Man mag das vielleicht als kleinkariert verachten, aber mich stört zunächst die inkonsistente Großschreibung. Die Verse 2 und 3 in S2, Vers 4 in S4 müssten nach meinem Dafürhalten mit kleinen Lettern beginnen.
Ich schreibe das, weil viele Autoren auf eine regelabweichende Groß- und/oder Kleinschreibung Wert legen, mit Großbuchstaben am Versanfang oder durchgehender Kleinschrift oder Kleinschrift mit Ausnahmen. Hier nun bin ich unsicher, ob dem eine besondere künstlerische Absicht zugrunde liegt oder nur die Flüchtigkeit, wie es für mich den Anschein hat.
Der Text allerdings wirkt geschliffen, kreuzgereimt in 4-hebigen Jamben metrisch sauber konventionell aufgebaut. Dabei fällt mir auf, dass in den Reimen durchgehend Verb auf Verb fällt und Substantiv auf Substantiv, was recht brav und bieder wirkt.
Im Gegensatz dazu steht der Inhalt. Das Bild, das er beschreibt, lässt mich zweifeln: Südseedrama oder Strandurlaubsidylle? Oder Strandurlaubsidylle mit Südseedrama? Alles will nicht so recht passen und ich lasse die Worte sprechen: Atem - Wellen - begraben - schmatzen - kitzeln - kühlen. Das klingt nach einer heißen Nummer am Strand.
Im der 3. Strophe wendet sich der Blick vom Du zum Ich, vom Vergangenen zu den gegenwärtigen Schattenseiten. Vom Du getrennt leidet das Ich an seinen Erinnerungen, um schließlich in der 4. Strophe einen Ausblick auf eine Lösung zu geben.
Das ist soweit verständlich. Ladung und Schiffsbruch umschreiben das Desaster, geblähter Magen die Folgen und Verdauung die Hoffnung auf Besserung. Dem gegenüber steht allerdings das Bild der nagenden Ratten, die sich eingenistet haben. Ratten sind allgemein zäh und destruktiv. Hier jedoch scheinen sie zugleich zu den Erlösern zu gehören, die das Ich von den Erinnerungen befreien, ein recht widersprüchliches Bild, das durch den abschließenden Bezug auf ein Uns noch verkompliziert wird.
Hmmmm – für mich wirkt der Text leider etwas unausgegoren, als stecke der Autor selbst noch tief in der ambivalenten Gefühlswelt seines Lyrischen Ichs. Das führt mich zu der Frage, ob ein guter Text lediglich das Symptom wiedergeben soll, um dem Leser die Diagnose zu überlassen. Man kann es so sehen, aber ich erwarte vom Autor mehr als nur das Abspielen seines inneren Aufnahmegerätes, mehr Verdeutlichung, Gestaltung.
Gern kommentiert.
Grüße
JB