalli!
lieb in meine Arme schließe.

"Leute, sauft! Auf meine Spesen.
Lasst uns unsre Humpen füllen!
Bin schon lange Knecht gewesen;
ich will heut ins Leben brüllen!"
Auf zwei Beinen drehe
ich den alten Schopf.
Langeweile gehe
in den Ehetopf!

Stetig kommen
neue Gäste;
machen feste
eine Sause.
Bin voll drauf, obgleich benommen
nach der achten Maurer-Brause.

Nach der neunten geht es wieder,
Amor, Bier und Venus winken.
Huch! Das Schneckchen sinkt hernieder!
Musste sie denn so viel trinken ...
Meine Beinen wollen -
lösen sich vom Kopf !?
Oh! Im Bauch ein Grollen;
schon kratzt mir der Kropf.

Ich bin mitten
im Verrecken.
Aus dem Becken
gluckst mein Flehen:
„Mahnen Anstand, Takt und Sitten
euch nicht bald nach Haus zu gehen?“

Doch die Meute will's nicht lassen,
hier zu prassen und zu feiern.
Gut! Dann noch ein Bierchen fassen,
statt die Freunde zu beleiern.
Buddel leert sich schnell,
fern rückt das Gemunkel
auf dem Karussell.
Schließlich wird es dunkel ...

~

Scheiß Migräne!
Wie Dämonen,
die als Omen
furchtbar kreischen.
Panik packt mich: die Hyäne
wird mich in der Luft zerfleischen!

Gott! Die Bude: eine Hölle!
Jetzt nur los! Und kein Verschnaufen.
Aufgeräumt die Absturzstelle;
ich lass Fit und Wasser laufen.
Meine Beine bleien
schwerer als der Kopf;
leere Innereien
baumeln wie ein Zopf.

Schrubben. Fluchen.
Arbeit pur.
Wohnung, Flur
und Treppenstufen.
Mist! Am Möbel, wie ein Kuchen
klebt was Menschen 'Kotze' rufen.

Schmerz sticht in den Nasenlappen.
Welches Schwein... ? Egal ich wische,
ohne nochmal Luft zu schnappen,
dieses Zeug von Schrank und Tische.
Wahrlich viel gesoffen!
Alles ist vorbei.
Ich kann wieder hoffen,
und ich atme frei!

Beim Examen:
keine Klage!
Just die Frage:
„Warum stecken
leere Flaschen und zwei Damen-
schlüpfer in den Rosenhecken?“


Anmerkung: Form und Struktur in Anlehnung an „der Zauberlehrling“ von Goethe.



5. Platz: James Blond

Wiener Toiletten Moritat


In der schönen blauen Donau
treibt ein Leichnam fest verschnürt,
und es wartet eine Klofrau,
die von Mitleid nichts verspürt.

Und sie wartet auf die Herren,
denen man nichts mehr verzeiht,
weil sie gern an Mädchen zerren,
die zur Liebe nicht bereit.

Vor den weißen Urinalen
stehen Männer anonym,
jene, die mit Weibern prahlen,
die erkennt sie am Parfüm.

Und es blitzt die scharfe Klinge,
sie durchtrennt ein edles Stück,
war Gewalt die Wahl der Dinge,
endet blutig hier das Glück.

Mancher stirbt in einer Zelle,
die von außen man versperrt,
und kein Schutzmann ist zur Stelle,
wo Toiletten man entleert.

An der schönen blauen Donau
wird 'ne Leiche fest verschnürt
und dort säubert eine Klofrau,
die das Sterben wenig rührt.



6. Platz: Tula

die Moritat von Schneewitzchen



Leser aus dem weiten Lande,
kommet und vernehmt die Schande

von der Hexe, die wir nährten,
sieben brave Spießgefährten,
wir, die lieb und unbescholten
eine Praktikantin wollten,
die nicht bloß als Arbeitsbiene,
sondern auch dem Image diene.
Selbst in Zwergen-Firmen peppt
so 'was als Erfolgsrezept.

Nach fünfhundert Antragsbriefen,
die wir flüchtig überliefen,
fand sich endlich ein Gesicht,
das von Qualitäten spricht!
Was uns obendrein noch bannte,
war ihr Name, denn sie nannte
sich - Schneewitzchen - uns war klar,
dass sie gut und edel war!

Schon am ersten Tage zeigte
sich, dass sie zum Leiten neigte.
Nicht so barsch, wie 's Männer tun:
Nein! mit roten Stöckelschuhn,
Mini-Röckchen, Unschuldslächeln …
ließen uns wie Hunde hecheln.
Nach drei Tagen - Resümee:
brachten WIR ihr den Kaffee.

Was uns leider doch entging
war, dass sie am Gelde hing;
für die Fashion erster Wahl
braucht es schließlich Kapital.
Mit viel Kniffen (die von Klasse)
leerte sie die Firmenkasse,
und uns blieb von ihrem Glück
nur die Apple-Mouse zurück.

Gläubiger und miese Kunden
hetzten uns mit fiesen Hunden,
die mit Frack und Aktentaschen
gern nach nackten Opfern haschen.
Weil der Markt uns dennoch traute
und auf dumme Zwerge baute,
hat man uns dann über Nacht
an die Firma Grimm vermacht.

Die Moral, ihr Kritikaster:
Nachwuchs-fördern zehrt am Zaster!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
7. Platz: Tula

Die wundersame Reise des kleinen Plastebechers


In der Kunststoff-Firma Schnell & Sauber
kam ein Plastebecher auf die Welt.
Kaum im Neonlicht, erschien ein zauber-
hafter Traum, dem er sofort verfällt:
Alles wiegt im Tanz
einer See, im Glanz
stiller Nacht, von den Sternen erhellt.

Wie die anderen gehässig lachten:
„Seht, ein Serienprodukt, das träumt!
Wird in schäbigen Regalen schmachten
und am Ende lustlos abgeräumt.“
Rief der Becher frech:
„Jeder kriegt sein Pech
oder Glück, wer nicht sucht, der versäumt.“

Bald darauf hing er im Automaten
einer Bar vom Umweltschutzverband.
In der Pause kühner Bürokraten
kam‘s, dass er sich auf Platz 1 befand:
Auf den Mund der Frau,
folgt ihr Wurf, genau
in den Eimer, der irgendwo stand.

Noch am Abend ging es in die Tonne,
mit dem Abfall einer Sonder-Schicht:
Nudeln, Wurst, ein Beutel Capri-Sonne ...
‚Aus Versehen‘ schrieb man im Bericht.
Wie der Glibber stank(!)
als der Becher sank.
Aber Aufgeben (?) wollte er nicht.

Lange Wochen hieß es: Warten, warten ...
Endlich kam der Tag, man fuhr ihn fort.
Doch wohin? Zwei alte Ansichtskarten
proklamierten den geheimen Ort:
Wie ein weißes Band
liegt ein Palmenstrand.
In die Tropen der Müll, im Export!

Sehr beschwerlich war die weite Reise.
Wurst und Nudeln wurden zäher Brei.
Darin fühlte sich der Becher Waise;
fast! - ein Dildo war ja auch dabei.
Im Verwesungs-Filz
unter Schleim und Pilz
blieb er haltbar und Putreszenz-frei.

Irgendwann verstummten die Motoren.
Luken kreischten, und ein alter Mann.
Riesen-Klauen wühlten unverfroren;
Riesen-Arme hievten mächtig an.
Erst der Aufzug - kurz,
dann ein jäher Sturz
und die nächste Spazierfahrt begann.

Diese brauchte nur drei knappe Stunden;
auf der Klippe kam der Truck ans Ziel.
Seine Ladung wurde unumwunden
abgekippt, fürwahr ein Kinderspiel.
Hand um Hand wäscht gut
im Geschäft - die Flut.
Die Entsorgung besorgt da nicht viel.

Fröhlich treibt er seitdem auf den Wellen.
Manchmal grüßt ihn gar ein großes Schiff.
Was besonders freut: er hat Gesellen,
die die Strömung bringt - ein cooler Kniff!
Alles wiegt im Tanz
einer See, im Glanz
einer Insel aus Plastik und Siff.

Anmerkung: Form und Struktur in Anlehnung an die „Braut von Korinth“ von Goethe.


8. Platz : James Blond

Ärztlicher Notdienst


Spät war's schon, der Mond schien helle,
als ein Arzt von Grabes Stelle
einen schwachen Ruf vernahm,
der wohl aus der Tiefe kam.

Zögernd stoppte er die Schritte,
denn es klang nach einer Bitte.
sollten hier gar Tote hauchen,
die noch seine Hilfe brauchen?

"Doktor, hilf mir, bitte, schnell!"
tönte nochmals der Appell.
Darauf er die Schritte leitet'
zu dem Grab, das frisch bereitet.

Ungewöhnlich zwar der Ort,
doch als Arzt stand er im Wort:
Allen, die nach Hilfe fragen,
durft er diese nicht versagen,

kniete sich auf Grabes Stufen,
um beherzt hinab zu rufen:
"Was verlangst du Himmelsstürmer?"
"Brauch ein Mittel gegen Würmer!"

9. Platz : Joe Fliederstein

Moritat von der Unersättlichkeit


Kann man Männer fressen? Kann man!
Guck ich irgendeinen Mann an,
Der in mir Gelüste weckt,
Weiß ich, ob, und wie er schmeckt.

Männer seh ich wie Kotletten
Vorgewürzt in ihren Betten
Schweißumflossen mich empfangend
Und nach mir als Weib verlangend.

Gestern Abend zog der fette
Herbert mich ins Ehebette,
War die Gattin außer Haus,
Zog er sich die Hosen aus.

Feste druff, so sprach er lockend,
Mit der fetten Hüfte zockend,
Als ich aus der Wäsche schlüpfte
Und an Herberts Seite hüpfte.

So entspann sich zwanglos auf dem weißen Linnen
Eine Lustgeschichte mit Dramatik drinnen:
Herbert fährt die Pranken aus und greift ins Leere,
Weggeglitscht bin ich ins Ungefähre,
Kneif ihn in die Herberthinterbacken,
Will der Herbert mich an meinesgleichen packen,
Kriegt er mich am Schulterblatt zu fassen,
Kann ich ihm ein Veilchen so verpassen,
Dass er wie von selbst sich in die Decke rollt,
Herberts Dackel hat sich unters Bett getrollt,
Kläfft von dort, als gings ans Hundeleben,
Herbert schimpft und will mir eine kleben,
Und indem er auf mich zurollt, seinen Schuh
Wie ein Schlachtschwert schwingend, beiß ich zu.

Manchen Hintern hab ich schon mit Lust zerbissen,
Manches Männerohr vom Schädel abgerissen,
Hab mich gern in Männerhälse eingesaugt,
Und sie bis aufs Knochentrockne ausgelaugt,
Männerschenkel schmecken zwar nur sehr bedingt,
Wenn die Männlichkeit sich ums Geschenkel schlingt,
Aber diese wiederum, an sich genossen,
Ist mir oft als Gaumenkitzel zugeflossen.
Gestern Abend, als der Herbert mit den Schuhen drohte,
Als die schlichte Weiblichkeit in mir verrohte,
Und als Lustgewinn mir Herberts Lende winkte,
Dann der Herbert röchelnd hin zur Dusche hinkte,
Gestern Abend war ich der Erfüllung nah,
Als ich mich in Herberts Bett gesättigt sah.

Kann man Männer fressen? Kann man!
Guck ich irgendeinen Mann an,
Der in mir Gelüste weckt,
Weiß ich, ob, und wie er schmeckt.

Herbert schmeckt noch heute nach.
Als es ihm die Augen brach,
Sprachs in mir: Den Mann auf Erden
Hat man zum Gesättigtwerden.


10. Platz : Tula

Die Ballade vom gutgesinnten Hermann


Hermann kam nach neununddreißig Wochen
pünktlich wie die Uhr ans Licht der Welt.
Schlief zwölf Stunden, hat sich nie erbrochen,
hat bereits nach einem Jahr gesprochen.
Kurz: er war ein Baby wie bestellt.

Mamas Finger folgte er beflissen:
Hermann hat beständig gut geschissen.

In der Schule war er Musterknabe.
Nicht die Leistung. Er war Mittelmaß.
Kompetent und ohne viel Gehabe
denunzierte er die Hausaufgabe,
wenn ein andrer Schüler sie vergaß.

Freilich selbst in allen Fächern schwächer:
Hermann war ein guter Klassensprecher.

Jahre später machte er Karriere
in der Stadtverwaltung als Statist.
Schmidt vom Bauamt nahm in die Lehre:
„Gib mir stets, was immer ich begehre,
weil ‘s zum Wohl der All-Gemeinheit ist.“

Volle, runde, und auch schräge Sachen:
Hermann rief: Na gut! Das lässt sich machen.

Galt es ein paar Bäume umzunieten,
wurde aus dem Wald Gewerbeland.
Wollte man im Stadtkern neu vermieten
und dazu ein Bleiberecht verbieten:
Schmidt vertraute seiner dritten Hand.

Jener spielte mit der Wünschelrute.
Hermann unterschrieb für alles Gute.

Eines Tages war sein Chef verschwunden,
dafür aber kam die Polizei.
Diese stöberte dann drei, vier Stunden.
Schließlich hat man vor Gericht befunden:
„Das ist Ihre Handschrift, zweifelsfrei!“

Sieben Jahre gab der weise Richter.
Hermanns gute Miene wurde dichter.

Mit der Zeit hat er ein Buch geschrieben,
das man gut und gern vergessen kann.
Schmidt hat sich nicht weiter rumgetrieben,
ist als Bauherr im Geschäft geblieben.
Ganz der alte, nur: ein reicher Mann.

Nach der Haft hat Schmidt ihn stolz empfangen.
Hermann lachte: „Noch mal gut gegangen!“


11. Platz : Oscarchen

Wasserfreuden


An dem Weiher bei den Linden
Richtung Ausfallstraße Norden
Nur bei Tageslicht zu finden
Fing‘ es an, mein erstes Morden

Das Gemeine brach sich Bahnen
Der Beginn der Gräueltaten
Niemand konnte es erahnen
Freudenfest für Beil und Spaten

Ja, ich hatte mich verwandelt
Denn ihr Liebreiz war verflogen
Sie, mit der ich angebandelt
Hatte mich gemein betrogen

Bin mehr Rächer als Verzeiher
Und so wurde ich zum Täter
Tunkte sie in diesen Weiher
Doch zerteilt hab‘ ich sie später

Mit den oben schon genannten
Garten - und Zerteilbestecken
Tauglich auch für die Verwandten
Mehr fürs Drohen als fürs Necken

Nach vollbrachtem Filetieren
Sorgsam eingepackt, das Weiche
Leber, Herz und beide Nieren
Schwimmen nun im tiefen Teiche

Wie mir diese Tat behagte!
Jeden Tag `ne Schlachtfestfeier
Junge, Hübsche, auch Betagte
Langsam fühlte sich der Weiher

Und so zog ich dann von Dannen
Bis die großen Meere kamen
Riesig, diese Wasserwannen!
Platz genug für viele Damen


12. Platz : Oscarchen

Ballade von der Freiheit


Noch eine Welle, einen Ritt
Doch diese Woge nahm ihn mit
Es brach die Hoffnung und der Rumpf
Das Meer schien furchtbar schlecht gelaunt
Und diese Wut hat ihn erstaunt
Den Aufschlag spürte er nur dumpf

Drei Helfer haben sie sortiert
Die meisten schweigend separiert
Ihm reichte man ein Zwiebackstück
Er brach es ab und schaute lang
Auf einen Sack am Treppengang
Wie ungerecht verteilt sich Glück

Schnell ausgeschifft und aufgereiht
Zum Gang in eine andre Zeit
Mit Schreien, Stößen, eingedeckt
Die neue Heimat zeigt sich rau
Es mutet an wie Fleischbeschau
Noch hält die Freiheit sich versteckt

Doch bleibt das Glück sein Kamerad
Denn weiter geht die große Fahrt
Es treibt der Wunsch, der ihn bestimmt
Geheimnisvoll der Fahrtverlauf
Erwartend nimmt er ihn in Kauf
Weil jede Fahrt ein Ende nimmt

Ihn übermannt die Euphorie
Er fällt gedanklich auf die Knie
Sollt hier die Qual beendet sein
Hat er den Hafen nun erreicht
In dem hier nichts der Heimat gleicht
Bestätigt sich der schöne Schein?

Hoffnung zerfließt wie feiner Sand
Doch bunt ist dieses schöne Land!
Der eine lacht ihn offen an
Der andere droht mit Gewalt
Ein dunkler Blick, die Faust geballt
Wer hat hier Angst vorm schwarzen Mann?

Es folgt der erste Übergriff
Die erste Grobheit seit dem Schiff
Auf dem sie wie zur Sklavenzeit
Wie Vieh gepfercht und eingezwängt
Der erste Schlag und er bedenkt
Und dafür reiste ich soweit?

Er kämpft sich stolz zurück ans Meer
Und dann aufs Schiff und irgendwer
Bringt ihn in Richtung Heimatland
Und wenn man ihn nach Freiheit fragt
Wird er sehr still, bis er leis sagt:
„Sie geht mit Unrecht Hand in Hand!“
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
13. Platz : Tula

Gladiatoren der Moderne (Moritat)


Hereinspaziert und füllt die Ränge!
Beim wöchentlichen Schaukampf spritzt
es warm und herzlich in die Menge.
Ein Wort, ein Lächeln, alles sitzt
und bringt den Gegenmann zur Strecke.

Zwei Konkurrenten, die sich hassen:
Der eine – Meier – optimiert
mit seinem Lieblingsschwert: Entlassen!
den Schmidt, der fleißig produziert,
d.h. als Chef für solche Zwecke.

Den ersten Schlag verabreicht Meier
mit Excel-Lenz: die rote Zahl
trifft wie ein Huftritt in die Eier.
Zum Glück sind die bei Schmidt aus Stahl;
drum glotzt er nur verstockt zur Decke.

Der schlägt zurück, mit Argumenten,
so wuchtig wie ein Morgenstern:
„Es fehlt an Bonus und Talenten
und kompetenten Managern!“
Nun röchelt Meier in der Ecke ...

und streckt die Lanze der Bilanzen.
„Da hilft kein Augenschutz, kein Netz:
Die Firma braucht: Verkauf, Finanzen,
kein proletarisches Geschwätz!“
Sein kalter Blick verrät: Verrecke ...

Die beiden scheuen keine Finten:
Diplom, Erfahrung und ‚kein Recht‘.
Man sticht von vorn und tritt von hinten.
Der erste zweifelt am Geschlecht.
Der zweite zeigt es ihm: Komm lecke ...

Schon dringt die Schlacht in die Arena:
IT, Versand, die Qualität,
ja, selbst die Pförtnerin Elena,
ein jeder schimpft, verdrischt und schmäht
und macht den anderen zur Schnecke.

Das Morden ist nicht mehr zu halten.
Verzweifelt wedelt Kaiser Franz
mit seinem Daumen. Die Gewalten,
die er hier rief, sind gar und ganz
kupiert wie eine Gartenhecke ...


14. Platz : Joe Fliederstein

Kleine Hundeballade (Ballade)

Huckenbeck hat einen Katalog gefunden,
Unter einem Berberitzenstrauch,
Ein Versandhaus wirbt darin mit Hunden
Mit gesunden und mit edlen auch.

Unsre Hunde, heißt es dort, beglücken,
Sie, verehrte Kundschaft, garantiert.
«Lass mich bald schon deine Hütte schmücken!»
Seufzt ein Kataloghund, fesch frisiert

Und mit himmelwärts gedrehten Blicken
Seite siebzehn. – Huckenbeck verstehts
Seinerseits ein Seufzerbild zu schicken
An den Hund: «Na, Eberhard, wie gehts?»

Eberhard! Der Hund hat einen Namen!
Huckenbeck entnahm ihn nicht dem Katalog,
Den verschenkt er an zwei Brillendamen,
Die sein jähes Lächeln näherzog,

Dann – es kam, wie manchmal Träume kommen –
Haben Eberhard und Huckenbeck
Beiderseitig Witterung genommen
Über Straßen, Staub und Stadt hinweg,

Fanden im Versandhaus zueinander,
Liebe wars, vom Schicksal wie bestellt,
Sie gerieten außer Rand und Bander,
Huckenbeck hat auch zuerst gebellt,

Eberhard, der einst Cherie geheißen,
Bellte wie ein wildes Sofatier,
Huckenbeck ließ sich ins Steißbein beißen,
Und begann am Hundeohr zu reißen
Und den Eberhard herumzuschmeißen,
Der dem Huckenbeck ans Brustbein sprang
Und denselben so zu Boden zwang,

Wer herumstand um die beiden Kampfnaturen,
Sprach noch Wochen von den Kampfesspuren.

Auf dem Heimweg ging der Eberhard geleint
Mit dem Huckenbeck in Zärtlichkeit vereint.


15. Platz : anbas

Ich und Michi (Moritat)

Von der Haustür durch den Garten,
raus zum Kirchhof, das ging schnell.
Sah von weitem Michi warten,
meinen Kumpel, ein Rebell.

Dort begann dann uns're Reise.
Mann, was waren wir gespannt.
Michis Rucksack, klugerweise,
war gefüllt mit Proviant.

Beide war'n wir fest entschlossen,
und die Aufregung war groß.
Ich hab' jeden Schritt genossen,
denn nun ging es endlich los.

So verließ ich mein Zuhause,
auf ging's in ein fernes Land.
Bald schon machten wir 'ne Pause
an der kühlen Kirchenwand.

Gut gestärkt ging es dann weiter
durch das alte Kirchhoftor.
Dort zog Michi, mein Begleiter,
wieder Proviant hervor.

An der alten Kirchhofmauer
machten wir es uns bequem.
Diese Rast war läng'rer Dauer,
denn es gab da ein Problem:

Unser Vorrat - aufgegessen!
Unser Weg - noch ziemlich weit.
Und wir hatten fast vergessen,
es war bald schon Schlafenszeit.

Pünktlich waren wir zu Hause,
ich und Michi, der Rebell.
Unser Heimweg, ohne Pause,
über'n Kirchhof - das ging schnell.


16. Platz : Oscarchen

Kinderfreuden (Moritat)

Ein kleiner Kerl mit süßem Lachen,
mit Grübchen, die es lieb verstärken,
ein Lausbub aus den Kitschromanen,
aus diesen klebrig süßen Werken.
Der Horror lässt sich fast erahnen.

Er wurde mir kurz übergeben.
Vier Tage sollte ich ihn hüten.
und ihn behutsam aufbewahren.
Ne, sowas lässt sich nicht vergüten!
Zum Schluss erwog ich, ihn zu garen.

Dies fiese Früchtchen führte bös
wie Alfred Hitchcock die Regie.
Ich schreibe dies noch unter Schock
im Aufwachraum der Psychiatrie.
Auf Suizid hätt` ich jetzt Bock.

Der erste Tag erwachte scheu.
Er brach früh an und dann gleich aus.
Ein Feuerchen im Eingangsflur
und dichter Rauch im Stiegenhaus.
Für Kinder reine Spielkultur.

Ein Stromverteilerschrank besteht
aus vielen Drähten, isoliert.
Er hat dann zwei versteckt verlegt,
blank an der Dusche kontaktiert.
Ich qualmte kurz und war erregt.

Ich liebte meine Pflanzenwelt,
den dichten Wuchs, die grüne Pracht.
Doch Kinderhände sind geschickt.
Was man mit Scheren alles macht!
Der Kahlschlag ist dem Kind geglückt.

Mein Kater liegt seit Freitagnacht
auf einer Intensivstation.
Der Racker hat des Abends spät
nach Abführmittelinfusion
ihm seinen Ausgang zugenäht.

Wie schnell verflogen doch die Stunden.
Hatt` ihn fast lieb, den Terroristen
und ihn beschützt und wohlgehütet.
Doch wünschte ihn auf Fahndungslisten.
Und dann wurd‘s mir ja doch vergütet.

Denn auch demnächst darf ich den Kleinen
für länger hüten und verwahren
und innigstes Verständnis hegen.
Doch werde ihn dann bei Gefahren
zuallererst in Ketten legen.


17. Platz : Joe Fliederstein

Kleine Rotlicht-Moritat hessisch (Moritat)

Du hast Papiere nicht und Ahnen,
Du hast nur einen runden Leib,
Und die Behörden kratzen Kreuze
Betreffs: «Festendlicher Verbleib?»

Du hast in meinem Bett gelegen
Vorgestern Abend im August
Und hast gesagt: «Herr Nachbaa, gelle,
Se maches korrz, isch hob ko Lust.»

Und saß ein Vogel vor dem Fenster
Und hatte einen Ehrenplatz –
«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche
Is doch ’s Edstle so’n Schpatz,

Der fliescht erum un hockt am Errker
Un guckt enoi un hot ko Geld,
Des issen Schpatz un is als solscher
Beliebt, gefiddert un gemeld.»

Du hast Papiere nicht und Ahnen,
Und übermorgen bist du tot,
Und vor den Fenstern alle Vögel
Spalieren dir im Morgenrot,

Und hinter Wolken schreibt ein dicker
Prophet dich ein in die Kartei …
«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche,
Do muss mer mindstens Engel sei.»


18. Platz : Didi Costaire

Crhyme time (Moritat)

Es stürmte und gewitterte
am dunklen Waldesrand.
Dort lief der Babysitter T.
im wehenden Gewand.
Am Abend noch verfütterte
er Blumenkohl mit Schmand.
Nun fluchte er und zitterte
und wirkte angespannt.

Da blitzte es und glitterte,
schon griff ihn eine Hand.
Er schlotterte und schlitterte,
dann fiel er in den Sand.
Ein scharfer Schuss erschütterte
nicht bloß den Baumbestand.
Die Schädeldecke splitterte,
das Blut floss penetrant.

Des Leichnams Kluft zerknitterte;
bald sah ihn ein Passant.
Die Polizei umgitterte
den Ort mit Absperrband.
Ein Kommissar ermittelte
und fand nur Flaschenpfand.
Der dreiste Täter twitterte:
»Ich bleibe unerkannt.«


19. Platz : Joe Fliederstein

Ballade vom Franz

Siehts der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen flackert rot die Lampe,
Und man wechselt einen Schein.

Eine Hose wird in Falten
Über einen Stuhl gelegt,
Während sich ein tiefer Seufzer
Zwischenmenschlich fortbewegt.

Eine Spinne lässt sich fallen,
Und ein Seidenfummel fällt,
An der Wand im Schnörkelrahmen
Guckt ein Engel in die Welt.

Eine Fülle von orangen-
farbener Verkäuflichkeit
Legt sich auf das Vorgeprüfte
Und erwartet den Bescheid.

Ein Gebet auf schmalen Lippen
Wird im Himmel überhört,
Und ein Schicksal steht im Zimmer
Irgendwie herum und stört.

Ein ermunterndes: «Was ist denn!»
Aus der Ecke mahnt zur Lust,
Und das Schicksal fährt zusammen
Und entscheidet: «Franz, du musst!»

Siehts der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen fällt beherzt ein Schicksal
Auf ein anderes herein.


20. Platz : Didi Costaire

Morgenrot (Ballade)

An der roten Ampel nachts um zwei
stand der Audifahrer Friedhelm Lange
lange und er kratzte seine Wange.
So verstrich die Zeit und bald war's drei.

An den roten Ampeln nachts um drei
gab es mittlerweile manche Schlange.
Wagen hielten häufig Stoß an Stange.
Müde Menschen mäkelten dabei.

An den roten Ampeln nachts um vier
stauten sich die Autos stetig länger.
Lauter Leute blickten immer strenger,
bis auf Oettinger - der trank sein Bier.

An den roten Ampeln nachts um fünf
wartete das Volk auf die Signale,
aber Oetti in der Leitzentrale,
der benahm sich völlig unvernünf

An den roten Ampeln, Gongschlag sechs,
wirkte wirklich niemand froh und heiter,
anders als der Leitzentralenleiter
Oettinger und sein Kollege Becks.

An den roten Ampeln so um sieben
sind die Ampelmännchen eingeschlafen.
Würde jemand Rotsünder bestrafen?
Einer hat die Fakten aufgeschrieben...

An den roten Ampeln war es acht.
Oettinger beschloss: "Is' Feierabend!"
Er erreichte seinen Wagen trabend.
An der Ausfahrt hat es dann gekracht.

An den roten Ampeln gegen neun
stand man sich auf Straßen in der Quere.
Bloß an Arbeitsplätzen gähnte Leere:
Kein "Grüß Gott!" und "Servus!" oder "Moin!"

An den roten Ampeln wird es zehn.
Jede Kreuzung ist total verrammelt.
Alles hupt nervös, bloß Friedhelm gammelt.
Sowas hat man lange nicht gesehn.


21. Platz : Oscarchen

Richtige Auswahl (Moritat)

Nach all diesem endlosen Streiten
War ich es, der Flüche ausstieß
Um sie dann devot zu begleiten
Ins Küchen - und Wohnparadies

Es stand dann nach zwölfeinhalb Wochen
Ein Monstrum von Küche im Haus
„Ach könnte doch nur jemand kochen!“
Ich sprach diesen Satz drohend aus

Die Stimmung war frostig zu nennen
Ich kaufte die Küche zum Schein
Die Gattin ließ Wasser anbrennen
Sie legte nur Wert aufs Design

Dann flogen die Worte wie Pfeile
Es wurden Bestecke begehrt
Sie wurden dann schärfer, die Teile
Dann lag sie fast rücklings vorm Herd

Ich fragte sie scheu und fast artig
"Und jetzt noch was kochen, so spät?"
Die Gattin war tot, doch recht drahtig
Ich dachte, dass da noch was geht

Wie zügig gelang das Tranchieren
Die Küche, sie bot allerlei
Selbst Extremitäten pürieren
Das Werkzeug dafür war dabei

Ihr Rumpf lag auf schiebbaren Platten
Im Heizraum vom Zanker 02
Die Herde, die alles gestatten
Auch Frauen bis zwei Meter drei

Ein Festmahl war mir da gelungen
Wie knusprig die tiefbraune Haut
Hab‘ zwar mit dem Rückgrat gerungen
Doch war mit der Säge vertraut

Und solltet ihr euch mal verlieben
Seid achtsam und stets auf der Hut!
Die Hochzeit mit Feisten verschieben
Denn Drahtige, die schmecken gut!


22. Platz : Joe Fliederstein

Die Moritat vom durstigen Dieter

Ach, der Suff, so spricht der Dieter,
Und im Rotweinkeller kniet er,
Ach, der Suff lässt mich auf Erden
Vor den Zeiten Engel werden,
Nach der ersten guten Flasche
Fang ich an, als Mensch zu schrumpfen,
Um nach weitren, in der Asche
Meines Menschseins abzustumpfen.

Dieter gibt sich einen Ruck,
Und dann nimmt er einen Schluck,
Stellt die Flasche ab und knetet
Heftig Hand in Hand und betet:

Lieber Gott, du gabst mir Zaster,
Mit dem Zaster kam das Laster,
Habe manchen meiner Scheine
Umgesetzt in Bier und Weine
Und zuweilen in Likör,
Alkohol ist mein Malheur …

Dieter gibt sich einen Ruck,
Und er nimmt den nächsten Schluck.

Wenn die andern Leute träumen,
Steh ich unter dunklen Bäumen,
Sehr besoffen und erheitert,
Im Empfinden sehr erweitert,
Und es wirkt auf mich die Nacht
Richtig wie von mir gemacht …

Dieter gibt sich einen Ruck,
Nimmt schon wieder einen Schluck,
Und dann nimmt er Schlücker zehn
Und vom Kurzen Stücker zehn,
Wie‘s ihm durch die Kehle gluckert,
Nie hat Dieter so geschluckert,
Doch er sieht sich grade stehn
Und den Blick zum Himmel drehn …

Ach, ich bin so gern besoffen!
Lass mich dennoch weiterhoffen,
Einstens zu den andern Frommen
In den Himmel reinzukommen,
Lieber Gott, eventuell,
Auch mit einer Flasche Hell?
Lass mich, eh sie mich begraben,
Einen Letzten sitzen haben
Und den Allerletzten oben,
Hast du je ein Glas gehoben,
Lieber Gott, bedenke dann:
Hundsgemein ist jedermann,
Der darauf verzichten kann …

Dieter gibt sich einen Ruck,
Nimmt entschlossen einen Schluck,
Einen von den ganz enormen,
Worte kann er nicht mehr formen,
Sieben Flaschen sind geköpft,
Büßerhemd ist aufgeknöpft,
Dieter büßt für seine Sünden,
Sieht den Fluss des Lebens münden
In dem großen dunklen Meer …

Bin ich Dieter oder wer …
Bin ich … werd ich aus dem Leben
Ins gelobte Jenseits schweben …
Wenn die braven Leute schlafen …
Schweb ich zwischen schwarzen Schafen …
Sehr besoffen sind wir alle …
Niemand kriegt uns in die Falle …
Sind wir Dieter … sind wir nackt …
Hab ich SOS geflaggt …
Und zur Freude
Für uns beide,
Lieber Gott, das wär der Hit,
Bring ich uns ein Fläschchen mit …

Dieter gibt sich einen Ruck,
Und dann wars der letzte Schluck.


23. Platz : Oscarchen

Glückliche Fügung ( Ballade)

Wie rennen sie, in kurzen Hosen
In feuchten Leibchen, bunt beflockt
Und wenn frenetisch Ränge tosen
Wird noch die letzte Kraft entlockt

Der Recken, die in schweren Schuhen
Dem Sieg entgegengaloppieren
Noch keinen Grund, sich auszuruhen
Zur Not ein Kampf auf allen Vieren

Die Uhr zeigt knappe zwei Minuten
Vielfältig lässt sich Zeit gestalten
Mal muss man trödeln, mal sich sputen
Zur Not auch mal die Uhr anhalten

Verwaist steht der Toilettenwagen
Und auf den Rängen stehen Pfützen
Wer wird sich jetzt noch trauen, wagen
Und schnell entleert man sich im Sitzen

Der Bierstand wird noch frequentiert
Die Zeit muss sein, und wenn zum Trost
Und hoffen, dass kein Tor passiert
Zum Wechselgeld ein kurzes „Prost“!

Nun spitzt die Lage sich doch zu
Die Nerven liegen sichtbar blank
Wie bei dem ersten Rendezvous
Doch leicht beruhigt der Gerstentrank

Die letzte Angriffswelle rollt
Mit Urgewalt und Wut und Kraft
Der Ball der fliegt, scharf und gewollt
An Schiris Kopf…ins Tor…geschafft!

Er sammelt Kraft für letzte Pfeifen
Ein zartes Flöten wird es nur
Das Tor es zählt, kaum zu begreifen
Der Schiri kriegt `ne goldne Uhr

Der Sekt füllt das Pokalgefäß
Die Freude, sie ist vehement
Solch Spiele enden wunschgemäß
Wenn man des Schiris Wünsche kennt


24. Platz : Artbeck Feierabend

Die Ballade vom Dummbidel


Algebra und Rechenschieber,
mancher liebt das Mathefieber.
Formeln büffeln – welch ein Spaß!
Nerds und Streber geben Gas.

Karsten Kötter aus dem Orte
war nicht ganz von dieser Sorte.
Lehrer Rawe blickte schnell:
Dieser Junge ist nicht hell.

Und es kam, was kommen musste!
Kindheit endet schnell im Fruste.
Für den Pauker leichtes Spiel:
Karsten quälen, wie’s gefiel.

Tafelgänge noch und nöcher.
„In der Birne doch nur Löcher!
Zirkelführung? – Lächerlich.
Aufgepasst, ich warne dich!“


Dieses ging Tag ein, Tag aus.
Für den Jungen war‘s ein Graus.
Höhnisch tönte bald die Kunde:
„Karsten dreht ne Ehrenrunde!“

So verließ er leis‘ die Penne,
floh verschämt aus Kattenvenne.
Zwei Dekaden, dann die Wende:
Rawes Herrschaft nahm ein Ende.

Seine Frau, die Gisela,
fand ihn ernsthaft sonderbar
und zu ihrem Herzverdruss
kam vom Gatten reichlich Stuss.

„Schatz, du musst jetzt tapfer sein,
hier dein Überweisungsschein.“

Schweren Mutes klopfte dann
Rawe bei der Neuro an.

Ärzte zeigten sich bemüht,
Sorgen drückten sein Gemüt.
Einsam zog er ins Quartier,
träumte bleiern und recht wirr:

Fühlte plötzlich Fäuste greifen
und ihn grob zur Tafel schleifen.
Lehrer, Schüler, alles stierte,
wie der Rektor ihn sezierte.

„Hier die Gleichung, Herr Kollege.
Zeig mir mal die Lösungswege!“

Und er zog ihn durch die Mangel.
„Wie? - Ich hör hier nur Gestammel?

Biste wieder bsoffen, Fritz?
Dein Beweis ja wohl ein Witz!
Nachtigall, ick hör dir trapsen!“

Rawes Kopf, er schien zu platzen.

Jetzt die Menge Beifall brüllte,
Schon der Saal sich weiter füllte,
als der Vorhang sich erhob
und man einen Grabstein schob:

Friedrich Rawe - Ruh in Frieden
vom Kollegium gemieden
Mathelehrer- Rest in Peace
war zu Schülern leider fies.

„Bewerft mein Lebenswerk mit Kot?
Denkt ihr denn, ich bin schon tot?
Vade retro, Teufelsbrut!“

krächzte Rawe krank vor Wut.

Dunkler Hass kam da geschlichen,
Daumen über Kehlen strichen,
als sie ihre Zähne bleckten,
Käuzchenrufe Rawe weckten.

Dann, mit viel Gebölk, Gewimmer,
fand er sich im Krankenzimmer.
Zügig kam ein junger Mann,
nahm sich seiner freundlich an.

„Pfleger, bitte schnell ne Pille!“,
Rawe spähte durch die Brille:
Oh – den Burschen kannte er!
„Moment mal, bist du nicht der - ?“

„Dummbidel!“ – Kötter lachte,

derweil er Rawes Betten machte.
„Fandest du mich etwa mies?“
„Nein, Sie waren sehr präzis,

doch tu ich mich mit Kalkulieren
immer noch verspekulieren.“

Langsam zählte Kötter Tropfen,
Morgenlicht fing an zu klopfen.

„Später ist noch Zeit zum Plaudern.“
Und der Alte, ohne Zaudern,
müd vom Träumen, nahm den Trank,
drückte Kötters Hand zum Dank.

Draußen roch es sanft nach Flieder.
Amseln sangen ihre Lieder.
Rawe sank in kühle Ruh,
sah sich selbst beim Schlafen zu.
 
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